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FlüchtlingeEin neues Heim im Hochhaus

Die neue Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge in Lichtenberg ist bei Bewohnern und Betreibern beliebt. Auf eine Unterkunft in Spandau kann trotzdem nicht verzichtet werden.

Elena sitzt im Spielzimmer des Asylbewerberheims in der Lichtenberger Rhinstraße und malt Hasen. Sie macht das nicht für sich – sie ist 16 Jahre alt, um sie herum am Tisch sitzen ihre sechs jüngeren Geschwister. Jeder hat ein Blatt Papier vor sich. „Wir sitzen hier, weil Ferien sind“, sagt das Roma-Mädchen aus Bosnien. Sonst wäre sie jetzt in der Schule. Für die hat Elena nur ein Wort: „Super!“ Sie ist für das Mädchen etwas ganz Besonderes. Noch ist sie Analphabetin, kann nur ein wenig zählen und rechnen. In Bosnien ist sie nur ein halbes Jahr lang zur Schule gegangen.

Eigentlich war das Heim in der Rhinstraße noch vom rot-roten Senat als Ersatz für eine Unterkunft in der Spandauer Motardstraße geplant. Mit 320 Bewohnern ist es nun fast voll belegt. In der Motardstraße wohnen rund 400 Menschen. „Wir betreiben zwei Heime an den entgegengesetzten Enden der Stadt und haben kaum Personal“, bedauert die Leiterin.

Snezana Hummel von der AWO Mitte, die die im Februar eröffnete Erstaufnahmestelle für Asylbewerber in Lichtenberg und das alte Heim in der Spandauer Motardstraße betreibt, ist zufrieden. „Es ist eine Freude, zu sehen, wie die Jugendlichen am Morgen zur Schule gehen.“ Elena und andere Roma-Mädchen aus Serbien und Bosnien haben denselben Weg wie kurdische und palästinensische Jungs. „Da ist ein Zusammenhalt, obwohl sie keine gemeinsame Sprache sprechen. Aber sie alle sind stolz, zur Schule gehen zu dürfen“, sagt Hummel mit Blick auf die Rhinstraße. Die Jugendlichen gehen dort in eine Kleinklasse für ältere Lernanfänger. Aus der Spandauer Motardstraße gehen kaum Kinder zur Schule. Sie müssen dort über Monate auf die Untersuchung beim Schularzt warten, kurz danach ziehen sie häufig wieder von der Erstaufnahmestelle weg. Mit den langen Fristen drückt sich der Bezirk um die Aufgabe, die Kinder zu beschulen. In Lichtenberg klappe das besser, sagt Snezana Hummel. „Die Zusammenarbeit mit dem Bezirk funktioniert sehr gut.“

Ganz unproblematisch war der Anfang im neuen Heim jedoch nicht. Sie habe geschluckt, sagt Hummel, als sie hörte, dass die neue Erstaufnahmestelle für Asylbewerber in einen elfgeschossigen Plattenbau ziehen würde, der bewohnt war. Die AWO musste den bisherigen Bewohnern eine gleichwertige Ersatzwohnung anbieten, diese renovieren, die Umzüge organisieren und die Kosten erstatten. „Ich habe mit Widerständen gerechnet. Aber alles verlief unproblematisch.“ Einzig ein Rentner habe aus persönlich nachvollziehbaren Gründen nicht umziehen wollen.

Auch das Image des Bezirks sprach nicht unbedingt dafür, die Aufnahmestelle dorthin zu legen. Hummel stammt aus dem früheren Jugoslawien und kam im Alter von acht Jahren ins damalige West-Berlin. Lichtenberg, sagt sie, habe sie lange mit Rechtsextremismus assoziiert. Sie erwartete ein Umfeld, in dem nur Deutsche wohnten und Menschen anderer Hautfarbe auffallen würden. Doch in den Nachbarhäusern stammen viele Familien aus Vietnam. Russlanddeutsche Spätaussiedler, Menschen polnischer und afrikanischer Abstammung wohnen hier.

Bui Duc Hoa von der Vereinigung der Vietnamesen schätzt die Gegend als Wohngebiet für seine Landsleute. „Über rechtsextreme Vorfälle hat hier noch niemand geklagt“, sagt er. Auch die Wahlkreisabgeordnete Marion Platta von der Linken sagt, die Elfgeschosser nahe dem Gewerbegebiet seien ein „stilles Gebiet. Allerdings würden wir uns ein wenig mehr Bürgerengagement wünschen.“ Bezirksbürgermeister Andreas Geisel (SPD) sagt: „Die Asylbewerber sind hier willkommen – auch wenn ich mir wünschen würde, dass sie in Wohnungen statt in Sammelunterkünften wohnen dürften.“ Zumindest in der Erstaufnahmephase sind Heime aber bundesgesetzlich zwingend vorgeschrieben.

Snezana Hummel schwärmt von den vielen kleinen Details im Heim: Das Wort „Eingang“ steht in acht Sprachen über der Tür. „Ein Zeichen für den Respekt gegenüber unseren Bewohnern“, sagt Hummel. Die halbe Treppe bis ins Erdgeschoss können auch Rollstuhlfahrer, die auf dieser Etage wohnen, ohne Hilfe bewältigen, ab dort fährt auch ein Fahrstuhl. Die Etagen haben nicht nur Nummern, sondern auch Symbole: etwa einen Mond, einen Kreis oder einen Querstrich. Damit können sich auch Analphabeten im Haus orientieren. Im Spielzimmer gibt es Toiletten und Waschbecken für Kinder, die die AWO auch in ihren Kitas hat.

Noch wird das Essen in eingeschweißten Folien ausgegeben. Aber die vom Bund vorgeschriebene Vollverpflegung will die AWO abmildern und den Bewohnern mehr Freiraum bieten. Ein Buffet soll es geben mit Zutaten auch aus dem nahen Asiamarkt – auch das, wie Snezana Hummel sagt, „aus Respekt gegenüber den Bewohnern“.

Ein wenig unfertig ist das neue Heim noch: Eine palästinensische Familie mit vier Kindern ist vor sechs Tagen aus Spandau hierher gezogen. „In der Motardstraße war ich geschockt, wie dreckig es war“, sagt die Mutter. In Lichtenberg sei es sauber und hell, die Zimmer seien größer. Statt Gemeinschaftsduschen gibt es hier Einzelduschen, die Intimsphäre wird besser gewahrt. „Küche und Bad liegen gleich neben dem Zimmer und nicht am anderen Ende des Ganges“, sagt sie. Für die vierfache Mutter eine Erleichterung: „Ich fühle mich entspannter.“ In zwei Wochen haben die drei älteren Kinder einen Termin zur Schuluntersuchung – und gleich am darauffolgenden Tag sollen sie zur Schule gehen.

„Der Schulbesuch ist nicht nur für die Kinder wichtig“, sagt Hummel. „Er strukturiert den Tag der ganzen Familie.“ Die Eltern haben eine Aufgabe, wenn sie die Kinder zur Schule bringen. Noch hat die palästinensische Familie auch ohne Schule etwas zu tun: die Gänge zum Sozial- und Bürgeramt und die Versorgung des Jüngsten. Allerdings vermissen sie die Deutschkurse für Erwachsene, die es in der Motardstraße gibt. „Wir haben zu wenig Personal“, bedauert Hummel. Geplant seien Deutschkurse viermal pro Woche – wenn es mehr Personal gibt.

Hummel wünscht sich, dass die Motardstraße bald geschlossen wird, die baulichen Bedingungen lassen eine Modernisierung an die Erfordernisse kaum zu. Für eine Schließung müsse die Politik nun sorgen. „Ich denke, es hakt weniger bei der Landesregierung als bei den Bezirken, die keinen Ersatzstandort akzeptieren wollen.“ Die Rhinstraße ist als Ersatz zu klein, schließlich werden mehr Plätze benötigt.

Eine Erstaufnahmestelle für Asylbewerber in einem Bezirk zu haben bedeutet auch, dass immer neue Lernanfänger in die ohnehin vollen Schulen des Bezirks kommen. Und ein Bezirk, der das so vorbildlich löst wie Lichtenberg, sagt Hummel, sei eben ein seltener Glücksfall.

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