Wasserversorgung wird ausgeschrieben: Regierung hält privat für billiger
Nach einer neuen EU-Richtlinie müssten drei Viertel der größten Städte in Deutschland ihre Wasserversorgung ausschreiben. Höhere Preise drohen.
BERLIN taz | Die geplante EU-Konzessionsrichtlinie könnte sich auf die deutschen Wasserversorger noch stärker auswirken als bisher angenommen. Wie aus der Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Grünen-Bundestagsfraktion hervorgeht, sind nur 24 Prozent der Wasserversorger in den 38 größten deutschen Städten komplett in städtischem Eigentum.
Den übrigen 76 Prozent droht demnach die Pflicht, ihre Wasserversorgung künftig europaweit auszuschreiben. Nur „bei (geringer) privater Beteiligung“ kann auf eine solche Ausschreibung verzichtet werden, schreibt das Ministerium – sofern das betroffene Stadtwerk seinen Wasserbereich von anderen Geschäftsbereichen abtrennt und mindestens 80 Prozent von dessen Leistungen für die beteiligte Kommune erbringt.
Trotz dieser Angaben geht die Regierung weiterhin davon aus, dass sich durch die Richtlinie für die Kommunen bei der Wasserversorgung „kein Zwang zur Beauftragung Dritter“ ergibt. Doch auch wenn es dazu kommen sollte, sieht das Finanzministerium kein Problem.
„Der Bundesregierung liegen keine Informationen vor, die darauf schließen ließen, dass eine Beteiligung von privaten Unternehmen an der Wasserversorgung generell zu höheren Preisen und zu geringerer Qualität des Trinkwassers geführt hätte“, schreibt FDP-Staatssekretär Bernhard Heitzer in einer Antwort (pdf) auf eine kleine Anfrage der Grünen (pdf). „In der Regel führt mehr Wettbewerb auch zu einem besseren Preis-Leistungs-Verhältnis.“
Erfahrungen ignoriert
Das steht im Gegensatz zu Erfahrungen etwa in Paris, wo die Wasserversorgung nach massiven Preissteigerungen wieder kommunalisiert wurde, oder in Berlin, wo das Bundeskartellamt den teilprivatisierten Wasserbetrieben eine Senkung ihrer überhöhten Gebühren vorgeschrieben hat.
Die kommunalpolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Britta Haßelmann, übt scharfe Kritik an der Position der Regierung: „Schwarz-Gelb will die Wasserliberalisierung und unternimmt nichts, um Veränderungen in Brüssel durchzusetzen“, sagte sie der taz. Das punktuelle Entgegenkommen der EU-Kommission werde nicht verhindern, dass die größten kommunalen Wasserwerke in den Wettbewerb mit internationalen Wasserkonzernen gezwungen werden. Die Konsequenzen seien absehbar, so Haßelmann: „Dann werden wenige Aktionäre, die nicht am Gemeinwohl orientiert sind, sehr viel Geld verdienen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Die Regierungskrise der Ampel
Schnelle Neuwahlen sind besser für alle
Angriffe auf israelische Fans
Sie dachten, sie führen zum Fußball
Bilanz der Ampel-Regierung
Das war die Ampel
Trumps Wahlsieg und Minderheiten
So wie der Rest
Israelische Fans angegriffen
Gewalt in Amsterdam
Die Grünen nach dem Ampel-Aus
Grün und gerecht?