piwik no script img

Agrarreform in der EUMehr Natur auf dem Acker

Die EU einigt sich erstmals bei der Agrarreform auf ökologische Mindeststandards. Bauern sollen mehr Hecken, Blühstreifen und Brachen anlegen.

Frauen und Subventionen auf dem europäischen Erdbeerfeld Bild: dpa

BERLIN taz | Viele Bauern müssen künftig mehr für die Umwelt leisten, um die milliardenschweren Agrarsubventionen der Europäischen Union zu bekommen. Das geht aus dem Kompromiss hervor, auf den sich Vertreter von EU-Parlament, EU-Kommission und Mitgliedstaaten am Mittwoch nach Angaben aus Verhandlungskreisen geeinigt haben. Er steht aber zum Teil noch unter Vorbehalt, bis die EU ihre Finanzplanung bis zum Jahr 2020 festlegt hat.

Derzeit fließen jährlich 58 Milliarden Euro in die Landwirtschaft – 40 Prozent des EU-Haushalts. Dabei ist sie laut wissenschaftlichen Untersuchungen hauptverantwortlich dafür, dass Tier- und Pflanzenarten aussterben. Die Bauern bewirtschaften 47 Prozent des Bodens in der Europäischen Union. Und sie verursachen laut Umweltbundesamt 13 Prozent der Treibhausgase in Deutschland. Die Reform verlangt deshalb, dass die Bauern ab 2015 5 Prozent ihrer Ackerfläche „im Umweltinteresse“ nutzen. Ab 2017 könnten es nach einem weiteren Beschluss 7 Prozent sein.

Auf den Flächen sind nur noch zum Beispiel Brachen, Hecken oder Wildblumen erlaubt. Möglich sind zudem ohne Chemie bewirtschaftete Plantagen zur Gewinnung von Holz oder Hülsenfrüchte, die Stickstoff im Boden fixieren und so umweltschädliche Dünger überflüssig machen.

Bisher stehen Hülsenfrüchte nur auf 3 Prozent der Ackerfläche in Deutschland. Brachen und andere anrechnungsfähige Landschaftselemente gibt es nach einer Schätzung des bundeseigenen Thünen-Instituts im Schnitt lediglich auf 2,1 bis 3,5 Prozent.

Biobauern erfüllen die Regeln automatisch

Kaum etwas ändern müssen deutsche Bauern hingegen wegen der beiden weiteren EU-Bedingungen: Sie müssen ab einer Betriebsgröße von 10 Hektar zwei verschiedene Fruchtarten und ab 30 Hektar drei Fruchtarten anbauen. Zudem wird verboten, die besonders artenreichen Wiesen und Weiden in Ackerland umzubrechen.

Wer gegen diese Regeln verstößt, verliert mindestens 30 Prozent der wichtigsten Subventionsart, der Direktzahlungen. Biobauern erfüllen die Regeln automatisch. Der Kompromiss macht auch Schluss damit, dass es Beihilfen für Grünflächen auf Flughäfen, Golfplätzen oder an Wasserwerken gibt. Bislang galten sie als subventionsfähig.

Zudem sollen die Subventionen künftig gleichmäßiger verteilt werden. Bisher bekommen die größten Betriebe die höchsten Beträge, weil die Direktzahlungen pro Hektar berechnet werden. 20 Prozent der Empfänger kassieren 80 Prozent des Geldes. Nun können die Mitgliedstaaten entscheiden, dass Betriebe für ihre ersten 30 Hektar deutlich mehr Prämien erhalten. Die EU-Länder dürfen auch die Zahlungen an große Betriebe begrenzen.

„Diese Reform ist der Einstieg in den Umstieg“, sagte Martin Häusling, agrarpolitischer Sprecher der Grünen im EU-Parlament, der taz. Die Vorschriften zur Fruchtartenvielfalt beispielsweise kritisiert er zwar als zu lasch. „Aber erstmals in der Geschichte der EU-Agrarpolitik werde ökologische Mindeststandards vereinbart.“

Der von konventionellen Landwirten dominierte Deutsche Bauernverband bezeichnete den Verhandlungsstand als unzufriedenstellend. „Wir laufen Gefahr, uns von einer zukunftsorientierten und vor allem gemeinsamen Agrarpolitik, die einen relativ gleichmäßigen Rahmen für alle Bauern in Europa setzt, zu verabschieden“, sagte Verbandspräsident Joachim Rukwied.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

7 Kommentare

 / 
  • BW
    Bianca Witt

    Konventionelle Bauern sollten endlich umdenken, bevor sie die Felder und das Grundwasser mit ntitrat- und antibiotikaverseuchter Gülle vergiften. Biolandwirtschaft ist das was wir brauchen für die Erhaltung unserer Natur und somit die Zukunft unserer Kinder! Go GREEN!

  • J7
    Jörg 70

    Würde ganz Deutschland auf den Ökowann umstellen müste ein drittel unser Bevölkerung verhungern und das nur wenn wir alle auf Fleischverzichten.

    Jeder Hekter Ökolandbau erhöht die Zahl der Hungertoten in der Welt.

  • AU
    Andreas Urstadt

    Es gibt einige Bauern, die keine Biobauern sind (das ist eine Konstruktion, die keiner hinterfragt hat) und die keinen Kunstduenger usw verwenden. Die Hoefe werden in Tradition bewirtschaftet quasi wie vor ueber hundert Jahren. Dazu kamen nur moderne Geraete. Diese Bauern verzichten auf die Biozuschuesse, also auf viel Geld und entlarven die EU Verlogenheit mit Bio. Es wird erzaehlt wie wahnwitzig Biobauern wirtschaften, wie Eier etc produziert werden. Heu. Milch. Wie gefuettert werden muss usw.

     

    Da ich bei dem Traditionsbauern gewohnt habe, weiss ich alles. Ich muss keine Werbung machen, da er seine Produktion in der Region komplett los wird, ohne verlogene Biozuschuesse. Auch dem Bauern, der auf einem viel hoeheren Level agiert als die EU Rumeierei wird von der EU in das Wirtschaften reinregiert. In jahrhunderte alte Traditionen (es geht dabei nicht um Retentionsflaechen). Die EU reguliert ueberhaupt nicht. Regulierung hat ein Differential und sorgt fuer Pluralitaet in oertlichen Konstellationen. Die EU dagegen setzt eine Modellnorm durch ohne Ruecksicht auf Verluste und ohne Spiel. Wer jahrhundertealte Tradition in allen Punkten durchsetzen will bekommt Aerger bis zum Strafbefehl. Dieselbe EU, die sich Nachhaltigkeit verpflichtet. Modelle und Normen sind nicht nachhaltig, es sind Symptome. Die Regelungen zum Flaechengebrauch sind inkl Symptome. Es ist Flurbereinigung reverse und genauso modellhaft umgesetzt. Bauern werden zu Anpasserei gezwungen, die Produkte werden charakterlos. Charakterlose Nahrung verhilft zu chsrakterlosen Kreaturen. Selbst die Raupen werden zu domestizierten Norm u Modellraupen, die von geplanten Blaettern fressen. Im Sommer wird man von charakterlosen EU Insekten gestochen. Im Winter von durch gestylte Mikroklimata erzeugte EU Eiszapfen erschlagen. Ein Rueckbau des Vokabulars macht aus Managern wieder Verwalter. Dann faellt auf, dass es mal bessre gab.

  • J7
    Jörg 70

    Stillegung = Mord?

     

    Trotz der Erkenntnis das jeder Quadratmeter Anbaufläche für die Ernährung und Bioenergie gebraucht werden, hat die EU beschlossen das die Landwirte da zu gezwungen werden noch mehr Flächen stillzulegen. Betreiber dieses Irrsinns sind die selben Grünen Gutmenschen die der Meinung sind, es ist besser Mais in die Energetische Verwertung zu schütten als Menschen damit zu ernähren. An Hunger gestorbene Kinder in Afrika sind Opfer dieser Machenschaften.

    Wenn ein Soldat ein potenzieller Mörder ist, sind es dann die Grünen und Ihre Lobbyorganisationen nicht auch?

  • B
    börni

    Die Zukunft gehört eh der ökologischen Landwirtschaft.

    Nur so werden wir langfristig genügend Lebensmittel für alle Menschen herstellen können. Das wurde tausendfach belegt.

    Der Deutsche Bauernverband muß zwangsläufig umdenken.

  • J7
    Jörg 70

    Stillegung = Mord?

     

    Trotz der Erkenntnis das jeder Quadratmeter Anbaufläche für die Ernährung und Bioenergie gebraucht werden, hat die EU beschlossen das die Landwirte da zu gezwungen werden noch mehr Flächen stillzulegen. Betreiber dieses Irrsinns sind die selben Grünen Gutmenschen die der Meinung sind, es ist besser Mais in die Energetische Verwertung zu schütten als Menschen damit zu ernähren. An Hunger gestorbene Kinder in Afrika sind Opfer dieser Machenschaften.

    Wenn ein Soldat ein potenzieller Mörder ist, sind es dann die Grünen und Ihre Lobbyorganisationen nicht auch?

  • G
    Gonzi

    Hecken, Blühstreifen und Brachen sollten durch Fahrbahnreduzierung den bestehenden Autobahnen abgerungen werden.

     

    Das könnte man dann auch als neues grünes Band ansehen.