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Neuer Berliner „Tatort“Tod in Hipster-Land

Eine Schlägerei im U-Bahnhof endet tödlich. „Gegen den Kopf“ führt uns subtil und sehr gelungen die perverse Dynamik des Wegschauens vor.

Will hier jemand STRESS?!? Konstantin (Jannik Schümann) hätte welchen im Angebot. Bild: Frédéric Batier/RBB

Warum der Mann sterben musste, da am Bahnsteig der Berliner U-Bahn-Station Schönleinstraße, wo Kreuzberg aufs Hipster-Neukölln trifft, will der Kommissar am Ende vom Täter noch wissen. „Einfach so“, sagt der lächelnd. „Es gibt keinen Grund.“ Da hatte sich nur einer eingemischt, als zwei Jungs einen Alten belästigt haben. Der Klassiker, Zivilcourage und so.

Es ist noch nicht mal ein Jahr her, dass die Leipziger „Tatort“-Kollegen des Duos Stark (Boris Aljinovic) und Ritter (Dominic Raacke) einen Mordfall im ÖPNV lösen mussten, da nimmt sich auch der RBB in „Gegen den Kopf“ die Brutalität von U-Bahn-Schlägereien vor. Man könnte da jetzt ein bisschen über Themendichte meckern (auch weil wieder ein Vater ein Doppelleben führt, das gab’s im April in einer Kölner Folge), aber in diesem Fall: nö, passt schon.

Von diesen Übergriffen gibt es in der Hauptstadt auch wahrlich genug, in der Silvesternacht wurde ein Mann getötet, und irgendwie fällt einem auch sofort das Urteil von Mitte August gegen die jungen Kerle ein, die vergangenen Herbst auf dem Alexanderplatz Johnny K. ermordet haben. „Von Reue keine Spur“, lauteten die Schlagzeilen.

Regisseur und Autor Stephan Wagner (gerade für „Der Fall Jakob von Metzler“ mit dem Grimme-Preis ausgezeichnet; mancher wird sich an sein „In Sachen Kaminski“ erinnern) führt uns sehr subtil eine perverse Dynamik vor: von Passanten, die wegschauen, sich einmischen, sich nicht erinnern können.

Vor allem aber dröselt er in der Story ganz großartig auf, wie sich die Hierarchie in einer Jungsfreundschaft verschiebt. Auf der einen Seite Konstantin (Jannik Schümann), Neureichen-Sohn aus dem Westend, auf der anderen Achim (ganz großes Kino: Edin Hasanovic), vorbestraft.

Der Film

Berlin-„Tatort“: „Gegen den Kopf“; So., 20.15 Uhr, ARD; Regie und Buch: Stephan Wagner; Kamera: Thomas Benesch; mit Dominic Raacke, Boris Aljinovic, Ruth Reinecke, Jannik Schümann, Tristan Seith, Ernst-Georg Schwill, Edin Hasanovic

Das Beste aber ist: Wagner hat ein paar sehr leichte Szenen eingewoben, schon allein die lohnen sich. Von Moralinsäure keine Spur. Zum Glück.

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8 Kommentare

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  • @ Beteigeuze & Co.:

     

    Liebe Freunde des "Realismus", die mal wieder enttäuscht sind, dass ihre fremdenfeindlichen Vorurteile von einem Fernsehfilm nicht bedient werden... Zu eurer traurigen Unwissenheit muss ich euch leider mitteilen, dass die reale Vorlage für das Drehbuch wohl der Fall "Torben P." war, in dem ein deutscher Jugendlicher aus "gutem Hause" fast einen am Boden liegenden Mann durch Fußtritte gegen den Kopf getötet hätte.

     

    Ich kann mir schon vorstellen, dass es ganz furchtbar schlimm sein muss, wenn die eigenen Vorurteile, mit denen man eigenen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit rechtferigen möchte, plötzlich so durcheinandergewirbelt werden... Aber heult doch bitte bei "PI" rum.

  • U
    unbenannt

    Wer sich so gleichgültig gibt wie dieser Täter, der soll nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt werden, bedeutet 15 Jahre mindestens. Im Knast wird er noch noch lernen was er noch nicht wusste, aber er wird auch lernen was Gewalt ist die sich dort gegen ihn richtet.

  • E
    Eisvogel

    Jaaaa, das Problem sind ganz klar blonde Jungs deren Eltern in Loftetagen residieren. Und natürlich deutsche Weggucker. Ehrlich mal, wenn diese Schergen nicht ständig weggucken würden wären ja alle voll friedlich.

  • A
    abGEZockt

    Auch dieser Mist wird zwangsfinanziert. Mich kotzt das nur noch an. Was bekommt ihr (die Presse) als Gegenleistung für die regelmäßige Anpreisung dieses Mists?

  • E
    Edgar

    ...die perverse Dynamik des Wegschauens...aber was soll denn einer tun, der vielleicht 65 ist, nicht mehr "im Saft"? Sich einmischen und sich dann heldenhaft totschlagen lassen? Andere zum Einschreiten aufrufen und als solcher "Aufrufer" am Ende doch totgeschlagen werden? Hier EINEN guten Ratschlag finden, das wäre schön

    • I
      irmi
      @Edgar:

      Gerade die, die so laut schreien man solle mutig sein, sind die ersten, die den Hacken schlagen und verschwinden.

       

      Es hat sich doch gezeigt was mutig sein so einbringt. Wie viele wurden dann auch noch schwerst verletzt oder umgebracht.

  • Ich kugel mich weg- wie zu erwarten war, muß hier politisch gaaaaanz korrekt ein "Neureichen- Sohn" die U- Bahn bereichern.

     

    Nun, auch dieser Tatort zeigt wieder die gruslige Realität in Berlin; all diese blonden Konstantins und Achims... statistisch gesehen ganz weit oben in der Liste der U- Bahn- Schläger (zumindest für die Meinungsmacher des ÖR- Medienfurunkels)

     

    Made my day... again

    ;-)))

    • C
      claudi
      @Beteigeuze:

      ich schau mir keine einzige deutsche Serie an, viel zu langweilig, eigentlich muss man Geld von der GEZ zurück bekommen, für den Mist den die anbieten und dann alles in Widerholungen.