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Urheberrecht und Video-EinbettungDie neue Abmahnchance?

In Webseiten eingebundene Onlinevideos könnten nach Einschätzung des Bundesgerichtshofs Urheberrechte verletzen. Die Folgen für Nutzer sind umstritten.

„Ihr könnt uns unsere Katzenvideos nicht nehmen!“ – Daniel Decker von kotzendes-einhorn.de. Bild: dpa

Wasserfilterhersteller A bettet einen Film seines Konkurrenten B über Wasserverschmutzung auf seine Homepage ein. Das Video war auf Youtube zu finden und die Einbett-Funktion war aktiviert. Hochgeladen hat das Video jedoch ein anderer. Hersteller B klagte Hersteller A wegen Urheberrechtsverletzung an und gewinnt vor dem Landesgericht im Jahr 2011.

Anstatt die 1000 Euro Strafe zu zahlen, geht Wasserfilterhersteller A in Revision und gewinnt vor dem OLG München im Februar. Das Gericht entscheidet, dass sich das eingebundene Video nicht in der Zugriffssphäre des Angeklagten befinde. Eine weitere Entscheidung soll nun am 16. Mai vom Bundesgerichtshof verkündet werden. Und diese könnte auch für private Blogger und Facebook-User weitreichende Folgen haben.

„Für Blogger, ob kommerziell oder nicht, würde es weitere Rechtsunsicherheit und eine erhebliche Einschränkung bedeuten“, so Andrea Jonjic, Autorin bei netzpolitik.org. „Stattdessen würde ein weiteres, riesiges neues Feld für Abmahnungen entstehen, das auch Nutzerinnen sozialer Netzwerke treffen könnte – oder Facebook selbst, da es das vom BGH kritisierte neue Framing verursacht.“

Leonhard Dobusch, ebenfalls Autor bei netzpolitik.org, ergänzt: „Es erfolgt keine nahtlose Einbettung, weshalb fraglich ist, ob man sich beim Teilen auf Facebook das Video auf gleiche Weise zu Eigen macht, wie bei einer Einbettung in die eigene Webseite.“ Außerdem hänge es von den Privatsphäre-Einstellung ab, ob es sich beim Teilen auf Facebook um eine öffentliche Zugänglichmachung handelt, welche eine Voraussetzung für eine (potentielle) Urheberrechtsverletzung wäre.

Urheber kann Videos löschen lassen

Auch bei Einbettungen in Blogs oder Webseiten ist es nicht immer so klar festzustellen, ob es sich im Einzelfall um eine Urheberrechtsverletzung handelt oder nicht. „Man weiß eben nicht, ob die, die das Video hochgeladen haben, auch immer die Urheber sind“, so Ronny Kraak, Besitzer des Blogs kraftfuttermischwerk.de. Und was, wenn es klar ist, dass die Uploader nicht die Urheber sind?

„Gerade bei TV-Inhalten und Filmausschnitten, die ja gerne im Rahmen der Mashup-Kultur benutzt werden, ist das meistens der Fall.“ Der Urheber wendet sich an Youtube, Youtube löscht das Video und verwarnt gegebenenfalls den Hochlader. „Eine gängige Praxis, die zumindest den Millionen Netznutzern nicht weh tut“, so der Blogger.

Die Konsequenzen, die Kraak für seinen Blog zieht: „Vielleicht muss ich dann einen Teil der Videos der letzten Jahre aus dem Blog nehmen. Vielleicht ziehe ich dann aber auch tatsächlich mit meinem Server auf eine karibische Insel um, um mein Blog nach dortigem Recht betreiben zu können.“

Es hilft nur das genaue Checken. „Wir werden das Urheberrecht natürlich bei anderen so respektieren, wie wir erwarten, das es bei uns respektiert wird“, so Stefan Laurin vom Journalistenblog ruhrbarone.de. „Es werden dann bei uns nur noch die Konzerte von Künstlern präsentiert, deren Videos wir verwenden dürfen, da zu jedem Konzerthinweis ein Video gehört. Das schränkt unsere Auswahl ein - aber wir werden weiterhin eine Auswahl haben.“

Kahlschlag in der Netzwelt

Andere Blogbesitzer sehen das durchaus gelassener: Sollte eine Abmahnwelle dem Urteil folgen, „käme das einem kulturellen Kahlschlag in der Netzwelt gleich“, so René Walter von Nerdcore, einem der meistgelesenen deutschen Blogs. „Für mein Blog ziehe ich, selbst bei einem entsprechenden schriftlichen Urteil, keine Konsequenzen.“

„Wie so oft in der deutschen Rechtssprechung klingt vieles erstmal viel dramatischer und drastischer als es dann häufig umgesetzt wird“, so Daniel Decker, vom Spaßblog kotzendes-einhorn.de „In Zeiten in denen nahezu jeder private Facebooknutzer tagtäglich Urheberrechtsverstöße begeht und selbst ein Siegfried Kauder, der ja mit Netzsperren für Urheberrechtsverletzer drohte, mit Bildrechten überfordert zu sein scheint, ist das natürlich besonders amüsant. Eine Kriminalisierung die an der Realität vorbei geht. Ihr könnt uns unsere Katzenvideos nicht nehmen!“

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2 Kommentare

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  • J
    Jörn

    „Wie so oft in der deutschen Rechtssprechung klingt vieles erstmal viel dramatischer und drastischer als es dann häufig umgesetzt wird“

     

    Das hängt stark davon ab, welche Epoche deutscher Rechtsprechung man betrachtet...

  • N
    Niels

    Auf Youtube kann man doch das Einbetten verbieten. Das geht ganz einfach.

     

    -> Hochgeladene Videos

    -> Bearbeiten

    -> Informationen und Einstellungen

    -> Erweiterte Einstellungen

    -> Verbreitungsoptionen

     

    -> EINBETTEN ZULASSEN

    das deaktivieren.

     

    Der Urheber/Hochlader verbietet damit das Einbetten. Ohne technische Tricks (die man eindeutig als “ich habe es absichtlich umgangen” identifizieren kann) kann man das Video dann nicht mal mehr “bei sich selber” einbetten.