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Blockupy-UntersuchungsausschussJetzt braucht's nen Sozen!

Ein Untersuchungsausschuss zu Blockupy ist unwahrscheinlich – es sei denn, irgendein Sozialdemokrat macht am Donnerstag noch mit.

Wird eher nicht untersucht: Wer verantwortlich ist für den Scheiß. Bild: dpa

FRANKFURT taz | Nun hängt alles an der SPD: Am Donnerstag wird im Hessischen Landtag über einen Untersuchungsausschuss (UA) zur Polizeigewalt gegen die Blockupy-Demonstration vom 1. Juni in Frankfurt abgestimmt.

Die Linken haben diesen Ausschuss beantragt und sehen ihn als „unausweichlich zur Aufklärung der massiven Polizeigewalt“, so die Fraktionsvorsitzende Janine Wissler. „Das ist das beste Mittel, um mehr Druck aufzubauen: Wir können Zeugen vorladen und Akten einsehen.“

Auch die Grünen signalisierten am Mittwoch überraschend ihre Zustimmung. Nur die SPD ist als einzige Oppositionspartei dagegen. „Der CDU-Innenminister Boris Rhein trägt für diesen unverhältnismäßigen Polizeieinsatz die politische Verantwortung. Da wird ein Untersuchungsausschuss nichts zur Aufklärung beitragen, das müssen die Gerichte klären“, so die innenpolitische Sprecherin der SPD, Nancy Faeser, am Mittwoch zur taz.

Sollte die gesamte SPD-Fraktion bei dieser Haltung bleiben, wird der UA keine Mehrheit finden. Denn für seine Einsetzung müssen 24 Abgeordnete stimmen – Linke und Grüne haben zusammen aber nur 23.

In der letzten Woche sah es noch so aus, als wären auch die Grünen gegen einen Untersuchungsausschuss. Dass sie ihre Meinung geändert haben, liegt wohl vor allem an der Sondersitzung des Innenausschusses am Montag. Da musste Hessens CDU-Innenminister Fragen der Opposition zu dem umstrittenen Polizeieinsatz beantworten. Doch die erhoffte Aufklärung brachte diese von Janine Wissler als „Märchenstunde“ bezeichnete Sitzung nicht.

„Die Antworten von Herrn Rhein reichen keinesfalls aus“, so der innenpolitische Sprecher der Grünen, Jürgen Frömmrich. Besonders Rheins Ausführungen, er habe mit der Planung des Polizeieinsatzes nicht zu tun – obwohl mehrere Mitarbeiter des Innenministeriums bei der Demo anwesend waren –, hält Frömmrich für „nicht glaubwürdig“.

Boris Rhein bezeichnete die von den allermeisten Beobachtern scharf kritisierte Einkesselung von fast 1.000 Demonstranten als „Ultima-Ratio-Maßnahme“ und wies den Vorwurf zurück, sie sei von langer Hand geplant gewesen. Schließlich hätten die Demonstranten durch Sprechchöre ihre Aggressivität unter Beweis gestellt. Der Anmelder der Demo, Werner Rätz, habe einen Anruf der Polizei einfach „weggedrückt“: Er sollte dafür sorgen, dass einige Demonstranten ihre Vermummung ablegen.

Um seine Ausführungen zu untermauern, präsentierte Rhein ein Gutachten des Jenaer Juraprofessors Michael Brenner, nach dessen Einschätzung die Polizei vorbildlich gehandelt und so eine weitere Eskalation verhindert habe. Brenner steht der CDU nahe, ist seit 2010 im Bundesparteigericht der Christdemokraten und hat für Rheins Partei bereits etliche Gutachten erstellt. Deshalb sprechen die Linken von einem „Gefälligkeitsgutachten“. Der Grüne Frömmrich hält es für „nicht neutral“. Auch die Sozialdemokratin Faeser „verwundert es wenig, dass das Schnellgutachten wunschgemäß ausfällt“.

Trotz solcher Kritik ist Faeser bisher gegen einen Untersuchungsausschuss. Die Linke Wissler hofft dennoch „auf ein spontanes Umdenken der Fraktion oder auf die Zustimmung Einzelner – eine Stimme würde ja ausreichen.“

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4 Kommentare

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  • F
    Frankfurter

    Boris Rhein lügt wenn er den Mund aufmacht. Es ist Zeit, dass sich die Polizei in Hessen nicht mehr durch die Politik in Wiesbaden instrumentalisieren lässt. Das ist zwar nicht so einfach, aber das haben Polizeibehörden anderer Bundesländer und Städte auch schon hinbekommen. Vielleicht wird die Polizei dann irgendwann wieder als Verteidiger des demokratischen Rechtsstaates wahrgenommen und nicht als politischer Erfüllungsgehilfe autoritärer Politik, der Demonstranten verprügelt.

    Die Stadt würde ohnehin davon profitieren wenn man solche Demonstrationen einfach mal in Ruhe lässt. Das kann Boris Rhein den Frankfurter Bürgern aber nicht mehr gönnen, weil er in Frankfurt die Wahl zum Oberbürgermeister verloren hat.

  • G
    gesche

    sprechchöre als aggressionsnachweis? OMG.

     

     

    ab jetzt bitte auf demos nur noch flüstern.

  • M
    Maik

    Wenn sich in der SPD niemand findet, der das Vorgehen für untersuchungswürdig hält, dann ist die SPD für mich nicht mehr wählbar. Hier geht es nicht um einzelne Unverhältnismäßigkeiten von dem ein oder anderen PolizistenIn, hier geht es um stukturelle Probleme und politischer Einflussnahme auf die Polizeiarbeit. Diese Themen werden nicht vor Gericht aufgeklärt werden können. Außerdem geht es um das subjektive Gefühl, dass Kapitalismus- und Bankenkritiker pauschal kriminalisiert und schikanisiert werden und es bei den soganannten "Linken", die ja immer den "Schwarzen Block" verstecken, der Knüppel und der Finger am Abzug der Pfeffersprayflasche lockerer sitzt als bei anderen systemkonformeren Demonstranten.

    Die SPD sollte sich hüten, hier die schützende Hand über den Innenminister und seinen Gesinnungsgenossen zu halten.

  • BB
    Butter bei die Fische

    Wäre es Rhein um eine tatsächliche Entlastung der Polizei gegangen, hätte sich sicherlich auch ein neutraler gutachter auftreiben lassen. So aber ging es ihm vor allem um eine Entlastung seiner selbst. Und da wählte er halt jemanden, der schon in der Vergangenheit bewiesen hat, dass er lügen kann ohne rot zu werden. Vor allem, weil er zur Farbe rot sowieso ein gestörtes Verhältnis hat.