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Putins Partei auf HeteromissionRusslands Vater-Mutter-Kind-Flagge

Die Partei „Einiges Russland“ stellt die Hetero-Variante der Regenbogen-Flagge vor: eine „echte Familie“ auf blauem Grund.

In Russland auf Stoff gebannt: die Vater-Mutter-Kind-Familie. Foto: imago/Weiss

Wenn es nicht so traurig wäre, müsste man ob der Lächerlichkeit dieser Nachricht in ein perlendes Prusten ausbrechen: Die Partei „Einiges Russland“ hat auf einem von ihr ausgerichtetem Fest eine Alternative zur Regenbogenflagge vorgestellt.

Einige TeilnehmerInnen schwenkten sie, nun ja, stolz und tapfer. Es war der „Tag der Familie, Liebe und Treue“, 2008 vom in jenem Jahr als Ministerpräsident amtierenden Wladimir Putin eingeführt – stets am 8. Juli. Die Flagge zeigt eben nicht die Farben des Regenbogens, auch nicht die Mann-Mann- (oder Frau-Frau-)-Symbolik, die im Mai an Verkehrsampeln in Wien erstmals der Welt vorgestellt wurde, sondern die Familie, die sich die Hegemonen unter dem Präsidenten Putin für die Welt, vorläufig nur für Russland vorstellen.

Auf hellblauem Grund sind eine Frau und ein Mann zu erkennen, an ihren Händen halten sie drei Kinder, zwei Jungs und ein Mädchen.

Die Idee hatte Alexej Lisovenko, Leitungsfigur der Partei Putins. Und er teilte mit, dass die Werbeaktion für realisierte Heterosexualität mit in diesem Fall mindestens dreifach ungeschütztem Sexualverkehr kein Gag sei, sondern eine PR-Antwort auf westlichen Kulturtransfer: „Das ist unsere Antwort zur gleichgeschlechtlichen Ehe, zur moralischen Korruption des Konzepts von Familie. Wir müssen vor dem Schwulenfieber in unserem Land warnen und die traditionellen Werte verteidigen.“

Eine Geste der heterosexuellen Verzweiflung

Unerwähnt ließ er, dass seit Einführung des antihomosexuellen Paragrafen in Russland vor gut zwei Jahren schwule Männer, lesbische Frauen und Trans*-Menschen nicht allein eingeschüchtert und verängstigt sind, sondern viele von ihnen bespitzelt und verfolgt wurden – von Polizei wie vom Heteromob. Insofern: Es ist nicht allein eine Geste der heterosexuellen Verzweiflung des Herrn Lisonov, die ihn zu dieser Aktion bewog, sondern auch die Ergänzung zur ohnehin nicht freiheitlichen Art des Lebens in Russland.

Die Propagandaaktion von „Einiges Russland“ blieb freilich nicht unbeantwortet. Aus Finnland ist das Motiv der Kampagne sympathisch verfremdet worden – zu sehen ist das fast identische Motiv, aber das Elternpaar ist geschlechtlich als (schwul oder lesbisch) gleichgeschlechtlich kenntlich. Die Zwitschereien des finnischen Twitteraccounts werden auch in Russland gern empfangen.

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6 Kommentare

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  • 2G
    23879 (Profil gelöscht)

    So, so. "Putins Partei auf Heteromission". Na da unterscheidet sich diese Partei ja weder von unseren konservativen Katholiken, Protestanten und Mohammedanern, noch deren politischen Vertretern. Also was genau stellt jetzt den Informationswert dieser Meldung dar? Oder ist sie nichts weiter als ein weiterer kleiner Baustein der antirussischen Dauer-Propagandaaktion unserer Konsenzsoßen-Einheitsbrei-Medien?

  • Zwar halte ich diese russische Kampagne inhaltlich für unsympathisch, im Gegensatz zu jenen, die zu Toleranz aufrufen - aber ehrlich gesagt finde ich diesen ganzen nur auf Äußerlichkeiten zielenden Aktionismus peinlich, ob es nun um Vater-Mutter-Kind-Bilder oder deren Verfremdungen, "Hetero-Propaganda" oder "Homo-Ampeln", gezielt politisch inkorrekte Sprache oder "*Innen", von Regenbogenfahnen oder Russlandflaggen unterlegte Profilbilder geht. Welcher Seite inhaltlich meine Sympathie gilt, ist für mich eindeutig - aber genau das sollte die Auseinandersetzung auch sein, inhaltlich. Es hilft ja auch keinem, wenn man praktisch nichts für Frauenrechte tut, aber immer brav "*Innen" schreibt ...

  • Um mir eine Meinung zu bilden, höre ich mir gerne immer alle Postionen an, möchte sie nachvollziehen und verstehen, auch wenn ich sie nicht teile. Warum ich mein Leben nicht so leben kann, wie ich das möchte, wenn andere das auch dürfen, habe ich immer noch nicht verstanden. Kann mir das vielleicht jemand erklären?

  • Tschuldigung, aber ich möchte mal was gegen die Bezeichnung "Heteromob" sagen, die im Text fällt. Die geht mir sehr gegen den Strich. Sie scheint -- auch wenn das nicht gemeint sein sollte -- alle Heteros als Mob zusammenzufassen, als könnte man nur kultiviert sein, wenn man gleichgeschlechtlich orientiert ist. So geht das nicht! Wo doch außerdem jede/r weiß, dass die schlimmsten Schwulenhasser in sich selbst eine homoerotische Neigung spüren und sie außerhalb ihrer selbst zu bekämpfen trachten. Entspannte Heteros freuen sich über jeden Schwulen, weil er ihnen bei den Frauen keine Konkurrenz macht. Vielleicht war es also zumindest teilweise ein Mob verdeckter Schwuler. Keiner kann das genau sagen. Also bitte keine Spekulationen über die sexuelle Ausrichtung des Mobs. Es war einfach ein Mob, was schlimm genug ist, Punkt, aus.

    • @miri:

      Sagen wir mal so: Ich als "entspannter Hetero" freue mich weder explizit über Schwule, noch habe ich auch nur das Geringste gegen sie. Es gibt sie eben einfach, sie sind Menschen wie wir alle mit denselben Rechten, und Punkt. Das ist für mich genau wie mit Haarfarben: Eine unwichtige Randnotiz, die man vielleicht wahrnimmt, die aber für die Beurteilung keine Rolle spielt.

  • Was, bitte, ist eine "Leitungsfigur"? Was ist Alexej Lisovenko außer Erfinde eines albernen Logos noch? Das Internet war ratlos. Es hat mich an die Washington Times verwiesen, an Facebook und an den Chef der russischen Opposition, Alexei Navalny.

     

    Die Waschington Times wurde von Mitgliedern der Vereinigungskirche als konservative Alternative zur Washington Post gegründet, steht da. Das macht mich skeptisch. Außerdem muss ich die Zeitung abonnieren, wenn ich lesen will, was sie über Alexej Lisovenko zu sagen hat. I prefere not to. Auf Faceboock kann jeder sich als der ausgeben, der er gerne wäre. Man stilisiert sich da mit der Absicht, möglichst viele likes zu sammeln. Dass ich dort erfahre, was ich wissen will, halte ich für ein Gerücht. Und Herr Navalny hat ein großes Ziel. Eins, für das sich womöglich die eine oder andere Übertreibung bzw. Lüge lohnt. Was bleibt mir also, wenn die taz ihrem Rechercheauftrag nicht nachkommen mag?

     

    So weit ich weiß glauben PR-Leute, ein Wurm müsse dem Fisch schmecken, nicht dem Angler. Ich halte es also für durchaus wahrscheinlich, dass diese alberne Fahne weniger Putins Aversionen ausdrückt als die Hoffnung, der "Durchschnittsrusse" möge bitte angesichts des ungewohnten Stolzes seine homosexuellen Mitmenschen homophob genug sein, ihr blindlings nachzulaufen. Interessant finde ich in dem Zusammenhang, dass da zwei Jungs und nur ein Mädchen stilisiert wurden. Eins der Kinder ist ja wohl überzählig, wenn die Zielfamilie aus Mutter, Vater und (drei) Kindern besteht. Es ließe sich also ganz prima verheizen im nächsten Konflikt um Territorien und Prestige.

     

    Ob es auch im Interesse russischer Musterfamilien liegt, ihre Söhne abschlachten zu lassen für die Großmachtträume kleiner Despoten, wird man wohl erst sehen, wenn es so weit ist. Weitsicht ist schließlich nirgends auf der Welt eine große Stärke des "gemeinen Volkes".