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Bundesrat entscheidet über MindestlohnMinimum 8,50 Euro die Stunde

Der Bundesrat hat mehrheitlich für den Mindestlohn gestimmt. Doch das Thema ist damit noch lange nicht vom Tisch.

Für Callcenter-Mitarbeiter wäre die Einführung von Mindestlöhnen eine deutliche Verbesserung. Bild: dpa

BERLIN taz | Eine einheitliche Lohnuntergrenze von mindestens 8,50 Euro – das hat am Freitag der Bundesrat beschlossen. Wird daraus irgendwann ein Gesetz, dürfte kein Beschäftigter in Deutschland weniger verdienen. So wollen es acht Bundesländer, in denen die SPD mitregiert, darunter auch das Saarland mit seiner Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU).

Über die Löhne der Beschäftigten verhandeln in Deutschland eigentlich die Gewerkschaften und Arbeitgeberverbände. Weil die traditionellen Sozialpartner aber in zahlreichen Branchen Einfluss und Mitglieder verlieren, zahlen viele Firmen inzwischen 5 Euro brutto pro Stunde oder weniger, wovon die Beschäftigten kaum leben können.

Deshalb hat die Bundesregierung aus Union und FDP in den vergangenen Jahren bereits politisch fixierte Mindestlöhne für knapp vier Millionen Arbeitnehmer durchgesetzt, darunter die Branchen der Zeitarbeit und der Gebäudereiniger. Das reicht SPD, Grünen und Linker jedoch nicht. Um Niedriglöhne beispielsweise im Einzelhandel und in Callcentern zu verhindern, befürworten sie einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn für ganz Deutschland.

Solange SPD und Grüne nicht die Regierung stellen, dürfte daraus aber kein Gesetz werden. Denn besonders die FDP im Bundestag lehnt den starren Mindestlohn für alle ab. Sie plädiert für „ausdifferenzierte Lösungen nach Branchen und Regionen“, sagte FDP-Vizefraktionschef Heinrich Kolb, „nur so ist sichergestellt, dass Mindestlöhne keine Arbeitsplätze kosten.“

Von der Leyen: „Mindestlohn ist notwendig“

Weil die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA), der Sozialflügel der CDU, seit Jahren Druck macht, neigt die Union dagegen schon mehr in Richtung einer einheitlichen Lohnuntergrenze. Im Bundestag am Freitag sagte Arbeitsministerin Ursula von der Leyen: „Es ist so, dass ein Mindestlohn meines Erachtens notwendig ist.“ Aber in der Partei ist die Lage nicht klar: Der CDU-Wirtschaftsrat warnt weiterhin vor einem „Jobdesaster“.

Beispiele für Branchen, in denen zusätzliche Mindestlöhne Verbesserungen brächten, sind der Einzelhandel und die Callcenter. Für die Geschäfte, Supermärkte und Discounterfilialen des Einzelhandels existieren zwar regionale Tarifverträge, die die Gewerkschaft Ver.di mit dem Handelsverband Deutschland (HDE) abgeschlossen hat. Auch Lohnuntergrenzen haben die Tarifpartner vereinbart – in Schleswig-Holstein beispielsweise 7,50 Euro, in Baden-Württemberg 9,26 Euro pro Stunde. Doch diese Untergrenzen sind nicht allgemein verbindlich: Unternehmen, die nicht Mitglied im HDE sind, müssen sie nicht einhalten.

In Discountern und Supermärkten arbeiten beispielsweise heute viele Beschäftigte, die Regale ein- und ausräumen – im Auftrag externer Firmen, bei denen sie angestellt sind. Diese zahlen nicht selten weniger als 6 Euro brutto pro Stunde.

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8 Kommentare

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  • A
    andersdenken

    Wir sind das reichste Land der Welt. Wie peinlich ist das Lohnniveau im Gegensatz dazu in diesem Lande ? In einer konsumgestützten Gesellschaft ist es ein Muß, daß minimum ein Mindestlohn von 10.- € eingeführt wird !

  • GS
    Gerhard schröder

    Die 8,50 euro, mindestlohn sollten die Politiker verdienen! für 8jahre nichts tun.Schwarz-gelb und rot-grün dürfen niemals im leben wieder an die Macht.

  • K
    Kerzenlicht

    "Laut Erbschafts-Millionärin und Arbeitsministerin von der Leyen, bedarf es 35 Arbeitsjahre in Vollzeit, bei einem Brutto-Durchschnittseinkommen von monatlich 2.500 Euro, um eine Armuts-Rente auf dem geringen Niveau der gesetzlichen Grundsicherung (analog Sozialhilfe) zu bekommen! Dieses monatliche Durchschnittseinkommen entspricht bereits einen Brutto-Stundenlohn von 15 Euro!" aus "scharf links"

     

    Soviel zum Thema Mindestlohn. Ein Lohn, der einem kein menschenwürdiges Leben im Alter garantiert ist inakzeptabel.

  • D
    Detlev

    Die ganze Debatte ist peinlich, denn mit €8,50 landen viele Normalfamilien bei Hartz-IV, beim Aufstocken beim Jobcenter. Dass sie im Alter abermals zu bitterarmen Sozialfällen werden, ist dann vielleich in zehn, zwanzig oder dreißig Jahren relevant, aber eine Katastrophe trotzdem.

     

    Um überhaupt normal leben zu können, wären pauschal mindestens €9,50 plus harter Kontrollen und Strafen erforderlich. Das würde aber auch nur funktionieren, wenn die €450-Regelung gekippt wird. Dass die CDU da nicht willens ist, zeigt ja schon die idiotische Erhöhung von 400 auf 450 EURO - das ist wohl keine ehrliche Position, die da von den Parteien angeboten wird. Wirklich effektiv wäre alles über €10.

     

    Auch der SPD fehlt es am Kernelemen: Vertrauen. Wer glaubt, dass Peer Steinbrück als Kanzler für gerechte Löhne sorgen wird?

  • KH
    Karin Haertel

    Statt monatlich 8000 Euro Diaeten sollten sie uns mal vormachen, wie man von 8,50 Mindest-Stundenlohn bei den hiesigen Horrorpreisen z.B.nur fuer Miete, Energie nd Lebensmittel ueberleben soll.

  • A
    axel

    Und damit hängen sich die Verantwortlichen für Niedriglöhne, Hungerrenten, Sozialabbau etc. - nämlich CDU/CSU/FDP/SPD/Grüne - in Wahlkampfzeiten ein pseudo-soziales Mäntelchen um, wohlwissend, daß 8,50 Euro Brutto vorne und hinten jetzt nicht reicht und Altersarmut mit sich bringt.

    Und die Jubel-Medien überbieten sich fast überall in Lobhudeleien statt kritischer Würdigung.

  • H
    Herrjeh

    Der Staat verhilft mit seiner Mindestlohn auf Niedriglohn-Niveau und Steuererleichterungen Firmen fette Gewinne einzufahren und zahlt dann noch für jene, die von ihrem Hungerlohn nicht leben können, die gleichzeitig von einem aufgeblähten Bürokratiemonster (Jobcenter, Agentur für Arbeit, früher schlicht Arbeitsamt) gegängelt werden. Das Arbeitsamt selbst verschlingt unglaubliche Summen durch seine bloße Existenz (Bezahlung der Mitarbeiter), die schlechte Arbeit (all die fehlerhaften Hartz IV Bescheide) und sorgt gleichzeitig für eine Überlastung der Justiz, die unter der Last der vielen Klagen fast zusammenbricht. Durch einen Mindestlohn, der nicht zum Leben reicht, wird das System beibehalten. Letztlich ist es egal, ob jemand "aufstockt", der für € 3,50 die Stunde arbeitet oder für 8,50. Am Ende hat er doch das selbe und der Arbeitsaufwand, der er verursacht ist ebenfalls der gleiche. Derweil fährt die Wirtschaft weiterhin Gewinne ein.

  • W
    Wolfgang

    "8,50 Euro" brutto!

     

    Und NETTO reicht es gerade mal für die Miete!

     

    Den Rest gibt es nach regelmäßiger Vorlage der Konto-Auszüge und Überwachung, aus der Hartz-IV-Regelleistung bzw. den offenen Hartz-IV-Strafvollzug für Arbeitslose.

     

    Laut Erbschaftsmillionärin und Ministerin von der Leyen, bedarf es 35-Vollzeit-Arbeitsjahre, bei einem Brutto-Durchschnittseinkommen von mtl. 2.500 Euro, um eine Armuts-Rente auf dem geringen Niveau der gesetzlichen Grundsicherung (analog Sozialhilfe) zu bekommen! = Das entspricht bereits einen Bruttostundenlohn von 15 Euro!

     

    Aufwachen, braver deutscher "Sozialpartner" der Hundtschen Bourgeoisie und Quandtschen Erbschaftsmilliardäre! (- auch ohne deren persönliche Arbeitsleistung!)