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Kolumne MachtWitze unter Freunden

Bettina Gaus
Kolumne
von Bettina Gaus

Rolf Kleine, der neuer Sprecher von Peer Steinbrück, mag ein Rassist sein. Ein Recht auf Privatsphäre hat er trotzdem. Alles andere wäre totalitär.

Was privat war, ist nun öffentlich? Bild: Marcio Jose Sanchez/ap

D ie allgemeine Empörung darüber, dass der US-Geheimdienst NSA private Seiten auf Facebook ausspioniert, ist ein bisschen seltsam. Und zwar deshalb, weil sich offenbar niemand darüber aufregt, wenn Medien den Inhalt privater Postings veröffentlichen. Das passt nicht zusammen.

Rolf Kleine, der neue Sprecher des SPD-Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück, ist in Erklärungsnot, weil er auf seine Facebook-Seite einen rassistischen Witz gestellt hat. Die Seite war nur seinen „Freunden“ zugänglich. Was natürlich ein Hinweis darauf ist, dass man sich seine Freunde – gerade auf Facebook – wirklich gut anschauen sollte. Denn wenn man nicht den US-Geheimdienst als Quelle der Indiskretion vermuten möchte, dann muss ja jemand anders die Geschichte durchgestochen haben.

Nun weiß die Öffentlichkeit also: Rolf Kleine hat einen schlechten Scherz gemacht. Erstaunlich ist das nicht. Wer es jahrelang bei der Bild-Zeitung aushält, sollte Geschmacklosigkeiten mögen und auch keine allzu große Achtung vor der Menschenwürde haben. Schon deswegen war es eine schlechte Idee von Steinbrück, ausgerechnet den langjährigen Leiter des Bild-Parlamentsbüros für sich sprechen zu lassen.

Katharina Behling
Bettina Gaus

Die Autorin ist politische Korrespondentin der taz. Ihre Kolumne „Macht“ erscheint alle 14 Tage in der sonntaz. Das Wochenendmagazin ist am Kiosk, e-Kiosk und im Wochenendabo erhältlich.

Auf so einen Einfall kann eigentlich nur jemand kommen, der für die Galerie spricht, zugleich aber den Eingeweihten augenzwinkernd zu verstehen gibt, man solle das alles nicht so ernst nehmen, was er sage. Oder hält Steinbrück die – gerade auch in seiner Partei weit verbreitete – Einschätzung etwa tatsächlich für ungerecht, es handele sich bei Bild um ein Drecksblatt? Dann sollte er das in seiner bewährt deutlichen Art sagen. Man wüsste wenigstens, woran man ist. Aber wahrscheinlich versteht Steinbrück gar nicht, wo da ein Problem liegen könnte. Immerhin hat es unter seinem Parteifreund Gerhard Schröder ein Bild-Mann ja sogar bis zum Regierungssprecher gebracht.

Schutz der Privatsphäre ist ein Grundrecht

Diesen Text lesen Sie in der taz.am wochenende vom 15./16. Juni 2013. Darin außerdem: „Der Krisenmigrant: Eric Vázquez Jaenada ist weg aus Spanien. Hauptsache Arbeit! Also nach Deutschland.“ Der Schriftsteller Andreas Altmann über seine Getriebenheit und seinen Lebenshunger. Und: Deutsche Whistleblower kommentieren die Datenspionage des US-Geheimdienstes NSA. Am Kiosk, eKiosk oder gleich im praktischen Wochenendabo.

Manche Leute sehen darin allerdings noch immer ein Problem, darunter auch viele Leute, die im Wahlkampf eigentlich Plakate für die SPD kleben sollen. Es sind vielfach dieselben Leute, die rassistische, sexistische, antisemitische und homophobe Witze nicht komisch finden.

Allerdings ist es ein Unterschied, ob man jemanden für ungeeignet hält, Sprecher eines sozialdemokratischen Kanzlerkandidaten zu sein, oder ob man ihn seiner Grundrechte berauben möchte. In einem demokratischen Rechtsstaat zieht kein noch so unsympathischer Sinn für Humor den Verlust dieser Rechte nach sich. Und der Schutz der Privatsphäre ist ein Grundrecht.

Selbstverständlich kann man es ironisch finden, dass ausgerechnet der langjährige Mitarbeiter einer Zeitung, die permanent die Privatsphäre verletzt, jetzt mal am eigenen Leib erfährt, wie sich das anfühlt. Aber darüber lässt sich zwar privat höhnen, das darf aber nicht die Grundlage für einen Verhaltenskodex der Medien sein. Wer das Facebook-Posting veröffentlicht hat, hat sich auf eine Stufe mit der Bild-Zeitung gestellt.

Man kann auch sagen, es sei unerträglich naiv zu glauben, irgendetwas im Netz bliebe privat. Das ist realistisch – aber kein Argument. Jedenfalls dann nicht, wenn man sich über die Internetüberwachung der NSA aufregt. So schnell sollten Ansprüche nicht aufgegeben werden, auch und gerade nicht der Anspruch auf Schutz der Privatsphäre.

Bei Spiegel Online war zu lesen, Kleine stünde in seiner neuen Rolle jetzt unter Beobachtung. Und weiter: „Was privat war, ist nun öffentlich.“ Nein. Ist es nicht, sollte es jedenfalls nicht sein. Dieser Satz ist totalitär.

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Bettina Gaus
Politische Korrespondentin
Jahrgang 1956, ist politische Korrespondentin der taz. Von 1996 bis 1999 leitete sie das Parlamentsbüro der Zeitung, vorher war sie sechs Jahre lang deren Korrespondentin für Ost-und Zentralafrika mit Sitz in Nairobi. Bettina Gaus hat mehrere Bücher veröffentlicht, zuletzt 2011 „Der unterschätzte Kontinent – Reise zur Mittelschicht Afrikas“ (Eichborn).
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11 Kommentare

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  • I
    ion

    Frau Gaus, selbst ein so banaler Anlass läßt Sie sich also in die Riege der konjunkturell boomenden "Rassismus"-Schrei-b-er-Innen einreihen.

    Wo waaren Sie denn, als es um diesen "rassistischen Witz" ging?! Woo waaaren Sie da!?

    Cf.:

    http://www.muensterschezeitung.de/lokales/muenster/Schlossplatz-Befuerworter-weisen-FDP-zurecht;art993,1754953

     

    @ Jürgen S., et al.,

    F*c*book hat ja nun defintiv gar nix mit "Privatisierung von Öffentlichkeit" zu tun – weder von der Idee & grundlegenden Konzeption der Zucker- resp.: Dollar-berg-Idee her, noch von der bis dato weiterentwickelten technischen Realisation jener a-sozialen Einrichtung oder als (antizipierbar) abgestürzte Aktie. Die großen ‘sozialen Netzwerke’ verfolgen allesamt v.a. rein kommerzielle Interessen; und insofern ist es nicht weiter verwunderlich, wenn auch vorgeblich ‘private’ Postings (¿zu ggf. tausenden(!) von ‘Freunden’?) von wem auch immer geleakt werden, zumal ja ebenso der interessierte Personalchef X, wie andere, kommerzielle, mit F*c*book Assoziierte oder werbetreibende Kunden mitlesen könnten.

    Die Autorin schreibt in bodenloser Ignoranz gepaart mit ideologisierender Geschwätzigkeit, wenn sie einen Leak von F*c*book -Account-Flatulenzen mit dem systematischen, verdachtsunabhängigen, automatisiertem Ausspähen (aller) durch z.B die NSA vergleicht, resp. gleichstellt, zumal die in beiden Fällen rechtswidrigen Einsichtnahmen von Daten Dritter in dem einen Fall zu einem Leak führen könnten, in dem anderen zu nicht erkennbaren Folgen, bis dem zuvor Ausspionierten z.B. ohne Angabe von weiteren Gründen die Einreise in die USA oder überhaupt ein Flugticket, ein Leihauto, eine Versicherung, etc. verweigert wird oder ‘einfach überraschend’ der befreundete Geheimdienst vor der Wohnungstür steht.

    In dem einen Fall wird soziale Kontrolle im semi-öffentlichen Raum ausgeübt, in dem anderen die reine "totalitäre" Tyrannei.

  • JS
    Jürgen S.

    Bettiina Gaus hat wirklich Recht. Diese zwangsweise Veröffentlichung ist in der Tat totalitär. Und dass "sie" es auch mal spüren sollten, ist es ebenso. Denn dieses "Argument" kann sich nun jede Position nach Belieben anziehen, und dann wird jede® X-Beliebige Objekt dieser ganz besonderen Beachtung.

    Und apropos Facebook: das was dort (und an allen ähnlichen Orten) stattfindet, ist ja eben nicht Öffentlichkeit, sondern, im Gegenteil, die Privatisierung von Öffentlichkeit, ihre Zerstörung. Auch wenn sie so monströs aufgebläht wird, bleibt sie doch Privatheit.

  • C
    Cometh

    Die wesentlichen Punke hat " Simone" gesagt. Unwesentlich: wie muss denken, um zu schreiben: er mag ein Rassist sein, hat aber ein Recht auf Pirvatsphäre. Das ist sozusagen eine aus den Fugen geratene Schublade.

  • V
    viccy

    @ FaktenStattFiktion

     

    Ja, prinzipiell durchaus denkbar. Das hat mit Peinlichkeit nix zu tun, eher mit Logik. Wenn du z.B. drei Kumpels am Stammtisch etwas erzählst, erreicht das weniger Leute als ein öffentliches Posting bei Facebook an 100 Leute. Also, was ist schlimmer? Denk mal drüber nach ;-) FaktenStattReflexe wären hilfreich, um die eigene gewünschte Botschaft nicht ungewollt eher lächerlich zu machen

  • M
    melanie

    ziemlich alberner artikel - wenn leute was ins netz stellen sind sie selbst schuld! ist die taz etwa auch gegen nazi-outings, die mithilfe von facebook recherchiert wurden? wikileaks und co sind doch auch allgemein als wichtig und sinnvoll angesehen...

  • P
    Paul

    2017 darf die SPD dann halt nochmal. Dann wieder 2021, 2025,...

  • MH
    martin höll

    wenn die bildzeitung heute aus einem nicht für die Öffentlichkeit bestimmten Brief zitierend, berichtet, frau tschäpe möge keine Erbsensuppe und würde gerne wieder mal thüringische Bratwurst essen, dann ist das deren Privatsache und ein bruch des Postgeheimnisses. es steht in keinerlei zusammenhang, was man ihr vorwirft.

     

    wenn der Pressesprecher des kanzlerkandidation der Opposition einen ausländerfeindlichen Witz macht und dies nicht in einem privatem Brief, sondern so was halböffentlichem wie Facebook, barack Obama soll mehr als eine Millionen "freunde" haben, dann war das zum einen von anfang an nichts privates und dann hat zum anderen die Öffentlichkeit natürlich ein Interesse daran zu erfahren, wen sich die SPD da so als Pressesprecher sucht.

  • S
    Simone

    Sorry Bettina Gaus, aber diese Hirnakrobatik, um sich diesen Artikel zurechtzulegen, mach ich nicht mit.

    Rolf Kleine hatte mehrere hundert "Freunde" auf Facebook, das ist nicht privat, so wenig wie es privat ist, was Erika Steinbach an ihre Twitter Follower postet, oder was die taz ihren Abonennten zum lesen vorsetzt. Und noch viel weniger privat als das, was Rainer Brüderle im Suff abends an einer Hotelbar von sich gibt.

    Wie würde eine Bettina Gaus schreiben, würde sich ein Sprecher Merkels im Netz islamophob äußern, oder würde der Wahlkampfleiter Seehofers privat über Schwule herziehen?

    Sorry, aber habt ihr nicht einen Funken Anspruch auf Niveau, als das ihr dieser Franziska-Josefa-Wagner der taz allmählich mal ein paar Grenzen setzt? Natürlich Pressefreiheit, Satire darf alles ... Aber so ein Artikel gehört in die Bild, in den Stern, in den Focus

  • M
    muh

    "Wer das Facebook-Posting veröffentlicht hat, hat sich auf eine Stufe mit der Bild-Zeitung gestellt."

     

    Vielleicht hat auch nur jemand nach dem Motto "wie Du mir, so ich Dir" gehandelt. Was ich absolut begrüße. Es darf für redaktionelle BILD-Mitarbeiter keine Privatsphäre mehr geben, nirgendwo, niemals. Auf das die Totalitaristen ihren Totalitarismus am eigenen Leib erfahren müssen, jeden Tag, jede Stunde, jede Minute, ohne Gnade, ohne Verschnaufen, ohne Pause. Das ist die einzige Abschreckung, die vielleicht wirken könnte. Ob das Totalitär ist oder nicht ist mir vollkommen egal. Feuer kann man am besten mit Feuer bekämpfen.

  • F
    FaktenStattFiktion

    Peinlicher geht es bald nicht mehr. Ein "Rassist" wegen eines Witzes auf Facebook?

  • V
    vic

    Peer und Er...