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Subventionierte ArbeitsplätzeRot-Grün plant für den Wahlsieg

Rot-Grün will bei einem Wahlsieg 2013 öffentlich geförderte Beschäftigungen für Langzeitarbeitslose ausbauen. Das könnte 210 Millionen Euro kosten.

Rot-Grün will kräftig am Arbeitsmarkt schrauben Bild: dpa

BERLIN taz | Was tun mit Menschen, die länger als zwei Jahre keinen Job finden, weil sie in den ersten Arbeitsmarkt schwer zu vermitteln sind? Ginge es nach SPD und Grünen, sollen diese Personen künftig bundesweit auf einem neu zu schaffenden, sozialen Arbeitsmarkt unterkommen. Beide Parteien bringen ihre Konzepte am Donnerstag in das Parlament ein – und hoffen auf einen rot-grünen Sieg bei der Bundestagswahl 2013.

„Arbeitslose sollen nicht sinnlos Sandhaufen von der einen auf die anderen Seite schaufeln“, sagt Brigitte Pothmer, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der grünen Bundestagsfraktion. Es gehe darum, Menschen mit finanzieller Unterstützung durch die Jobcenter als sozialversicherungspflichtig Beschäftigte an den ersten Arbeitsmarkt anzubinden.

Die Förderung könnte für bis zu 200.000 Arbeitslose infrage kommen, schätzen die Grünen. „Wenn wir mit 50.000 starten, wäre es ein großer Erfolg“, sagt hingegen Anette Kramme, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion.

In Altenheimen und Fahrradwerkstätten

Beide Parteien kritisieren, dass es derzeit nur befristet geförderte Maßnahmen für Langzeitarbeitslose gebe. So wollen die Grünen ermöglichen, dass über 25-Jährige, die zwei Jahre lang keinen Job finden konnten und gesundheitliche sowie soziale Problem haben, in Ausnahmefällen dauerhaft in geförderter Beschäftigung landen können.

Die SPD peilt einen Förderzeitraum von maximal fünf Jahren an. „Die Menschen können in Altenheimen oder Fahrradwerkstätten arbeiten“, sagt Pothmer. „Es gibt viele Möglichkeiten. Hauptsache, es sind marktnahe, sinnstiftende Tätigkeiten.“ Sie setzt dabei auf freiwillige Teilnahme. „Keiner wird dazu gezwungen“, sagt auch SPD-Frau Kramme. Die Arbeitslosen müssten zudem sozialpädagogisch betreut werden.

Den Arbeitgebern – normale Firmen oder Beschäftigungsträger wie Wohlfahrtsverbände – soll der Lohn in Ausnahmefällen zu 100 Prozent subventioniert werden, schlagen die Grünen vor. Die SPD will hingegen maximal eine Bezuschussung von 75 Prozent. „Billig wird das Ganze nicht“, sagt Pothmer. Zumal die Konzepte vorsehen, dass Tariflöhne, mindestens aber ortsübliche Löhne gezahlt werden. „Und wenn wir den Mindestlohn von 8,50 Euro durchgesetzt haben, geht es nie darunter“, so Kramme.

Erster Arbeitsmarkt als Ziel

Allerdings müssten nicht für das gesamte Programm neue Fördergelder fließen. Vielmehr sollen der Regelsatz für Hartz-IV-Empfänger sowie ihr Geld für Wohn- und Heizkosten in den Lohn eingespeist werden. Übrig blieben laut Grünen pro Jahr und 50.000 Teilnehmern Mehrkosten von rund 210 Millionen Euro. Doch auch Fiskus und Sozialversicherungen könnten im Gegenzug auf mehr Einnahmen hoffen, betont Pothmer. „Und das Ziel bleibt die Integration in den ersten Arbeitsmarkt.“ Dafür sollen die Jobcenter die Arbeitslosen regelmäßig beraten.

Neben den Kosten gibt es ein weiteres Problem: Arbeitgeber oder Gewerkschaften könnten sich, wie schon in der Vergangenheit bisweilen geschehen, in den Kommunen gegen das Projekt wehren, weil sie Wettbewerbsverzerrung oder die Verdrängung regulärer Arbeitsplätze befürchten. „Die relevanten Arbeitsmarktakteure vor Ort müssen der Beschäftigung zustimmen“, sagt dazu Pothmer. Und das Jobcenter müsse regelmäßig kontrollieren, ob Missbrauch der Subventionen stattfände.

Trotzdem warnte am Dienstag der Zentralverband des Deutschen Handwerks vor einem neuen „arbeitsmarktpolitischen Aktionismus“: „Die Vorschläge kommen zur Unzeit.“ Der Verband verweist darauf, dass die Maßnahmen zur Eingliederung in den Arbeitsmarkt erst kürzlich abgespeckt und reformiert wurden. „Die Wirkung gilt es abzuwarten.“

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14 Kommentare

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  • RB
    Rainer B.

    Die Arbeitsmarktpolitik von Rot-Grün ist doch hinlänglich bekannt. Ich erinnere nur an das 'Vierte Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt' vom 17.Okt.2003 - besser bekannt als Hartz-IV-Gesetz.

     

    Wie? Heute würde Rot-Grün sozial ausgewogenere Gesetze machen? Sicher nicht! An ihren Taten sollt ihr sie erkennen! Noch im April dieses Jahres wurde im Bundestag über einen Antrag der Linken auf Abschaffung der Hartz IV - Sanktionen abgestimmt.

    siehe hier:

    http://dokumente.linksfraktion.net/inhalt/20120426-namentlichen-abstimmung-hartz-sanktionen.pdf

     

    Von den Grünen hat sich lediglich ein Abgeordneter (Hans-Christian Stroebele) dafür ausgesprochen. Also liebe SPD und liebe Grüne erzählt uns bloß keinen Scheiß. Ihr unterscheidet Euch keinen Deut von CDU/FDP.

     

    Bin zufällig darauf gestoßen, als ich im Internet nach einer Liste der Abgeordneten, die 2003 für Hartz IV gestimmt haben, suchte. Es gab diese Liste mal, aber ich bin nicht fündig geworden. Kann mir jemand helfen?

  • A
    Arbeitsfetischisten

    Aber es ist auch so: kein Mensch in DE traut rot-grün noch über den Weg. Zitat Schröder 2005 Davos:"wir haben den besten Niedriglohnsektor der Welt ausgebaut"

     

    wer soll denn die noch wählen? Es ist doch so das links geblinkt und rechts abgebogen wird.

     

    und die Senkung des Rentenniveaus geht ebenfalls auf die zurück. Es ist nicht die Antwort auf die Entwicklungen des Arbeitsmarktes. Wenn die Produktivität steigt, Arbeitsvolumen sinkt, mehr Automatisiert und Digitalisiert wird, dann kann die Antwort nur lauten das System Gesellschaft unabhängig von Erwerbsarbeit zu machen.

     

    Das niederländische Rentensystem entkoppelt z.B. Rente von Volllzeiterwerbszwang. Dadurch war die Telzeitrate hoch, die Arbeitslosigkeit niedrig. Geringverdiener und Frauen sind besser vor Armut geschützt!

     

    Das deutsche Rentensystem gibt nur jenen, die viel verdienen. Und das wird immer extremer. DAS ist die wirkliche Frauenfeindlichkeit in DE --- logisch ist, dass nicht jeder Karriere machen kannn und nicht jeder Häuptling sein kann -- also muss ein Rentensystem auch den Nichthäuptlingen geben, also auch bei niedrigem Einkommen, Teilzeittätigkeit etc.

     

    und es kann nicht jeder Vollzeit arbeiten, dann wären 13 Mio. arbeitslos. Die Unterbeschäftigung in DE ist trotz "demographischen Wandel" doppelt plus X so hoch wie die Arbeitslosigkeit.

     

    warum auch die TAZ bei dem Wandel der Arbeitswelt den Fachkräftemangel stets behauptet ist mir ein Rätsel. Ebenso ist Vollzeiterwerb nicht die Antwort gegen Frauenarmut. Denn die meisten Berufe bringen auch bei Vollzeit nicht genug Geld - auch nicht für die Rente. Die Taz singt immer das Lied von den Frauen die durch Vollzeit in miserablen Jobs angeblich emanzipiert und vor Armut geschützt werden. für viele Frauen wird Karriere niemals möglich sein! Wir können nicht alle in der obersten Etage sein!

     

    DE muss den technischen Fortschritt stärker mitdenken. Der Future Store der Zukunft braucht auch weniger Kassiererinnen. Das wird auch Personal kosten. Der technische Fortschritt wird auch vor DE nicht halt machen und Stellen kosten. Es wird auch trotz demographischer Entwicklung in vielen Bereichen schwerer alle in den Arbeitsmarkt zu integrieren. Tabus wie Arbeitszeitreduzierung müssen enttabuisiert und Arbeit umverteilt werden.

     

    Dadurch spart man dann aberr an Gesundheitsausgaben, macht die Menschen glücklicher und zufriedener.

     

    Das Hohelied auf Vollzeit kann ich echt nicht mehr hören. Faktisch macht das viele Menschen krank und kaputt.

  • G
    GWalter

    Bei allem Getöse ist nicht zu vernehmen, dass Steinbrück grundsätzlich SOZIALE ÄNDERUNGEN beabsichtigt.

    -

    Notwendig wäre die Abschaffung der ZWEIKLASSENGESELLSCHAFT in unserem Land !!

    -

    Das heisst: GLEICHE RENTE FÜR ALLE - Alle müssen für ALLE in eine Rentenkasse einzahlen und erhalten eine Renten nach GLEICHEN KRITERIEN !!

    -

    Eine Krankenversicherung für ALLE mit GLEICHEN BEITRÄGEN und GLEICHEN LEISTUNGEN !!

    -

    Abschaffung der MINILÖHNE und der Leiharbeit in diesem Umfang - GERECHTE LÖHNE FÜR ALLE !!

    -

    Statt dessen wird immer noch der Erfolg der AGENDA 2010 gelobt, die nur DIE REICHEN reicher gemacht haben und die ARMEN noch ärmer.

    -

    Weder CDU noch SPD haben die richtigen Kandidaten !!

    -

    ES BLEIBT EIGENTLICH NUR DIE LINKE !!!

  • WB
    Wolfgang Banse

    Erst einmal muss die Wahl von der jetzigen Opposition was die anstehende Bundestagswahl im Jahr 2013 gewonnen werden.Faruf sollte man hin arbeiten und dann wenn die Wahl gewonnen ist Kassensturz machen und dan Akzennte setzen,was die Langzeitarbeitslosen betrifft Nicht an den Worten sondern an den Taten werden §Regierende gemessen.

    Oft werden im Bezug auf die angespannte Staatskasse nicht zugesagte Wahlaussagen umgesetzt.

  • F
    Felix

    Ich bin immer wieder erstaunt darüber, wie wenig es bei vielen Kommentaren um die Sache, dafür aber um's Austeilen, um's Niedermaschen geht. Ja es stimmt, Rot/Grün hat die Hartz IV-Gesetze durchgesetzt. Es stimmt aber auch, dass manche Härte durch die Mehrheit der heute Regierenden in diese Gesetze hineingedrückt wurde. Wenn eine Koalition diese übergroßen Härten wieder abmildern kann, dann nur Rot/Grün. Die "Regierung" Merkel profitiert zwar in erheblichem Umfang von diesen Rot/Grünen Reformen, doch wird niemand erleben, dass eine CDU-geführte Regierung dort eine Änderung zugunsten der Betroffenen vornimmt.

  • WR
    Weiße Rose

    Die SPD/Grünen haben ihre Chance bereits von 1995 bis 2002 als Regierungsparteien gründlich verspielt. Nun wollen sie eine Neuauflage des Terrors gegen Arbeitssuchende, wie seinerzeit durch die schändliche Einführung von Hartz4!

    Da reiben sich höchstens die Bildungs -und Beschäftigungsträger die Hände, weil die Millionen natürlich (wieder) in deren Taschen versickern!

    Dreimal darf nun jeder geneigte Leser raten, welchen Parteien die Vorstände o.g. Träger wohl mehrheitlich nahestehen!?

     

    Die Linke erhält hierdurch nur eine weitere Steilvorlage und ist gut beraten, eine WIRKLICHE Alternative zur Rot/Grünen Ideenlosigkeit herauszuarbeiten!

    Das schafft sie in diesem Zusammenhang am besten, wenn sie weiterhin unbeirrt auf das Bedingungslose Grundeinkommen setzt. Auch finanziert durch deutliches Abschöpfen der Multimillionäre und Millardäre, also das Schließen der Einkommenschere, die sonst über kurz oder lang nur in einem Bürgerkrieg endet. Natürlich braucht man auch global players wie google, Microsoft u.v.a. nicht mit einem unglaublichen Steuersatz von unter 2 Prozent auf Gewinne in der EU davon kommen lassen...

  • H
    habnix

    Die Verursacher von Hartz IV möchten etwas verändern? Wer glaubt denn sowas? Außerdem werden sie nicht in die Lage kommen, dieses Vorhaben umsetzen zu müssen. Und wenn doch, können sie sich am Leitsatz von Münte orientieren: "Es ist unfair nach der Wahl an seinen Versprechen gemessen zu werden" oder so ähnlich. Leider ist ein Großteil der Bevölkerung sehr vergesslich und wählt damit das gleiche Übel wieder.

  • H
    Harzer

    Und wie nennen die Rot-Grünen das Programm dann?

     

    'HARZ 5'

     

    Nee Danke, den glaube ich gar nichts, mit Steinbrück, einem "Genosse der Bosse 2.0", wird eher den Harzern noch die paar Kroten weggestrichen, als das sie faire und menschliche Arbeitsbedingungen und Jobs bekommen. Die Grünen haben null Mitleid mit den Schwachen und Kranken, Hauptsache die Jurtenkäfer habens warm und gemütlich.

  • V
    viccy

    Warum wird die Idee so schlecht gemacht? Soll man die Leute lieber auf hartz 4 kleben lassen?

     

    Macht der Staat nur für die Konzerne was, wird gemeckert, macht er was für "die da unten", ist es auch nicht recht. Ja, wie hätten wirs denn gerne?

  • H
    Harro

    SPD und Grüne setzen auf die alten, bekannten Konzepte und ignorieren langjährige Erkenntnisse. Die beste Beschäftigung ist eine normale Arbeitsstelle mit einem fairen Tariflohn. Dass der nicht €8,50 lauten kann, dürfte doch klar sein. Denn diese Vorschläge riechen nach einem fade aufgewärmten 1-EURO-Job. Die Ergebnisse dieser Beschäftigungsform sind durchweg unterdurchschnittlich und schlecht gewesen. Viele Arbeitslose haben stark an Selbstbewusstsein in diesen AGHs (Arbeitsgelegenheiten) veloren, die Betreuung fand nicht statt, Vermittlung und andere Hilfen blieben auf der Strecke.

     

    Für mich ist vollkommen unklar, welches Langzeitergebnis diese Maßnahmen erbringen sollen. Immerhin gibt die SPD zu, dass es Maßenarbeitslosigkeit gibt und dass viele Arbeitlose wenig Chancen haben, sofort in einem normalen Arbeitsverhältnis zu landen. Das ist an sich schon bemerkenswert. Diese wohlklingenden Thesen von Müntefering, Scholz oder Clement sind damit vom Tisch, aber nach Substanz sieht das hier nicht auf. Ich vermute sowieso, dass es für Rot-Grün gar nicht reicht, dann dürfte die CDU mit der SPD die Suppe mischen.

  • N
    Norbert

    übersetzt: wir fälschen noch weiter die arbeitslosenstatistik.

  • A
    aurorua

    Mindestlohn 8,50 € pro Stunde, da hätte man vor 10-15 Jahren vielleicht noch jemanden hinterm Ofen vor locken können, aber mittlerweile ist das doch auch bloß noch ein jämmerlicher Hungerlohn. Unter 12,50 € ist alles Beschiss und Betrug, Ausbeutung, Erniedrigung, moderne Versklavung, vorprogrammierte Altersarmut.

  • T
    T.V.

    Klingt nach Hartz V, wer das wählt ist selber schuld.

  • FK
    Fritz Katzfusz

    Die Mühe können sie sich sparen, mit Steinbrück bleibt die SPD vermutlich unter 20 Prozent.