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Möglicher EU-Austritt GroßbritanniensCameron will Volk sprechen lassen

Großbritanniens Premier ist nun für ein Referendum über den EU-Ausstieg. Aber seine Partei hat keine Mehrheit in Parlament. Es könnte zum Wahlbündnis mit Ukip kommen.

Passen die noch zueinander? Die britische und die Europa-Fahne. Bild: dpa

BERLIN taz | Der Fahrplan für einen möglichen EU-Austritt Großbritanniens steht. Laut dem am Donnerstag vorgelegten und von Premierminister David Cameron unterstützten Gesetzentwurf des konservativen Hinterbänklers James Wharton gibt es spätestens 2017 eine Volksabstimmung über die Frage: „Denken Sie, dass das Vereinigte Königreich ein Mitglied der Europäischen Union bleiben sollte?“

Cameron hatte sich bisher davor gedrückt, sich auf ein Referendum festzulegen. Der konservative Regierungschef hoffte, seinen Sieg bei der Wahl im Jahr 2015 dadurch zu befördern, dass er eine Volksabstimmung zwar verspricht, sich aber nicht festlegt. Der rechte Parteiflügel hat ihm nun einen Strich durch die Rechnung gemacht. Cameron hat nachgegeben und sogar für die Abstimmung über das Referendumsgesetz Fraktionszwang verhängt.

Gesichert ist die Volksabstimmung aber nicht. Denn die Konservativen haben keine eigene Mehrheit im Parlament, sie sind auf die Stimmen ihres liberalen Koalitionspartners angewiesen – und der ist gegen ein EU-Referendum, ebenso wie die Labour-Opposition. Cameron hat aber erkannt, dass es seine Wahlchancen 2015 beträchtlich erhöhen könnte, wenn Liberale und Labour verhindern, dass die Briten über ihre EU-Mitgliedschaft abstimmen dürfen.

Im Gespräch sind auch schon Bündnisse auf Wahlkreisebene zwischen einzelnen Konservativen und der aufstrebenden rechtspopulistischen Ukip (United Kingdom Independence Party), die bei Regionalwahlen Anfang Mai fast genauso viele Stimmen wie die Konservativen gewonnen hatte. Nach gegenwärtigen Umfragen ist die Mehrheit der Briten gegen eine Fortsetzung der EU-Mitgliedschaft – hauptsächlich wegen der Öffnung des britischen Arbeitsmarktes für osteuropäische Zuwanderer in Zeiten zunehmender Armut und Arbeitslosigkeit.

Eine weitere Hürde ist die andere Volksabstimmung, die in Großbritannien 2014 stattfindet: In Schottland wird über die Unabhängigkeit der nördlichen Region entschieden. Sollten die Schotten für die Sezession votieren, was derzeit unwahrscheinlich ist, wäre alles wieder offen.

Komplett in den Hintergrund getreten ist in der britischen Diskussion derweil der im Januar von Cameron angekündigte Wunsch, die EU-Mitgliedschaft Großbritanniens mit den EU-Partnern neu zu verhandeln, als Grundlage für die geplante Volksabstimmung. Bei der will der Premier eigentlich für einen Verbleib in der EU werben – auf der Grundlage seiner Neuverhandlungen. Quer durch die Parteien glaubt aber kaum jemand, dass das funktioniert.

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3 Kommentare

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  • S
    Sören

    Seit dem Sturz von Thatcher ist die Tory-Partei vom Thema Europa regelrecht besessen. Es hat die Amtszeit von John Major überschattet, und scheint auch zum Schicksal für David Cameron zu werden.

     

    Die Arbeitslosigkeit ist hoch, und die Konjunktur kommt nicht in Schwung. Im Mittelpunkt der Arbeit der Regierung sollten also Jobs und Wachstum stehen. Ein Referendum in 4 Jahren bedeutet Unsicherheit und ausbleibende Investitionen. Außerdem geht es Cameron nicht um eine Reform der EU, sondern um seine Wahlchancen 2015, die im Moment sehr schlecht sind.

     

    Wenn es Cameron wirklich um die Sache geht, sollte er Neuwahlen abhalten, und sich ein Mandat für ein Referendum holen. Aber auch Labour steht auch vor einem Dilemma, weil man ein Referendum nur schwer ablehnen kann. Trotzdem ist die aktuelle Debatte in einem nicht unerheblichen Maß typisch für die „Westminster bubble“, in der fern der Realität debattiert wird.

     

    Das UK beteiligt sich nicht an den Rettungsschirmen, und wird aus der gemeinsamen Innen – und Rechtspolitik aussteigen. Eigentlich sollte das reichen, und zu Glauben, ohne den Zugang zu europäischen Märkten besser dazustehen, ist illusorisch. Auch ein Land mit der Vergangenheit des UK kann in der Welt des 21. Jh. nicht alleine bestehen.

  • W
    Wantmymoneyback

    Die britische Politik hatte immer schon einen leicht elitären Hauch - let them eat cakes - aber angesichts der Stimmung im Land könnte Labour blöd genug sein, in diese Falle zu tappen (von den Liberalen redet keiner mehr).

     

    Labour sollte deshalb unbedingt ein Referendum zulassen, denn eine EU-Zwangsmitgliedschaft gegen den Willen der Bevölkerung ist undemokratisch.

     

    Schließlich hat das Vereinigte Königreich sich 1973 der EWG nach einem Referendum angeschlossen. Übrigens können Debatten leicht eine Eigendynamik entwickeln, die auch andere Resultate hervorbringen kann.

  • H
    Herbert

    Eine vlksabstimmung - das wünsche ich mir in deutschland auch über die Eurorettungsschirme und über den Euro selbst.