piwik no script img

Pläne gegen FlüchtlingeEU beschließt Schiffeversenken

Die schlimmsten Befürchtungen von Menschenrechtlern und EU-Kritikern scheinen wahr zu werden. Die EU setzt auf Militäreinsätze im Mittelmeer.

Flüchtlinge auf überfülltem Schlauchboot im Mittelmeer. Bild: dpa

BRÜSSEL taz | Einen Monat nach den Bootsunglücken im Mittelmeer mit vermutlich mehr als 1.000 Toten nimmt die neue EU-Flüchtlingspolitik Gestalt an. Sie hat wenig mit den humanitären Versprechen zu tun, die bei einem eilig einberufenen Sondergipfel der Regierungschefs im April abgegeben worden waren. Vielmehr scheinen die schlimmsten Befürchtungen von Menschenrechtlern und EU-Kritikern wahr zu werden.

Humanitäre Quote nein, militärische Abenteuer ja – das könnte das Ergebnis der Beratungen sein. Denn die Quote zur solidarischen Verteilung der Flüchtlinge auf alle 28 EU-Länder hat kaum noch eine Chance. Nach dem britischen Premier David Cameron machte am Wochenende auch sein französischer Amtskollege Manuel Valls klar, dass er den Vorschlag der EU-Kommission strikt ablehnt.

Umso mehr Nachdruck legt die EU auf Militäraktionen gegen die sogenannten „Schlepperbanden“. In Brüssel kamen am Montag die Außen- und Verteidigungsminister der 28 EU-Staaten zusammen, um über politische und rechtliche Details des umstrittenen Einsatzes zu sprechen. Sie rechne mit grünem Licht, unterstrich die Außenbeauftragte Federica Mogherini schon zu Beginn der Gespräche.

Der Militäreinsatz soll vorrangig dem Ziel dienen, Schleuserboote zu identifizieren und zu zerstören. Die EU will dazu in einem ersten Schritt systematisch Informationen über das Vorgehen der Schlepper sammeln – gemeinsam mit Nato und USA. In einem zweiten Schritt sollen Flüchtlingsboote aufgebracht und nach der Rettung der Migranten beschlagnahmt oder versenkt werden.

Boote nach der Rettung versenken

Dies geschieht zum Teil schon jetzt. Wie am Wochenende bekannt wurde, sind die deutschen Marineschiffe „Hessen“ und „Berlin“ angewiesen, die Boote nach der Rettung der Insassen zu versenken. Bisher seien im Mittelmeer vier Schlauch- und ein Holzboot versenkt worden, hieß es vonseiten der Bundeswehr.

Die Europäische Union will aber noch weiter gehen. In der dritten Stufe sollen Schlepperboote versenkt werden, noch bevor sie Flüchtlinge aufgenommen haben. Dies müsste nahe der nordafrikanischen Küste geschehen. Nach einem Bericht des Guardian sind auch Militärexpeditionen an Land nicht ausgeschlossen. Für derlei kriegerische Aktionen braucht die EU allerdings ein Mandat des UN-Sicherheitsrats.

Großbritannien hat bereits einen entsprechenden Resolutionsentwurf eingebracht. Die EU-Außenvertreterin Mogherini zeigte sich in Brüssel optimistisch, dass die UNO mitziehen werde; selbst die Vetomacht Russland könnte Bedenken zurückstellen.

Allerdings gibt es auch noch Vorbehalte. Kritik kommt unter anderem von Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU). „Dies birgt zu viele Risiken und löst die eigentlichen Probleme nicht“, sagte Müller der Passauer Neuen Presse. Schleuserboote sollten ohne militärische Operationen aus dem Verkehr gezogen werden, unterstrich der CSU-Politiker. Er sprach sich für polizeiliche und geheimdienstliche Maßnahmen im Kampf gegen Schlepper aus.

Die nach Brüssel gereisten deutschen Minister zeigten sich zurückhaltend. Er rechne mit einem raschen Beschluss, sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD). Die oberste Priorität müsse bei der Seenotrettung von Flüchtlingen liegen, unterstrich Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU). Was die militärischen Pläne angehe, seien noch „viele schwierige Fragen zu beantworten, rechtliche Probleme zu lösen“. Die beiden Marineschiffe, die Deutschland ins Mittelmeer geschickt habe, hätten bisher über 700 Menschen gerettet, betonte von der Leyen. Zum Schiffeversenken der Bundeswehr sagte sie nichts.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

12 Kommentare

 / 
  • Wenn die EU durch Ihre Politik ganze Wirtschaftszweige in afrikanischen Ländern ruiniert, kommen irgendwann die Menschen in die EU. Billige Hähnchenteile aus der EU haben in afrikanischen Ländern deren eigenen Geflügelwirtschaft kaputt gemacht. Der Kauf von Fischereirechten für den industriellen Fischfang ruiniert viele Fischerexistenzen in Afrika.

  • 5G
    571 (Profil gelöscht)

    Das wird nix und Steinmeier scheint das zu ahnen.

    Trotzdem wird Minister Müller da wohl wenig Gehör finden.

  • "In der dritten Stufe sollen Schlepperboote versenkt werden, noch bevor sie Flüchtlinge aufgenommen haben."

    Das heißt also, wiederum die leeren?

    Wo ist jetzt da das Unmenschliche, es werden doch nirgends Menschen mit versenkt?

    • @ioannis:

      Kollateralschaden nennt sich das.

      Sagen wir mal jemand steht neben dem unbeladenen Boot und wird mit gesprengt.

      Tragisch aber in einem Kampfeinsatz nicht zu vermeiden, sagen jedenfalls die Uniformträger.

      Oder es gibt eine fehlerhafte Zielidentifikation. Oder anders, ein afrikanischer Fischer geht morgens zu seinem Boot. Und da wo er abends das Fischerboot gelassen mit dem er den Lebensunterhalt seiner Familie bestreitet befindet sich morgens ein rauchendes Loch.

      Das sind ja wohl humanitäre Katastrophen oder?

    • @ioannis:

      Woher weiss denn der Schiffeversenker von der EU, welches Boot ein Flüchtlingsboot ist und welches ein stinknormales Fischerboot? Und wenn zB die Bundeswehr (in Kundus, erinnern Sie sich an die Tanklastzüge) eins bewiesen hat, dann ist das wohl die Tatsache, dass es ohne unschuldige Opfer nicht abgeht. Sollen wir als nächstes noch einen Krieg mit Libyen anzetteln?

  • Geschätzter Eric Bonse -

     

    Als ein der flappsig-schnodderigen

    Schreibe und Spreche nicht Abholder

    - die tazmods nicken -

     

    Denke ich doch -

    Angesichts der entlarvenden

    Humanitären Katastrophe -

    für Afrika durch die EU -

    Gebietet der Anstand & der Respekt vor den Opfern -

    schlichte sprachliche Kontenance.

    Danke.

  • 6G
    688 (Profil gelöscht)

    Die Schlepper werden die Flüchtlinge dann schneller ins Wasser werfen, wenn die Kriegsschiffe am Horizont auftauchen!

  • Das sollten wir nicht erlauben!

    Es ist uinhuman/unmenschlich, böse, und dumm, und wenn Frau Merkel die political cost von wilkommen viele refugeess nicht bezahlen möchte, wird sie dann die political cost of being nazi GErmany all over again. sorry diese mischung english/deutsch.

  • falls diese boote mit denen die flüchtlinge ankommen, nicht eh von vornherein als verlust einkalkuliert waren (ich rechne nicht damit das da ein schlepper an bord eines alten schlauchboots ist und das teil zurückschippert), bringt man sie dazu das jetzt zu tun, d.h. man besorgt die billigsten boote die man bekommen kann, da es egal ist ob man sie nocheinmal zurückbekommt. damit nimmt die zahl der flüchtlinge nicht ab aber die qualität der transportmittel und somit die wahrscheinlichkeit, dass sie ankommen. schiffe versenken ohne schiffe zu versenken. elegant gelöst!

  • Ich denke mal, es entspräche dem humanitären Selbstverständnis der EU eher, die Schiffe mit den Flüchtlingen zu versenken.

    • @Lapa:

      Das war aber witzig.