: Nicht in Feierlaune
RICHTFEST Die Staatsoper feiert trotz Untersuchungsausschuss und explodierten Sanierungskosten von 400 Millionen Euro. Wird Berlins „Mini-BER“ noch teurer?
von Rolf Lautenschläger
Für die Staatsoper Unter den Linden war es sicher ganz gut, dass sie sich in einem Umfeld befindet, das in der letzten Zeit von sich reden machte: Das Berliner Schloss/Humboldtforum feierte im Juni 2015 Richtfest. Auf der Museumsinsel kommt die James-Simon-Galerie aus der Baugrube, und über die Zukunft der Stadtmitte am Roten Rathaus hat der Senat zu Diskussionsrunden eingeladen.
Die desaströse Opernbaustelle, auf der am heutigen Donnerstag Richtfest mit Bausenator Andreas Geisel und Kulturstaatsekretär Tim Renner (beide SPD) gefeiert wird, machte dadurch weniger Schlagzeilen.
Ob wirklich Partystimmung an den Linden aufkommt, darf allerdings bezweifelt werden. Die Kratzer an dem für Berlin ruinösen Bauvorhaben sitzen tief. Noch am Montag hatte Ramona Pop (Grüne) im Abgeordnetenhaus während der Haushaltsdebatte die „teuerste Investition der Stadt“ gegeißelt, wo es eigentlich nichts zu feiern gäbe.
Häme ist das nicht, was die grüne Fraktionschefin da rausließ. Fast jeder in der Stadt findet, dass die von 200 auf unheimliche 400 Millionen Euro gekletterte Sanierung der Staatsoper, die schon 2013 ihren Betrieb wieder aufnehmen wollte, ein Skandal ist, der noch nicht beendet ist. Dürften es doch mehr als 400 Millionen werden. Es bleibe die Frage, ob „dies nun die tatsächlichen Kosten“ seien. „Der aktuelle Bericht des Senats weist noch etliche Risiken aus bis zur geplanten Eröffnung im Herbst 2017“, wie Sabine Bangert, kulturpolitische Sprecherin der Fraktion, betont.
Es ist erst ein paar Tage her, dass die Staatsoper einen weiteren Negativrekord aufgestellt hat. Im Mai wurde ein parlamentarischer „Untersuchungsausschuss Staatsoper“ eingerichtet. Die Sanierung des über 250 Jahre alten Bühnenhauses ist das erste öffentliche Bauvorhaben in der Stadt, welches es geschafft hat, dass noch vor dem Richtfest ein solches Gremium sich mit den Kostenexplosionen und Terminverzögerungen beschäftigt.
„Unser Ziel besteht darin, herauszufinden, wo und von wem bei der Planung und bei der Ausführung Fehler gemacht wurden. Zudem wollen wir wissen, wie es zu dieser exorbitanten Kostensteigerung bei der Sanierung der Staatsoper kommen konnte“, sagt Wolfgang Brauer (Linke), Vorsitzender des neunköpfigen Untersuchungsausschusses, zur taz. Geladen sind der Architekt HG Merz (Stuttgart), Senatsbaudirektorin Regula Lüscher und der heutige Regierende Bürgermeister Michael Müller.
Heute, beim Richtfest, sind die „Fehler bei der Ausführung“ nicht alle zu besichtigen. Die einstige Hofoper, die 1741 bis 1743 nach Plänen von Knobelsdorff geplant und 1955 nach Kriegszerstörungen von Richard Paulick wiederaufgebaut wurde, ist im Rohbau fertig, das Dach geschlossen. Der Zuschauersaal und die Bühne, die Foyers und Treppen sind als kahle Räume erlebbar.
Am Sonntag, 12. Juli, finden von 9 bis 18 Uhr Baustellenführungen durch die Staatsoper statt. Treffpunkt ist das Besucherzentrum, Oberwallstr. 2. Dauer der Führung: ca. 60 Minuten.
Am heutigen Donnerstag findet um 10.30 Uhr offiziell das Richtfest statt. Dazu haben Bausenator Andreas Geisel und Kulturstaatssekretär Tim Renner eingeladen. Die Bläser der Staatskapelle spielen die Fanfare. (rola)
Von dem tiefen Versorgungstunnel, der das Opernhaus mit dem Probenzentrum an der Französischen Straße verbindet, sieht man dagegen wenig. Dieser 25 Millionen Euro teure Tunnel war zeitweise leck. Die Fundamente im morastigen Grund, auf denen das neu renovierte Bühnenhaus mit Zuschauersaal ruht, sind abgedichtet. Sie wankten zu Beginn der Sanierung 2010/11. Der Baugrund war nicht ausreichend gesichert worden. Der neue 35 Meter hohe Bühnenturm, der erst Anfang 2015 installiert werden konnte, weil die Konstruktion umgearbeitet und das Saaldach angehoben werden musste, thront jetzt über dem denkmalwerten Bau. Die statischen Probleme mit der Bühne und Hinterbühne habe man im Griff, die Bausubstanz sei saniert, so Baudirektorin Lüscher.
Man bleibt – wie die Berliner Architektenverbände, die dem Umbau unter historischen Vorzeichen (Erhalt des neobarocken Paulicksaals) kritisch gegenüberstanden – in Berlin trotz dieser Lichtblicke vorsichtig. Von den Siegesmeldungen ist man genervt: Die Kosten des „Mini-BER“ stiegen seit 2008 von erst 239 Millionen Euro auf 300 und nun auf inzwischen 400 Millionen Euro. Nach ersten Verzögerungen hatte die Sanierung 2010 begonnen und sollte im Herbst 2013 beendet sein. Wegen Planungspannen ist die Eröffnung nun 2017 geplant.
All dies belastet das Richtfest, die Feier wirkt paradox. Kürzlich ernannte Müller den Kulturmanager Matthias Schulz zum neuen Staatsoper-Intendanten ab 2018. Niemand weiß, ob er dann Unter den Linden arbeitet.
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