piwik no script img

Kommentar Frankreichs Syrien-PolitikHollande zeigt sich als Falke

Rudolf Balmer
Kommentar von Rudolf Balmer

Im Fall Syrien verfügen die französischen Geheimdienste angeblich über „Beweise“, die dem Präsidenten Hollande kaum eine andere Wahl lassen.

V or und nach seiner Wahl hatten Gegner und Kritiker den französischen Präsidenten François Hollande immer wieder als Zauderer und Weichling karikiert. Auch in seiner Partei galt der gemäßigte Sozialdemokrat seit je als „Monsieur Synthèse“, als Mann der Kompromisse, der aus Prinzip den Dialog einer Konfrontation vorzieht. Ausgerechnet dieser Hollande will nach 18 Monaten Amtszeit bereits nach der Intervention in Mali zum zweiten Mal seine Streitkräfte an die Front schicken.

„Flanby“ (wie man Hollande in Anspielung auf einen schwabbeligen Eierkuchen nannte) entpuppt sich in der Syrien-Krise als Kriegsfalke. Wenn es um das Chemiewaffenverbot und dessen Abschreckungseffekt geht, will Hollande keinen Kompromiss eingehen. Im Unterschied zu 2003, als Jacques Chirac vor dem Irakkrieg die Führung der internationalen Ablehnung übernahm – und damit in den USA ein nachhaltiges antifranzösisches Bashing auslöste –, ist Hollande heute Obamas treuster und schärfster Alliierter.

Der Grund für die Kehrtwende ist nicht nur in Hollandes militärischem Erfolg in Mali zu suchen, sondern auch in einer anders gearteten Beweislage für die Entwicklung und den Einsatz von Massenvernichtungswaffen. Im Fall Syrien verfügen die französischen Geheimdienste angeblich über „Beweise“, die dem Präsidenten kaum eine andere Wahl lassen.

Natürlich sagt die Opposition nun, der ewige Zauderer von gestern wechsle – womöglich aus Angst vor dem Vorwurf mangelnden Muts – von einem Extrem ins andere. Darauf antwortet Hollande mit dem unwiderlegbaren Argument von Frankreichs „Souveränität“ und universeller Ausstrahlung: „Europa braucht ein starkes Frankreich, und die Welt ein Frankreich mit Einfluss.“ Was noch zu beweisen bleibt.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Rudolf Balmer
Auslandskorrespondent Frankreich
Frankreich-Korrespondent der taz seit 2009, schreibt aus Paris über Politik, Wirtschaft, Umweltfragen und Gesellschaft. Gelegentlich auch für „Die Presse“ (Wien) und die „Neue Zürcher Zeitung“.
Mehr zum Thema

1 Kommentar

 / 
  • S
    Starost

    Frankreich war früher Kolonialmacht in Syrien und Hollande ist angeblich Sozialist. Man stelle sich vor, die Bundeswehr würde unter der Kanzlerin Petra Pau militärisch in Ruanda intervenieren, dann hätte man eine ungefähre Analogie zu diesem Vorgang.