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Erstligafußball in Berlin„Meine Liebe gehört Hertha BSC“

Die „alte Dame“ wird in die erste Bundesliga aufsteigen. Ronny bleibt, die Deutsche Bahn zahlt weiter. Aber wird sich Hertha BSC diesmal länger oben halten?

Kunstschütze und Fanliebling: Ronny Heberson Furtado de Araujo Bild: dpa

BERLIN taz | Von Herzensangelegenheiten war in den vergangenen Tagen die Rede in Berlin. Der wichtigste Spieler der Berliner war es, der bekannte: „Meine Liebe gehört Hertha BSC und seinen einmaligen Fans.“

Der Spielmacher und Top-Scorer der Zweiten Liga, Ronny, habe „auf sein Herz gehört“ und so seinen Vertrag verlängert. Er bekommt natürlich auch mehr Geld; 1,75 Millionen im Jahr inklusive Prämien werden kolportiert. Der Vertrag läuft bis zum Jahr 2017. Einen „tollen Abend für Berlin“ machte Manager Michael Preetz am Tag der Verlängerung aus, denn es folgte auch noch ein 3:0-Sieg gegen den Konkurrenten Braunschweig.

Für den Tabellenführer der Zweiten Liga, Hertha BSC Berlin, war der Brasilianer Ronny die wichtigste Personalie zur Planung der kommenden Saison, die so gut wie sicher in Liga eins bestritten wird. Bei einem Sieg am Freitag in Ingolstadt könnte der Aufstieg möglicherweise schon am 29. Spieltag feststehen. Die drängenden Fragen richten sich daher schon jetzt auf die kommende Erstliga-Saison.

Auch diese Fragen haben mit Herzensangelegenheiten zu tun. Denn Herz und Hertha, das brachte man in jüngerer Vergangenheit selten zusammen. Die Probleme des Klubs werden in der kommenden Saison weniger auf als vielmehr neben dem Platz liegen: Es gilt, den Verein zu einer attraktiven Marke zu machen, das Image zu verbessern.

Die jetzige Zweitliga-Saison war bisher ein mühsamer, aber erfolgreicher Kampf um verlorene Sympathiewerte. Bereits 62 Punkte bisher sind ein Argument, die beste Abwehr und der beste Angriff weitere, die gefährlichen Standards (23 Tore) kommen dazu. Das Team braucht, insbesondere unter Leitung des Coaches Jos Luhukay, nicht mehr viel, um in Liga eins auch wieder etwas Liebe entflammen zu lassen.

Unverständliches Krisenmanagement

Wichtiger wird es sein, eine Handschrift, eine Linie in der langfristigen Planung erkennen zu lassen. In den vergangenen Jahren war es das unverständliche Preetz’sche Krisenmanagement, das Hertha unter anderem die Erstligazugehörigkeit kostete. Das unwürdige Nachkarten infolge des Relegationsspiels in Düsseldorf im vergangenen Jahr darf man dazuzählen.

Nun bekommt Preetz mit dem erneuten Aufstieg seine zweite Chance in Liga eins. Die wirtschaftliche Ausgangslage dafür ist bescheiden. Der Verein trägt derzeit einen Schuldenberg von 42 Millionen Euro vor sich her. Generell scheint die Hertha-Strategie zum Schuldenabbau schlicht Erfolg zu sein – bleibt der aus, könnte es bitter werden. Dass mit der Deutschen Bahn der Hauptsponsor bleibt und 4,5 Millionen im Jahr zahlt, ist ein Erfolg.

Die Klausel zur Fanarbeit, die im Vertrag mit der Bahn verankert ist, ist ein Novum und hat ein Gschmäckle. Zum einen wird zwar ein Fanhaus damit finanziert. Laut Bahnsprecher Achim Stauß ist aber auch das „Fehlverhalten“ sogenannter „Problemfans“ Teil des Vertrags. Genaueres will man nicht an die Öffentlichkeit dringen lassen. Bahnchef Rüdiger Grube erklärte stolz, „mit dem neuen Vertrag Vorreiter“ zu sein.

Was den Kader betrifft, befindet sich Preetz in einer komfortablen Lage. Akteure wie Torwart Thomas Kraft, Innenverteidiger Fabian Lustenberger, Peer Kluge, der derzeit verletzte Peter Niemeyer im defensiven Mittelfeld und insbesondere Ronny sowie Stürmer Adrian Ramos haben Erstliga-Format. Spieler wie Änis Ben-Hatira und Sami Allagui weisen zwar nicht immer Konstanz, dafür aber großes Potenzial auf.

Junge und quirlige Spieler gefragt

Problemstellen könnten die Außenverteidiger sein: Levan Kobiashvili und Peter Pekarik mögen gehobenes Zweitliga-Format haben, in Liga eins wären sie eher unterer Durchschnitt. Erfahrung ist insgesamt genug vorhanden (auf gut 1.400 Erstligaspiele kommt der Kader). Jetzt brauchen die Berliner noch eher junge quirlige Spieler.

Trainer Jos Luhukay (derzeit Vertrag bis 2014, der aber verlängert werden soll) ist das Beste, was Hertha passieren konnte. Er kann nicht nur Aufstieg, er kann auch Klassenerhalt, beides hat er bewiesen. Dass er dabei nicht den Glamour manch anderer Trainer ausstrahlt, ist zu verschmerzen. Lässt man ihn in Berlin in Ruhe arbeiten, wird er wohl einen noch attraktiveren Fußball als in der aktuellen Saison entwickeln. Geduld wird man dafür brauchen, in Berlin nicht gerade eine ausgeprägte Tugend.

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3 Kommentare

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  • B
    Ben

    "Die zweite Chance" ? Das wäre dann die dritte Chance in Liga 1 ! Hätte man wissen können.

     

    Ansonsten stimme ich den Vorrednern zu . Dieser Artikel hätte zu einem beliebigen Zeitpunkt erscheinen können und der Versuch der Objektivität gegenüber Hertha misslingt leider, wie so oft, merklich.

     

    Der leistungsbezogene Vertrag von Ronny wird natürlich mit der Höchstsumme deklariert. Es hätte auch heißen können 1 Millionen plus möglicher Prämien.

     

    Informationen über Hertha gibt es woanders. Hier lese ich nur zum Vergnügen ein wenig Meinung.

  • F
    Frosch

    "...das unwürdige Nachkarten nach dem Relegationsspiel in Düsseldorf..."

     

    Was war denn daran unwürdig? Ich war selbst im Stadion und kann es sehr gut verstehen, dass der Verein sich nicht mit den unwürdigen und irregulären Zuständen abfinden wollte!

     

    Wer so etwas schreibt hat kaum Sachkenntnis vom Bundesliga-Fussball inklusive den DFB-Regeln und sollte besser einen Kollegen fragen der das Thema verstanden hat.

  • KU
    Klaus Ungerer

    Erstaunlich, wie oft im Zusammenhang mit Hertha immer wieder dieselben Dinge aufgetischt werden - auch wenn es längst Neues zu berichten gäbe.

     

    Immer wieder wird das Krisenmanagement von vor einem Jahr gezückt, auf eine Krise rekurrierend, die ursächlich allem Anschein nach auf Markus Babbel zurückging und in der auch Preetz dann - was er selber längst eingeräumt hat - ein paar echte Klopse rausgehauen hat. Das ist doch aber alter Kram! Hat der Autor seit letztem Jahr im Mai nix mehr mitbekommen?

     

    Niemals ein Hinweis darauf, wie vernünftig und erfolgreich Preetz seitdem agiert hat: Die Luhukay-Verpflichtung, die langfristige Bindung aller wichtigen Spieler, die eben nicht - wie bei richtigen Chaosvereinen - massenweise vom Hof geflohen, sondern gerne geblieben sind, derweil ein, zwei faule Eier aussortiert wurden.

     

    Wo bleibt der Hinweis darauf, dass 2012/13 insgesamt neun (!) Spieler, die dem eigenen Nachwuchs entstammen, bei Hertha zum Einsatz gekommen, einige von ihnen Stammspieler geworden sind? Kann ein Journalist wirklich darüber hinwegsehen, was in Berlin seit dem Sommer zu entstehen scheint?

     

    Und was soll dieser Topos von der "ungeliebten" Hertha überhaupt? Vor zwei Jahren hat der Verein einen Zuschauer-Weltrekord für Zweitligisten aufgestellt. Und jetzt, trotz Gruselsaison und zweitem Abstieg, trotz Halb-Geisterspiel gegen Paderborn, trotz grausigster Spielansetzungen durch die DFL, trotz Dauerkälte und mäßiger Saisondramaturgie - 38.000 Zuschauer im Schnitt, ist das wirklich sooo schlecht? Wieviele Zuschauer würde Wolfsburg haben?

     

    "Ungeliebt" ist die Hertha ganz offenbar bei dem einen oder anderen Journalisten, und das ist ja auch okay so. Aber wenn man partout kritisch mit dem Klub ins Gericht gehen will, könnte man doch wenigstens ein paar Fakten suchen, die nicht ein Jahr alt oder einfach nur Geraune sind!

     

    Und wieso soll Ronny nicht mehr verdienen, nachdem er den finanziell extrem kostbaren Aufstieg praktisch im Alleingang klarmacht? Dass er sich dennoch auch ein bisschen für sein Herz entschieden hat, erkennt man ja daran, dass, dem Vernehmen nach, finanziell deutlich bessere Avancen ausgeschlagen worden sind.

     

    Nee, also: Dieser große taz-Text über Hertha BSC ist weitestgehend eine lauwarme Quiche aus Archivmaterial und vor allem eine verschenkte, weil übersehene Gelegenheit.