: Baumärkte zu Wohnheimen
INTEGRATION Die grüne Sozialsenatorin will mit einem reformierten Polizeigesetz größere, aber leer stehende Immobilien notfalls zwangsweise für Flüchtlinge anmieten
von Jan Zier
Bremen will nun doch leer stehende Immobilien zwangsweise anmieten, um Flüchtlinge darin unterzubringen. Eine entsprechende Änderung des Polizeigesetzes stellte Sozialsenatorin Anja Stahmann (Grüne) gestern dem Senat vor.
Danach können ungenutzte Gebäude von der Stadt „sichergestellt“ werden, wenn dies als ultima ratio der „Abwehr von bevorstehenden Gefahren für Leib und Leben“ dient. Potenziell betroffen sind alle Immobilien, die größer sind als 300 Quadratmeter. Die Eigentümer werden nicht enteignet, sondern bekommen laut Gesetzentwurf eine „angemessene Entschädigung in Geld“ – deren Höhe von der zuständigen Behörde festgelegt wird. Bürgermeister Carsten Sieling (SPD) sprach bei Radio Bremen von einem „marktangemessenen Mietzins“. Widersprüche und Anfechtungsklagen gegen eine Zwangsanmietung sollen „keine aufschiebende Wirkung“ haben. Das Gesetz, das nach einem Vorbild aus Hamburg entstanden ist, soll Ende März 2017 wieder wegfallen.
In Hamburg will der rot-grüne Senat laut Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) nur Gewerbeimmobilien sicherstellen. Auch wenn sich der Gesetzentwurf keineswegs auf sie beschränkt: In Bremen ist offiziell ebenfalls nur von Gewerbeimmobilien die Rede, etwa leer stehende Baumärkte in Hastedt und Habenhausen.
Über deren mögliche Nutzung als Flüchtlingsunterkunft wurde in der Vergangenheit schon verhandelt, eine Einigung scheiterte dem Vernehmen nach, weil der Eigentümer eine Miete von 18 Euro pro Quadratmeter haben wollte. Das reformierte Polizeigesetz, so die Hoffnung, soll die Verhandlungsbereitschaft von Vermietern stärken.
Bundesbauministerin Barbara Hendricks (SPD) hatte kürzlich eine „Zwangseinweisung von Flüchtlingen“ noch abgelehnt – und stattdessen mehr Neubau gefordert. In Flächenländern ist die SPD auch weiterhin gegen solche zwangsweise Anmietungen. Während Die Linke das späte Inkrafttreten der Neuregelung mit Jahreswechsel und ihre zeitliche Befristung kritisiert, halten CDU und FDP, aber auch der Eigentümerverband Haus & Grund die Zielrichtung des Vorstoßes aus dem Sozialressort für verfehlt.
So spricht CDU-Fraktionschef Thomas Röwekamp von einer „populistischen Scheinlösung“, die „schlicht nicht praktikabel“ sei. Er befürchtet „langwierige juristische Auseinandersetzungen“, mit denen die Behörde „völlig überfordert wäre“. Nach Ansicht der CDU sind auch in den städtischen Immobilien „noch längst nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft“, etwa in den Messehallen oder im Sportgelände der Uni. FDP-Fraktionschefin Lencke Steiner wiederum vermutet, dass Bremen „nach Lust und Laune Immobilien in Beschlag nehmen“ will und spricht von einer „eiskalten Enteignung“.
Soweit geht nicht mal die Eigentümerlobby, auch wenn sie den „enteignungsgleichen Eingriff“ scharf kritisiert. Geschäftsführer Bernd Richter (FDP) gab sich „überrascht“ von dem Vorstoß, setzt aber weiter auf Freiwilligkeit und Überzeugungsarbeit bei den Eigentümern. Er fürchtet einen „Stimmungswandel“ in der Bevölkerung und „diffuse Ängste“ vor möglichen Wertverlusten der eigenen Immobilie. Auf Facebook wurde der Senat schon als „Volksverräter“ beschimpft und Bremen mit einem „totalitären Regime“ verglichen.
Derzeit sind in Bremen über 1.000 Menschen in Zelten und mehr als 500 in Turnhallen untergebracht. Die Genfer Flüchtlingskonvention verlangt, dass Asylbewerbern schnell in menschenwürdige Unterkünfte kommen. Zelte und Turnhallen findet da auch Haus & Grund auf Dauer inakzeptabel. Turnhallen sind zudem rechtlich problematisch, wenn es so zu erheblichem Unterrichtsausfall kommt.
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