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Auch die Öffentlichkeit ist schuldigKOMMENTAR VON BETTINA GAUS

Bundeskanzlerin Angela Merkel ist zufrieden. US-Außenministerin Condoleezza Rice hat ihr versichert, die USA hielten sich an internationale Verpflichtungen und folterten nicht. Der SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz warnt vor voreiligen Schlüssen, in denen von Völkerrechtsverletzungen gesprochen werde. Sein Parteifreund Karsten Voigt hofft, dass die US-Regierung dasselbe unter Folter versteht wie die Europäer. Ja, lesen diese Leute eigentlich keine Zeitungen? Nehmen sie nicht einmal öffentliche Äußerungen ihrer Gesprächspartner zur Kenntnis?

Die US-Regierung definiert Folter, Kriegsgefangene und auch den Begriff des Angriffskrieges neu – und ganz einfach: Alles, was sie im Zuge der so genannten Terrorbekämpfung gerne tun will, darf sie tun. Schließlich, so erklärt sie, gehe es um die Rettung von Menschenleben. Als ob früher stets nur Unschuldige gefoltert worden wären. Als ob Rechtsnormen und die Beachtung von Menschenrechten nur für Sympathieträger zu gelten hätten.

Im Rahmen dieser fantasievollen Neubestimmungen fällt die Behauptung nicht schwer, man halte sich an internationale Abkommen. Angela Merkel sagt, sie könne hinter den geheimen CIA-Gefangenentransporten kein Schema erkennen. Das ist kein Wunder. Schließlich hat sie vorsichtshalber mit ihrem Gast aus Washington lediglich über den Einzelfall eines verschleppten Deutschen geredet.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier soll nun die Parlamentarische Kontrollkommission über die Rolle der abgewählten Bundesregierung in der Affäre informieren. Dieses Gremium ist zur Geheimhaltung verpflichtet. Es ist wahr, dass gerade im sensiblen Bereich der Außenpolitik nicht alles öffentlich verhandelt werden kann. Das gilt jedoch nicht für Rechtsbrüche. Die werden nämlich auch durch noch so strenge Diskretion nicht rechtmäßig.

Innerhalb der USA wächst die Kritik an Menschenrechtsverletzungen der Regierung. Hierzulande wird Leisetreterei mit Diplomatie verwechselt. Die Öffentlichkeit nimmt das hin. Und macht sich so mitschuldig an Folter, Gewalt und Willkür. Niemand soll hinterher sagen, man habe das nicht wissen können. Es steht alles in den Zeitungen. Schon lange.

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