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Rechtsextreme bei Hamburgs PolizeiHektische interne Fahndung

Die Polizei Hamburg durchforstet alle Personalakten. Anlass ist ein Objektschützer der einen Totenkopf vor einer jüdischen Schule fotografierte.

Die Hamburger Polizei bei der Arbeit. Das rechte Gedankengut wird hinreichend von den Demonstranten im Hintergrund vertreten. Bild: dpa

HAMBURG taz | In Hamburg sind Polizeiangestellte im Außendienst – sie schreiben mal Knöllchen, sind mal für den hochsensiblen Objektschutz zuständig – wegen rechtsextremer Tendenzen aufgefallen. Die Polizeiführer haben dies zunächst gedeckelt. Nach und nach kommt der Skandal ans Licht. Im Polizeiapparat hat nun eine hektische Fahndung nach den „schwarzen Schafen“ mit rechter Gesinnung begonnen.

Es begann vor zwei Wochen mit dem Objektschützer Andreas W. Der 38-Jährige hatte einen mit einer Polizeimütze behelmten Totenschädel vor einer jüdischen Schule in Hamburg-Rotherbaum fotografiert. Das Foto präsentierte er auf seiner Facebookseite. Andreas W. war in der jüdischen Schule als Objektschützer eingesetzt.

Der Totenkopf galt im Nationalsozialismus als Symbol für den Tod des Feindes und der Unterwerfung unter die Ideen von Adolf Hitler. Der Hamburger Polizeipräsident Wolfgang Koptisch (SPD) suspendierte den Polizisten mit dem Ziel der fristlosen Entlassung. Es stellte sich jedoch heraus, dass er bereits vorher aufgefallen war, indem er im Kollegenkreis die Lektüre von Hitlers „Mein Kampf“ angepriesen oder Kollegen mit migrantischen Hintergrund gemobbt hatte. Der Fall wurde geheimgehalten, Andreas W. lediglich in eine andere Schicht versetzt.

Ein weiterer Polizei-Wachmann soll einen Angestellten der Jüdischen Gemeinde mit antisemitischen Äußerungen beleidigt haben. Auch das wurde erst jetzt öffentlich. Der Fall von Andreas W. hat die Polizeiführung in den vergangenen zwei Wochen in Aufregung versetzt. „Es sind in den letzten Tagen alle Personalakten durchforstet worden, ob es noch weitere Kandidaten gibt“, sagt einer, der die Landespolizeischule gut kennt.

Dort werden die Polizeiangestellten – obwohl sie keine Beamten sind – an der Waffe ausgebildet. „Man stellt sich mal vor: Die CDU will in den Schulen schusssichere Türen einbauen, um Amokläufe zu verhindern, und da steht ein rechtsradikaler Bewacher in Polizeiuniform vor einer jüdischen Schule mit einer MP im Anschlag.“

Zehn Prozent belastet

Polizeiangestellte werden in Hamburg aus Spargründen seit 1994 als Objektschützer eingesetzt, etwa bei besonders gefährdeten Objekten wie denen der jüdischen Gemeinde oder auch beim US-Konsulat.

Die Hamburger Polizei entdeckt ein echtes, wenn auch nicht neues Problem. Die Verantwortlichen gehen davon aus, dass 10 Prozent der Polizeiangestellten als belastet gelten müssen.

Für den Exkriminalbeamten und Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft Kritischer Polizisten, Thomas Wüppesahl, ist das Phänomen nicht erstaunlich: „Seit der Schill-Ära sitzen in der Polizeiführung immer noch dieselben Leute am Ruder, die rechte Tendenzen deckeln, und der SPD-Innensenator Neumann traut sich nicht zu handeln.“ Ronald Schill war Rechtspopulist und von 2001 bis 2003 Innensenator.

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9 Kommentare

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  • RT
    Respekt @ taz

    "Die Hamburger Polizei bei der Arbeit. Das rechte Gedankengut wird hinreichend von den Demonstranten im Hintergrund vertreten."

     

    Sowas hätte ich der weichgespülten taz gar nicht mehr zugetraut. Aber scheinbar wieder auf dem richtigen Weg, jetzt nur noch Yücel zum Chefredakteur machen!

  • Z
    zensiert

    wo bleibt der Aufschrei nach einer unabhängigen Kommission, wie es sie auch in etlichen Ländern der EU gibt, in der nicht die Polizei gegen sich selbst ermittelt und befangen ist, sondern eben jene Kommission unbefangen ist??!!

     

    Außerdem sollte es für Polizisten und nichtverbeamtete Mitarbeiter ein zwingendes Antirassismustraining vor der Einstellung geben. Zu Letzt müssen mehr Migranten und Menschen mit Migrationshintergrund Stellen bei der Polizei bekommen.

    All diese Forderungen müssen natürlich Deutschlandweit gelten!

  • B
    bismarckhering

    > „Es sind in den letzten Tagen alle

    > Personalakten durchforstet worden,

    > ob es noch weitere Kandidaten gibt“,

    > sagt einer, der die Landespolizeischule

    > gut kennt.

     

    Also hat niemand etwas gehört oder gesehen oder kennt gar jemanden persönlich, der auch nur im Mindesten Sympathie für eine diesbezügliche Einstellung geäußert hat.

     

    Glaub ich aufs Wort.

     

    Also wird man ein bis zwei Unbelehrbare,

    die schon einmal aktenkundig geworden sind,

    suchen und diese dann mit großem Tamtam ...

    suspendieren.

     

    Anschließend "geht man zur Tagesordnung über"

    und hofft, daß so schnell wie möglich

    "Gras über die Sache wächst".

     

    b.

  • H
    HinzundKunz

    Es gibt Polizisten, die diese Zustände seit Jahren anprangern! Ich empfehle zu dem Thema die Internetseite der "Kritischen Polizisten" wo sich seit Längerem mit dem Rassismus bei der Polizei auseinandergesetzt wird.

     

    "Über strukturellen Rassismus in der Polizei, im Verfassungsschutz und anderen deutschen Behörden. Vor allem aber sprechen wir über die NSU-Morde und den bevorstehenden Prozess. Wüppesahl gibt ausgesprochen interessante Einblicke und erzählt schockierende und bislang unveröffentlichte Details."

    http://traff.podcaster.de/download/Podcast005.mp3

  • C
    Celsus

    Das Problem gilt es zu lösen, denn den Polizisten wird fataler Weise vor Gericht blindes Vertrauen geschenkt. Wenn es dann mal gegen Gruppen geht, die Rechtsextreme nicht mögen, dürfte der Wahrheitsgehalt allerdings drastisch sinken.

     

    Und das Problem ist wahrlich nicht auf Hamburg beschränkt. Es gab schon Zeugenaussagen von Polizisten, die durch ein unfallanalytisches Gutachten widerlegt werden konnten. Es wird dann eher auf wahrnehmungspsyhologische Faktoren geschoben, wenn ein Polizist dabei ausgerechnet zu Lasten eines Türken aussagte. Aber wann wird schon Verdacht wegen vorsätzlicher Falschaussagen geschöpft?

     

    Derartige Fälle müssen allerdings gesammelt und beurteilt werden. Insbesondere dann sollte Naivität außen vor bleiben, wenn die doch sehr rechte Gesinnung eines Polizisten dabei bekannt war.

  • WR
    Weiße Rose

    Braune Soße quirlt in der BRD regelmäßig aus der Verwaltung(Polizei) und Justiz. Beide gingen schließlich aus der Asche der Nazi-Barbarei nach 1945 hervor, ohne dass man sich wirklich vom Geiste der Massenmörder befreien konnte oder wollte.

  • J
    Jürgen

    „Seit der Schill-Ära sitzen in der Polizeiführung immer noch dieselben Leute am Ruder ..."

    Na, na, na wer wird denn unterstellen wollen, dass das ein Hamburger Problem ist???

  • H
    heym

    Was ist da jetzt so neu dran? Polizeigewerkschaftsführer schreiben regelmäßig in der Jungen Freiheit, genauso wie AfD Parteifunktionäre.

  • E
    eksom

    Besorgt euch die Studie (FH Köln, Sozialwissenschaften) über die NRW-Polizei aus dem Jahre 2000 und dann werdet Ihr alle sehen, wie rassistisch die gesamte Polizei in diesem Lande auferlegt ist. Vorausgesetzt ihr bekommt überhaupt diese Studie "zur Einsicht".