Kommentar Verschärftes Sexualstrafrecht: Frauenfeindliche Gesetzeslücken
Der Entwurf ist ein wichtiger Schritt vorwärts. Doch es bleiben Unsicherheiten, die durch eine „Nein heißt Nein“- Regelung geklärt werden könnten.
D er Gesetzentwurf von Justizminister Heiko Maas ist ein großer Schritt in die richtige Richtung. Er bessert das immer noch patriarchal bestimmte Sexualstrafrecht an wichtigen Punkten nach und schließt einige frauenfeindliche Schutzlücken.
Es handelt sich auch nicht um eine Showeinlage für die Galerie. Der Gesetzentwurf hat gute Chancen, in dieser oder ähnlicher Form im Bundestag verabschiedet zu werden. Schließlich hat die CDU in dieser Frage sogar schneller als der Minister den Änderungsbedarf erkannt.
Es überrascht allerdings, dass der Bundesjustizminister eine vergleichsweise komplizierte Regelung vorschlägt, statt einfach das Prinzip „Nein heißt Nein“ aufzugreifen. Damit würde nicht nur die Istanbul-Konvention des Europarates sicher umgesetzt, sondern auch das sexuelle Selbstbestimmungsrecht ohne Relativierungen unter strafrechtlichen Schutz gestellt. Maas dagegen will als neues Delikt den „sexuellen Missbrauch unter Ausnutzung besonderer Umstände“ einführen. Dabei würde es strafbar, die Angst eines Opfers vor einem „empfindlichen Übel“ sexuell auszunutzen.
Bisher wird es nicht als Vergewaltigung bestraft, wenn die Frau Sex erkennbar ablehnt, ihn dann aber über sich ergehen lässt, weil etwa die Kinder im Nachbarzimmer schlafen und diese von dem Konflikt nichts mitbekommen sollen – eine Konstellation, wie sie vermutlich relativ häufig vorkommt. Aber ist die Sorge um möglicherweise verstörte Kinder gleichzusetzen mit der Angst vor einem „empfindlichen Übel“? Die Begründung des Gesetzentwurfs bleibt die Antwort schuldig. Letztlich müssen Gerichte entscheiden.
Solche Unsicherheiten könnten vermieden werden, wenn das klare Nein auch im Strafrecht das Maß der Dinge wäre. Das ist auch nicht unverhältnismäßig, schließlich gehört die sexuelle Selbstbestimmung inzwischen unzweifelhaft zum Kern der Menschenrechte.
Wer jemand falsch beschuldigen will, kann dies schon heute tun. Dies ist kein Argument gegen ein konsequentes Strafrecht. In schwierigen Fällen gilt immer der Satz „Im Zweifel für den Angeklagten“.
Eine Verschärfung des Strafrecht ist also kein Mittel gegen Beweisprobleme. Es ist aber abwegig, strafwürdiges Verhalten nur wegen möglicher Beweisprobleme straffrei zu lassen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
BSW in Thüringen auf Koalitionskurs
Wagenknecht lässt ihre Getreuen auf Wolf los
Schließung der iranischen Konsulate
Die Bundesregierung fängt endlich an zu verstehen
Jaywalking in New York nun legal
Grün heißt gehen, rot auch
Unwetterkatastrophe in Spanien
Vorbote auf Schlimmeres
Steinmeiers Griechenland-Reise
Deutscher Starrsinn
Extremwetter und Klimakrise
Köln wird so wie heute San Marino