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Kommentar Israels Abzug aus GazaRaketen statt Hongkong

Kommentar von Susanne Knaul

Vor zehn Jahren verließ Israel Gaza. Viele Palästinenser träumten von Aufschwung. Doch sie wählten Hamas und ihr Land wurde zur Raketenabschussbasis.

Vor zehn Jahren: Israels Militär verlässt Gaza. Foto: dpa

W ir machen den Gazastreifen zum Hongkong des Nahes Ostens“, frohlockte Fatah-Funktionär Dschibril Radschub kurz vor Israels Räumung der 21 Siedlungen im Gazastreifen und dem Abzug der Armee 2005. Die Voraussetzungen für einen Aufschwung waren nicht schlecht. Die israelischen Bauern hatten ihre Gewächshäuser samt Bewässerungsanlagen zurückgelassen.

Die langen Sandstrände sind wie geschaffen für sonnenhungrige Touristen, und vor der Küste liegen sogar Gasfelder, die bis heute niemand nutzt. Man hätte etwas machen können aus der neuen Freiheit, die Mitte August vor zehn Jahren begann.

Die Palästinenser dankten es Israel nicht, sondern wählten nur Monate nachdem der letzte Soldat den Gazastreifen verlassen hatte, die Hamas an die Macht. Die neue islamistische Regierung weigerte sich, mit Israel zu kooperieren, Israel boykottierte umgekehrt die Hamas, und auch Ägypten sperrte den Grenzübergang, weil die neuen Herrscher die zuvor vereinbarten Regeln nicht einhalten wollten. Stattdessen setzte die Hamas auf den bewaffneten Kampf und schoss Raketen auf den mächtigen Feind.

Die Rechnung Ariel Scharons war nicht aufgegangen. Der damalige israelische Regierungschef hatte auf Entspannung gehofft, als er die jüdischen Siedler aus ihren Häusern holte. Erst Gaza und dann weitere Teilabzüge auch im Westjordanland schwebten ihm vor. Doch die Trennung der Völker, um die es im Friedensprozess geht, funktionierte nicht.

Der Abzug aus dem Gazastreifen war zwar ein kompletter. Keine einzige Siedlung, kein Armeeposten blieb zurück, auch nicht in der Grenzregion nach Ägypten. Die Palästinenser hatten bekommen, was sie jahrzehntelang gefordert hatten. Aber sie machten daraus kein Hongkong, sondern eine Abschussbasis für Raketen und Granaten. Damit verpatzten sie ihre Chance, weitere Teile ihres Landes zu befreien, ohne Intifada und ohne Krieg.

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Redakteurin Meinung
1961 in Berlin geboren und seit 2021 Redakteurin der Meinungsredaktion. Von 1999 bis 2019 taz-Nahostkorrespondentin in Israel und Palästina.
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18 Kommentare

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  • Schön das auch Frau Knaul kapiert hat worum es überhaupt geht.

    Allerdings ist Gaza nicht nur Abschußbasis für allerlei Raketen sondern dort gibt es auch tolle Hotels, gute Straßen und gepflegte Einkaufszentren. Und dort verkehren nicht nur hochbezahlte UN-Mitarbeiter sondern auch normale Einwohner Gazas die zu den - mit Abstand - besten alimentierten Einwohnern eines Entwicklungslandes des ganzen Planeten gehören. Auch die ab und an fälligen Bombenangriffe können nämlich nicht verhindern, daß Gaza eine perfekte Gesundheitsversorgung, (positive) Spitzenwerte in der Lebenerwartung und die für den arabischen Raum niedrigste Kindersterblichkeit hat.

     

    Selbst wenn die Hamas keine Raketen schießen würde, könnte es kaum besser sein.

  • was? wo bin ich gelandet'? lesse ich Israel Today?

  • Die Palästinenser haben Hamas gewählt, die Griechen Syriza. Deshalb haben beide verdient, was sie bekommen.

     

    Wie gut, daß die Deutschen in ihrer Geschichte immer alles richtig gemacht haben und es gar nie nötig hatten, daß man ihnen vergibt, anstatt sie zu verurteilen.

  • Ein informativer, sachlicher Artikel der mal die Ereignisse ins rechte Licht rückt und klar die dortigen Realitäten widerspiegelt.

    Sehr gut.

    • @silvia2015:

      das mit dem "rechten" licht stimmt, tät ich mal sagen.

      • @christine rölke-sommer:

        Das ist mir als Diskussionsgrundlage etwas zu viel Ressentiment und etwas zu wenig Argument.

  • [...] Kommentar entfernt. Bitte die Netiquette beachten. Die Moderation

    • @christine rölke-sommer:

      wenn es nicht so traurig wäre, dann tät ich brüllend lachen!

       

      da wird ein besatzer dafür gelobt, dass er nach interntionalem recht illegale (besatzer-)siedlungen räumt - dabei sollte doch rechtstreue eine selbstverständlichkeit sein.

      da wird ein besatzer dafür gelobt, dass er sich polizei-militärisch ein klein bißchen zurückzieht - und darüber vergessen, dass er nun eben von außen eingreift und dabei öfter als zuvor menschen "herausnimmt", also extra-legal hinrichtet (mitsamt zufällig dabeistehenden, vorbeikommenden, mitwohnenden).

      da wird ein besatzer dafür gelobt, dass er nicht nur seine grenze sondern gleich das gesamte eingegrenzte gebiet kontrolliert, u.a. durch den einsatz von selbstschußanlagen - statt endlich das umzusetzen, was im friedensvertrag mit Ägypten - lang lang ist's her! - mit autonomie der OPT gemeint war.

      da wird ein besatzer dafür gelobt, dass er, statt ein wahlergebnis zu respektieren, so lange im verein mit anderen rumrödelt, bis eine unterlegene (ob das stimmt, wäre noch zu klären) partei putscht.

       

      und besser nicht reden von nakba, flucht und vertreibung, zerstörung und enteignung ... allzuviel historische einbettung könnte wohl wehtun....

       

      aber egal: Netanyahu macht Danny Danon zum neuen UN-botschafter und die taz veröffentlicht einen likud-kommentar zu Gaza. ist wohl teil der charme-offensive gegen BDS, wa..

      dazu sachichmaso: es hätte weitaus schlimmer kommen können. immerhin werden palästinenserinnen noch ein paar menschliche züge zugestanden, immerhin.

      • @christine rölke-sommer:

        Sie haben den Artikel gründlich missverstanden. Darin wird nicht der ehem. Besatzer Gazas "gelobt", sondern zu Recht darauf hingewiesen, dass in den 10 Jahren, die seit der Räumung Gazas durch Israel vergangen sind, die Regierenden/Machthaber von Gaza sich nicht für blühende Landschaften und das Wohl der GazaianerInnen entschieden haben, sondern für Krieg und Terror gegen die früheren Besatzer. Schade, denn die Räumung Gazas war mehr als nur ein Tropfen auf dem heißen Stein. Es hätte einen dauerhaften Frieden zwischen Israelis und Palästinensern einleiten können, einschl. der Konsolidierung von Staatsgrenzen, sowohl für Israel als auch für einen Staat Palästina.

        • @Nicky Arnstein:

          ichsachmaso:

          palästinenserinnen wie nicht-palästinenserinnen konnten bereits im august 2004 in ha'aretz lesen, was dieser pull-out-plan war, nämlich ein riesenschwindel (um's milde zu sagen)

          details finden Sie bei http://www.richardsilverstein.com/2004/10/10/dov-weisglass-g/

          vor diesem hintergrund ist es einfach nur chutzpedig, dem publikum heute den pull-out als durch die palästinenserinnen verpaßte chance zum dauerhaften frieden verkaufen zu wollen.

          dass es dennoch versucht wird, erstaunt mich nicht. ich finde nur, dass die taz diesen job der dieWelt überlassen sollte. von der kennt man's nicht anders. von der taz erwarte ich mir besseres.

    • @christine rölke-sommer:

      In der Tat. Ein Ereignis wird hier völlig aus dem geschichtlichen und politischen Zusammenhang gerissen und dann noch so dargestellt, als wäre die Schlußfolgerung "Palästinenser sind schuld" allgemeingültig.

  • "Die Palästinenser hatten bekommen, was sie jahrzehntelang gefordert hatten. Aber sie machten daraus kein Hongkong, sondern eine Abschussbasis für Raketen und Granaten. Damit verpatzten sie ihre Chance, weitere Teile ihres Landes zu befreien, ohne Intifada und ohne Krieg."

     

    Der Kommentar bringt es auf den Punkt. Was fehlt, ist die Anmerkung, dass Israel daraus gelernt hat und auf Abschussrampen für Raketen und Granaten im Westjordanland verzichten kann, die dort unweigerlich von den Pal. aufgestellt werden würden, kaum dass Israel das Westjordanland räumen würde.

    • @Nicky Arnstein:

      sehr richtig

  • Solide Vereinfachung mit Sündenbock. Warum genau hätte die Bevölkerung des Gazastreifens aus "Dankbarkeit" gegenüber der israelischen Regierung die teilweise diskreditierte Fatah an die Macht bringen sollen?

    • @BigRed:

      Die Palästinenser hatten die Wahl und haben gewählt – die Hammas. Damit haben sie sich auch für Raketen auf Israel und gegen eine Perspektive auf Frieden und etwas Wohlstand entschieden.

       

      Aber wenn man die Zionisten unbedingt zurück ins Meer drängen will, mach das wenig aus.

    • @BigRed:

      Es geht doch gar nicht um Israel. Sie forderten einen Gaza-Streifen ohne israelisches Militär und sobald die Araber ihn hatten, wurde anstatt das Land aufzubauen eine Terrororganisation an die Macht gewählt, die sich zum Ziel gesetzt hat Israel zu zerstören. Es ist schon selten dämlich, denn nur die dümmsten Kälber wählen ihren Schlachter selber.

    • @BigRed:

      Um Frieden zu kriegen und das Land zu entwickeln. Wer die Hamas wählte wußte er wählt Krieg und allimentierung durch Kriegstreiber wie Iran. Jetzt kann niemand mehr wählen die Hamas hält sich als despotische Diktatur mit Gewalt an der Macht, traurig aber eher typisch für die Region.