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Zentralafrikanische RepublikBanguis neue Herren greifen durch

Mit rabiaten Methoden sorgt die Seleka-Rebellenregierung für Disziplin in der eigenen Truppe. Auf diese Weise sollen die Plünderungen aufhören.

Seleka-Kämpfer mit frischen ID-Karten um den Hals: Nur damit sind sie offiziell registrierte Soldaten Bild: Simone Schlindwein

BANGUI taz | Oberst Abdul Sanat gibt ein Kommando. 38 Männer in zerschlissenen T-Shirts, Camouflage-Hosen und barfuß schlagen vor ihm die nackten Hacken zusammen und salutieren. Einige können kaum durch ihre blaugeprügelten Augen blinzeln, andere tragen Mullbinden.

„Wir haben noch kein Militärjustizsystem, doch wir sperren sie ein, um sie zu disziplinieren“, sagt der Oberst. Über hundert habe er in wenigen Tagen festgenommen.

Was die Führung der in der Zentralafrikanischen Republik herrschenden Rebellenallianz Seleka im Innenhof eines heruntergekommenen Militärlagers in der Hauptstadt Bangui präsentiert, ist der Versuch, Ordnung im Chaos herzustellen. Seit die Rebellen am 24. März die Macht an sich rissen, haben Heerscharen bewaffneter Männer in der Stadt geplündert und gemordet.

Der neue Präsident Michel Djotodia und dessen Minister wissen, dass sie mit solchen Methoden keine internationale Unterstützung gewinnen können. Doch die brauchen sie dringend: Das Budget des bettelarmen Landes bestand bislang zu 90 Prozent aus Entwicklungsgeldern.

Offizier im grünen Gewand

Jetzt wird durchgegriffen, verspricht General Karim Abdel. Der Rebellenoffizier im langen grünen Gewand sitzt auf einer Couch in der Militärkaserne. Neben ihm liegen vier Smartphones, die schrille arabische Musik von sich geben, wenn sie klingeln – Seleka entstand unter Muslimen im Nordosten des Landes.

Karim Abdels frisch gedruckte Visitenkarte weist ihn aus als stellvertretenden Stabschef im neuen „Ministerium für die Restrukturierung der Armee, die Kriegsopfer sowie die Entwaffnung ehemaliger Kämpfer“.

Dass er und seine Offizierskollegen die Kommandogewalt über ihre Kämpfer verloren hätten, als sie Bangui stürmten, will er so nicht zugeben. „Wir hatten 3.350 Mann, doch als wir Bangui einnahmen, waren es plötzlich über 7.000. Die Hälfte davon gehört aber nicht zu uns“, sagt er und lächelt freundlich.

Es hätten sich auf dem 1.000 Kilometer langen Marsch nach Bangui alle möglichen Leute Seleka angeschlossen. „Das sind aber falsche Seleka. Und die versuchen wir jetzt festzunehmen.“

Seit zwei Wochen patrouilliert eine Seleka-Militärpolizei mit sieben Fahrzeugen durch Bangui. Alle Kämpfer seien kaserniert worden, um sie zu erfassen, versichert General Abdel.

Und tatsächlich: Fast alle Bewaffneten, die auf den Straßen Banguis herumstolzieren, tragen jetzt neue ID-Karten an einem Band um den Hals: mit Seleka-Abzeichen, Passfoto, Name, Geburtsdatum, ID-Nummer sowie Einheit und Name des Kommandeurs, gestempelt und unterzeichnet vom neuen Innenminister Noureddine Adam.

Bald sollen sie sogar Sold erhalten. Zum ersten Mal.

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