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Andrea Nahles beim Verdi-KongressBemühte Harmonie

Verdi und Arbeitsministerin Andrea Nahles fordern den Mindestlohn auch für Asylbewerber. Strittige Themen werden nicht angesprochen.

Aufmerksame Gewerkschafter mit ordentlich Sitzfleisch. Foto: dpa

Leipzig taz | Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles verließ gerade den Saal, als die Realität Einzug in den Verdi-Bundeskongress hielt. Unangekündigt betraten am Mittwochmittag Dutzende JunggewerkschafterInnen die Bühne, um zu berichten, was sie zwei Hallen weiter in der Leipziger Messe erlebt hatten.

Dort sind derzeit knapp 2.000 Geflüchtete untergebracht. Unter Bedingungen, die im scharfen Kontrast zum Komfort des Gewerkschaftstreffens stehen, wie die Nachwuchs-VerdianerInnen schockiert wie eindringlich schilderten. „Sie haben keine Ahnung, wie es weitergeht“, berichtete der Delegierte Michael Hortig. „Und sie haben Angst, richtig Angst.“

Das Thema Flüchtlinge hatte bereits in der eineinhalbstündigen Grundsatzrede von Frank Bsirske am Vormittag eine Rolle gespielt. Verdi wolle „dazu beitragen, dass diejenigen, die kommen, und diejenigen, die hier sind, nicht gegeneinander ausgespielt werden“, sagte der am Dienstag zum vierten Mal wiedergewählten Verdi-Vorsitzende. Deswegen setze sich die Gewerkschaft entschieden zur Wehr „gegen alle Versuche, Flüchtlinge vom Mindestlohn und der Geltung des Arbeitszeitgesetzes auszunehmen und als Lohndrücker einzusetzen“.

Auch Arbeitsministerin Nahles erteilte Ausnahmen vom Mindestlohn, wie sie Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) gerade erst von ihr gefordert hat, eine Absage. „8,50 Euro sind das Mindeste, egal welchen Pass die Kolleginnen und Kollegen haben“, sagte sie in ihrem Grußwort.

Gesetzlicher Schutz vor Streikbrechern

Auch ansonsten beschwor die Sozialdemokratin die Gemeinsamkeiten. So kündigte sie an, im Oktober ein Gesetz zur Bekämpfung des Missbrauchs von Leiharbeitern und Werkverträgen vorzulegen. Mit Blick auf den Poststreik sagte sie: „Es kann nicht sein, dass Leiharbeiter als Streikbrecher eingesetzt werden, damit muss Schluss sein.“

Strittiges, wie das von ihr durchgesetzte und von Verdi scharf abgelehnte Tarifeinheitsgesetz, sprach Nahles nicht an. Bsirske war ebenfalls sichtlich um Harmonie bemüht und sparte sich jegliche Kritik an der Ministerin. „Wir sehen dich in einer ganzen Reihe von Punkten als eine wirkliche Verbündete“, lobte er sie stattdessen.

Am Nachmittag begann der Kongress mit der Antragsberatung, die noch bis Freitag fortgesetzt wird.

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