Bundesrat beschließt Anti-Abzocke-Gesetz: Etwas mehr Verbraucherschutz
Höhere Bußgelder, niedrigere Gebühren für Abgemahnte – kurz vor Schluss verabschiedet der Bundesrat das „Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken“.
Auf den letzten Drücker hat der Bundesrat am Freitag das „Gesetz gegen unseriöse Geschäftspraktiken“ verabschiedet. „Die beschlossenen Maßnahmen sind eine klare Kampfansage an unseriöse Anbieter und Betrüger“, sagt Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU). Verbraucherschützer kritisieren jedoch, dass einige Hintertürchen bleiben.
Neuerungen für die Verbraucher gibt es vor allem in drei Bereichen: der Werbung per Telefon, bei Klagen und Abmahnungen im Bereich des Urheberrechts und bei den Pflichten von Inkassofirmen. So sollen für unerlaubte Telefonwerbung künftig 300.000 statt wie bisher 50.000 Euro Bußgeld fällig werden können. Gewinnspielverträge – für die häufig per Telefon geworben wird – müssen schriftlich abgeschlossen werden. Ein vermeintliches Ja am Telefon reicht also nicht mehr, um einen Verbraucher zur Kasse zu bitten.
Neu im Bereich Urheberrecht: Wenn Unternehmen einen Verbraucher wegen Urheberrechtsverletzungen verklagen, muss das am Wohnsitz des Verbrauchers passieren statt an einem beliebigen Gericht. Das senkt die Kosten für den Beklagten, der zur Verhandlung nicht unter Umständen quer durchs Bundesgebiet fahren muss. Darüber hinaus ist bei der ersten Abmahnung der Streitwert künftig auf 1.000 Euro gedeckelt. Die Gebühren für den Abgemahnten liegen damit maximal bei 147,56 Euro. Neu ist nach Angaben des Verbraucherministeriums auch ein Anspruch darauf, die Anwaltskosten erstattet zu bekommen, wenn die Abmahnung unberechtigt war.
Abmahnungen gegenüber Verbrauchern sind in den vergangenen Jahren immer wieder in die Kritik geraten. Das Problem sind vor allem Anwälte, die diesen Weg als Geschäftsmodell nutzen, massenhaft identische Abmahnungen verschicken und trotzdem hohe Gebühren kassieren. Nach Angaben des Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) werden Verbraucher dabei im Schnitt mit Forderungen in Höhe von 800 Euro konfrontiert. Einer Umfrage aus dem vergangenen Jahr zufolge sind bereits 4,3 Millionen Bundesbürger abgemahnt worden.
Transparenz beim Inkasso
Inkassofirmen müssen dem Verbraucher künftig ihren Auftraggeber und den Forderungsgrund nennen. Damit soll der Adressat besser erkennen können, wer hier Geld von ihm will und ob es sich vielleicht um eine Fantasieforderung handelt.
Verbraucherschützer kritisieren vor allem eine mögliche Hintertür bei der neuen Abmahnregelung. Die Deckelung für die Gebühren gilt nämlich nicht, wenn, so heißt es im Gesetz, sie „nach den besonderen Umständen des Einzelfalles unbillig ist“. Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hatte gefordert, die Abmahngebühr im Erstfall auf höchstens 90 Euro zu begrenzen.
In Kraft treten die Neuerungen mit der Veröffentlichung im Gesetzblatt – das kann durchaus noch mehrere Wochen dauern. Ausgenommen sind die Inkasso-Regelungen. Die treten erst ein Jahr später in Kraft, also frühestens im September 2014.
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