Studie zu Abgasen von Dieselautos: Stinkende Schlupflöcher
Viele Dieselautos produzieren mehr Schadstoffe als erlaubt. Das Problem liegt in den EU-Zulassungstests, die die Hersteller selbst durchführen.
„Die Chefs von Daimler, Volkswagen und BMW sind für viele Zehntausend Tote persönlich verantwortlich“, sagt DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch. Denn ihre Produkte blasen jährlich viele Tonnen an giftigen Abgasen in die Luft. Eigentlich begrenzt die Euro-6-Norm den Schadstoffausstoß von Dieselfahrzeugen. Danach dürfen die Autos beispielsweise maximal 80 Milligramm Stickoxide pro Kilometer ausstoßen. Stickoxide sind stechend riechende Gase, die nicht nur die Atemwege von Menschen schädigen können, sondern für die Umwelt extrem schädlich sind.
Die Vorschriften, die den Ausstoß von Stickoxiden eindämmen sollen, werden jedoch von der Automobilindustrie ausgehebelt, protestieren die Umweltschützer. Eigentlich muss jedes neue Modell einen Schadstofftest hinter sich bringen. Das Problem: Diese Tests führen die Hersteller der Autos unter Aufsicht des TÜV selbst durch. Dafür, so wirft ihnen eine Studie der nachhaltigen Verkehrsorganisation „Transport and Environment“ vor, kämen einfache Teststrecken, spezielle Motorenöle und Reifen mit extrem hohem Druck zum Einsatz.
Die Studie kommt zu dem Ergebnis, dass unter realistischen Bedingungen neun von zehn Diesel-Neuwagen die EU-Standards verletzen würden. Die Testbedingungen reduzierten den Ausstoß von klimaschädlichen Gasen, entsprächen aber nicht den Bedingungen, denen das Auto im Alltag ausgesetzt sei. Außerdem, so die Organisation, würden in vielen Dieselautos minderwertige Katalysatoren verbaut, die billiger sind und im Test funktionieren, im Realbetrieb jedoch schnell an ihre Grenzen gelangen.
Die Hersteller bestreiten die Vorwürfe. Eckhart Rotter vom Verband der Automobilindustrie sagt: „Die Vorstellung, dass Autos, die nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechen, auf die Straße kommen, ist absurd“. Die Zulassungsverfahren seien von der EU „minutiös festgelegt“, Schlupflöcher gebe es nicht. Der europäische Diesel sei einer der saubersten Kraftstoffe.
Fünfmal mehr Stickoxide als erlaubt
Das bestreiten die Autoren der Studie. Sie behaupten, die getesteten Fahrzeuge würden unter Straßenbedingungen im Durchschnitt fünfmal mehr Stickoxide ausstoßen als erlaubt. Der Extremwert liegt bei dem 22-Fachen der EU-Norm.
Dass es auch anders geht, zeigt sich in den USA. Dort werden Autos nicht von den Herstellern selbst, sondern von einer staatlichen Behörde unter Alltagsbedingungen getestet. Folglich müssen die Konzerne für die in den USA verkauften Wagen leistungsstärkere Katalysatoren einbauen. Testbedingungen wie in den USA könnten auch in Europa die Hersteller zwingen, für eine Zulassung sauberere Autos zu bauen.
Wenn das geschehen würde, könnten die protestierenden Umweltschützer vor den IAA-Messehallen vielleicht nach Hause gehen, und die Herren drinnen könnten mit gutem Gewissen weiter in die vielen Kameras grinsen und Hände schütteln.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Exklusiv: RAF-Verdächtiger Garweg
Meldung aus dem Untergrund
Pro und Contra Letzte Generation
Ist die Letzte Generation gescheitert?
BSW-Chefin im ZDF
Wagenknecht macht BND für Irrtum verantwortlich
Elon Musk torpediert Haushaltseinigung
Schützt die Demokratien vor den Superreichen!
Studie zum Tempolimit
Es könnte so einfach sein
Fragestunde mit Wladimir Putin
Ein Krieg aus Langeweile?