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Kommentar Union und MindestlohnEin letztes Aufbäumen

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Dem Wirtschaftsflügel der Union fehlt die FDP. Gegen die Argumente der SPD für einen Mindestlohn kann er sich nicht mehr lange wehren.

Irgendwer muss auch das machen: Straßenlaternen putzen in Berlin. Bild: reuters

D er Wirtschaftsflügel der Union macht schon seit Längerem einen etwas zerrupften Eindruck. Er konnte in der CDU zwar lange verhindern, dass die Partei einen einheitlichen gesetzlichen Mindestlohn durchwinkt. Doch damit ist es bald vorbei. Die Argumente für den SPD-Vorschlag sind ja auch erdrückend.

Es gibt in fast allen EU-Staaten ähnliche funktionierende Regelungen. Zudem drängelt der Arbeitnehmerflügel der Union Richtung verbindlicher Mindestlohn. Und zwei Drittel der UnionswählerInnen wollen den allgemeinen Mindestlohn.

Machtpolitisch ist dem Unions-Wirtschaftsflügel die FDP als Sperrriegel gegen Mindestlohn und mehr Regulierung im Arbeitsmarkt abhandengekommen. Auch für Angela Merkel waren die Liberalen eine preisgünstige Ausrede, warum man sowieso nichts Grundlegendes verändern konnte. Nun haben die Mindestlohn-Gegner nur noch wenig Bataillone.

Der BDI warnt zwar pflichtschuldig vor dem allgemeinen Mindestlohn, aber eher weil man dort immer gegen staatliche Eingriffe und für die Herrschaft des Marktes ist. Materiell wären Konzerne und Mittelständler hierzulande von 8,50 Euro Mindestlohn nur am Rande tangiert – dort liegen die meisten Löhne sowieso höher. Das bremst die Verve dann doch.

Kurzum: Dass der Wirtschaftsflügel der Union nun noch mal gegen den Mindestlohn medial mobilmacht, ändert nicht viel. Hier wird keine schwer einnehmbare Festung schlachttauglich gemacht – hier ziehen die Verlierer von morgen noch mal die Fahne hoch.

Für die SPD ist das günstig. Aber sie sollte mögliche Kollateralschäden eines Mindestlohns von 8,50 Euro im Auge behalten. Die kann man mit einer zeitlichen Übergangsphase oder zeitlich eng begrenzten staatlichen Subventionen für Löhne dämpfen. Der Sieg für die SPD ist nah. Unklar ist, ob sie eine kluge Siegerin sein wird.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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20 Kommentare

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  • Anstatt widerlegte extremistische Theoretiker wie Marx zu zitieren, die viel Unheil über die Menschheit gebracht haben, und deren ideologisch verseuchte Begriffe zu verwenden, würde ich einfach mal den Menschenverstand einschalten, den Nachplappermodus ausschalten und SELBST überlegen, was Ausbeutung ist und wo sie vorkam.

     

    Dann kann man m.E. erstmal festhalten: Ausbeutung bei Menschen ist ein andauerndes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung. Ausbeutung ist damit praktisch überall möglich und hängt nicht vom Eigentum oder Mehrwert ab. Im Kommunismus gab es Massenausbeutung durch Arbeitszwang bei gleichzeitiger Verelendung. Historisch gesehen (Pyramidenbau usw.) zeigt sich: Ausbeutung ist unabhängig von Produktionsstätten. Auch gibt es so etwas wie Eigenausbeutung bei Selbständigen, die übrigens von keinem Mindestlohngesetz verhindert wird.

    • M
      Marxist
      @Hamburger:

      "widerlegte extremistische Theoretiker"

       

      Das hätte ich gerne belegt, und zwar nach wissenschaftlichen Standards.

       

      Außerdem hätte ich gerne belegt, dass es so etwas wie einen universellen "Menschenverstand" gibt.

       

      Können Sie beides nicht liefern, ist nämlich Ihr Beitrag widerlegt und Marx hat immer noch eine Daseinsberechtigung in der politischen Theorie.

  • W
    Wolfgang

    Das Wesen der Ausbeutung wurde von Karl Marx in seiner Mehrwerttheorie aufgedeckt.

     

    Die ökonomischen Bedingungen der Ausbeutung sind: a) ein Entwicklungsniveau der Produktivkräfte und der Arbeitsproduktivität, das es möglich macht, ein Mehrprodukt zu erzeugen; b) Privateigentum an den Produktionsmitteln.

     

    Verwirklicht wird die Ausbeutung durch ökonomischen und außerökonomischen Zwang (u. a. staatlicher Hartz-IV-Strafvollzug für Erwerbslose). Ausbeutung ist immer Ausbeutung des Menschen durch den Menschen; sie ist ein gesellschaftliches Verhältnis zwischen Gruppen von Menschen, die sich in entgegengesetzter Stellung zu den Produktionsmitteln befinden.

  • D
    Dirk

    €8,50 sind bei einer Familie ein Aufstockerlohn, wenn der dann schon ein Problem für die CDU ist? Dann frage ich mich, ob die CDU überhaupt noch Sozialpolitik betreiben will.

     

    Ansonsten werden sich die Kolateralschäden stark in Grenzen halten, wer fährt denn nach Shanghai zum Friseur? Wer lässt sich in Rumänien sein Auto waschen? Die meisten Argumente sind in Wahrheit gar keine.

     

    M.M. beginnt das Problem, wenn die €8,50 da sind und die Wirkung ist minimal, dann ist die SPD aber in Erklärungsnot. Und das könnte viel eher der Fall sein, als das Ausbeuterbuden ihre Tore schließen und Leute nun gänzlich ihre Arbeit verlieren.

    Kurz: Sturm im Wasserglass, aber gut, dass mal erwähnt wird, wie die Wirtschaft über minimale Sozial- und Arbeitsstandards denkt. das spricht Bände.

  • GK
    Gewerkschaften können nun aufgelöst werden

    Werden jetzt die Gewerkschften aufgelöst? Da wo der Staat bestimmt wer wieviel verdient, wer welches Bad in seine Wohnung einbauen und welche Glühbirne man einschrauebn darf, da braucht doch keiner mehr Gewerkschaften. Vielen Dank liebe Gewerkschaftsführer und nun eingereiht in die solidarischer Arbeitermasse in der ihr euch so wohl fühlt. Ungelernter Apparatschik? Kein Problem, wir haben ja Mindestlohn.

  • Herr Reinecke, ich weiß nicht, weshalb Sie die SPD vor angeblichen Kollateralschäden eines Mindestlohnes warnen müssen. Für mich gibt es die gar nicht.

     

    Es obliegt doch den Arbeitgebern, sich im gegebenen Lohn-Preis-Gefüge einzurichten. Wer das nicht kann, soll meinetwegen allein oder mit Minijobbern arbeiten. Aber er soll nicht so tun, als schufe er echte Arbeitsplätze.

     

    Der Regierung obliegt es, darauf zu achten, dass die Wirtschaft nicht aus dem Ruder läuft. Und das tut sie, wenn Arbeitskräfte wegen Niedriglöhnen mit Hartz IV subventioniert werden müssen.

     

    Der Mindestlohn führt also wieder dazu, dass sich die meisten Arbeitskräfte mit ihrem Lohn selbst tragen können. So soll es sein: dass alle Produktionsfaktoren, Boden, Arbeit und Kapital, möglichst ohne Subventionen auskommen.

     

    So hat es der Sondermann jedenfalls mal beim VWL-Studium gelernt...

  • L
    lowandorder

    Eigentlich ist Stefan Reinecke - anders als die kompetenten " Wirtschaftsdamen" der taz nicht do ganz die richtige Adresse;

    aber schon beim Beitrag von Herrn Schulten in der paper-taz zum Thema bewegte mich aufgrund von verschieden Kommentaren folgendes;

     

    mir fehlt der Bezug zur " Rente"

    ( sorry" wg 40-plus%);

     

    stimmt es, daß die derzeit angestrebte Höhe des Mindestlohnes

    gar nicht rentenrelevant wäre?*

    oder wie hängt das genau?

     

    ( wenn das* von den Gewerkschaften mitgetragen würde, wäre nämlich der Vorwurf

    "unsolidarische Facharbeitergewerkschaften" - wieder - im Raum);

    mal ganz abgesehen von der nur schwer zu ertragenden Tatsache, daß über das alles die Damen und Herren

    mit mind. 70plus%-Versorgung befinden.

    :

  • A
    alireza

    "In fast allen EU-Staaten ähnlich funktionierende Regelungen", LOL, ja genau, darum dürfen wir sie auch ständig subventionieren. Wenn der Staat Preise macht, verhindert er damit die maximal mögliche Wohlfahrt, das muss doch auch euch einleuchten. Es werden weniger Leute eingestellt, z.T. müssen sie entlassen werden, werden also 'sozial' gestützt, was wiederum Kosten für jeden sind. Preise werden höher, was auch Kosten für jeden sind. Die Preise werden auch gerade für Mindestlohnempfänger höher, was die ganze Chose ein Stück weit unnütz für sie macht...warum ist Linksgrün derart mit Realtäten auf Kriegsfuß?

  • DM
    Dr. Manhattan

    Der flächendeckende ist eine süße Frucht, die nur allzubald schauerlich zu faulen und zu stinken beginnt. Bei den Berufsanfängern wird die Arbeitslosigkeit radikal ansteigen, denn man überlegt jetzt dreimal, bevor man die Stelle vergibt. Ungelernte sind noch weiter draußen und für immer HartzIV, während die, die nun gerade mal an der Lohnuntergrenze festgeschweißt sind darüber staunen, was auf einmal der Friseur kostet und auch ihr Schnitzel. Unterm Bruchstrich aber genau SPD: die Leute, für die man angeblich angetreten ist, werden so richtig schön gefickt.

  • @Reiner, ökonomisch ist es unsinnig, Arbeitgebern 2000 Euro Mindestkosten für einen ungelernten Schulabbrecher aufzudrücken, den er einstellen will, um ihm eine Chance zu geben. Das tut niemand bei Verstand und deshalb müssen Sie jetzt in Zukunft solche Arbeitssuchenden voll subventionieren durch Ihre Steuern. Die Ungelernten sind übrigens auch die Gruppe mit den allerhöchsten Arbeitslosenquoten.

     

    Aber 3 Mio. Arbeitslose sind offenbar zu wenig, um vor solchen Voodoo-Economy-Experimenten zurückzuschrecken!

     

    Die 8,50 bzw. 2000 Euro Arbeitgeberkosten sind nichts anderes als ein willkürliches Zuckerstück für das Sozialneid-Wählvolk der SPD, um die große Koalition zu ermöglichen, die die SPD-Mitglieder eigentlich ablehnen, weil ihnen von der SPD-Führung ständig eingeredet wurde, diese wäre Schuld am Niedergang der SPD, der vor Jahrzehnten gestartet ist.

     

    Bitte mal den Realitätsscheck machen: Das Kind wird mit dem Bade ausgeschüttet. Statt sich zu konzentrieren, Bezahlungen unter dem Existenzminimum zu untersagen, wird einfach eine bis zu 30%-Lohnkostenerhöhung für 7 Millionen Arbeitnehmer planwirtschaftlich vorangetrieben. Mit Ökonomie hat das nun wirklich nichts zu tun. Kein Unternehmer stellt jemandem ein, der ihm Verlust bringt. Das darf er als Verantwortlicher für die übrige Belegschaft eigentlich auch gar nicht.

     

    @VIC, lieber lasse ich mich von der Wirtschaft regieren als von Ihnen und Ihren Gesinnungsgenossen. Denn ohne Wirtschaft wären wir alle tot, weil verhungert, eine Regierung ohne Ihresgleichen hingegen empfände ich da als weit weniger schlimm.

    • R
      runzbart
      @Hamburger:

      subsistenzwirtschaft gehört anscheinend nicht zu ihrem sprachgebrauch.

      oder vielleicht stülpen sie ihr weltbild, dass es sich ohne wirtschaft nicht mehr zu leben lohnt, einfach auf andere?

    • @Hamburger:

      Ich hab bereits an anderer Stelle darauf hingewiesen, dass ein flächendeckender Mindestlohn in der derzeitigen Situation durchaus eine arbeitsplatzstabilisierende Wirkung hätte. (siehe Link unten)

      Es wird mit einem flächendeckenden Mindestlohn nicht ein Arbeitsplatz wegfallen, der nicht sowieso weggefallen wäre.

       

      Wenn Sie so besorgt um die Arbeitsplätze hierzulande sind, dann sollten Sie vor allem erstmal Ihre Stimme gegen die Datensammelwut von NSA und Konsorten erheben. Arbeitsplatzkiller Nr.1 ist heute die Wirtschaftsspionage. Gegen die Verluste durch Wissensklau ist der Mindestlohn weniger als Peanuts für jedes innovative Unternehmen.

       

      http://www.taz.de/Mindestlohn-in-Deutschland/!126027/

    • K
      Klugscheißer
      @Hamburger:

      @Hamburger

      >>> Statt sich zu konzentrieren, Bezahlungen unter dem Existenzminimum zu untersagen..

      Schon mal nachgerechnet?

      8,50€/Std. macht im Schnitt 1475 mtl. Für eine/n Verheiratete/n mit einem Kind ca. 1175 netto.

      Plus 184€ Kindergeld also ca. 1360/Monat - oder 16.320/Jahr.

      Unsere Bundesregierung hat das Existenzminimum für 2014 mit 14060€ für ein Ehepaar und 4440€ für ein Kind festgesetzt.

      Macht dann wohl 18500€ !!!

      Hoffentlich wird dir nicht schwindelig - aber dafür bräuchte es dann einen Lohn von 9,80€/Std (bei einer 40Std-Woche)

      • @Klugscheißer:

        Falls Sie es vergessen haben: In der Wirtschaft gilt das Leistungsprinzip. Sie leisten nicht mehr, weil Sie 3 Kinder haben. Daher kriegen Sie auch kein anderes Gehalt. Wer die Schule schwänzt, die Ausbildung abbricht und auch sonst nicht viel für seine Karriere tut, soll sich bitte nicht über teure Kinder beschweren, wenn er davon drei Stück in die Welt sitzt.

         

        Es ist doch unfassbar, wie manche Leute immer mehr Verantwortung für Ihr eigenes Leben auf die Gemeinschaft abwälzen wollen.

         

        Der Mindestlohn ist jedenfalls nicht dazu da, Kinderreichtum mit gleichzeitiger Bildungsfaulheit zu subventionieren. Auch nicht der zu hohe für 8,50. Er ist dafür da, menschenunwürdige Bezahlung zu unterbinden (vor allem bei Dauerarbeitsverhältnissen).

         

        Tatsache bleibt, dass das Existenzminimum für einen Erwachsenen bei 4 Euro netto bzw. ca. 6 Euro brutto pro Stunde liegt. Alles andere ist ökonomisch falsch und Willkür. Aber das werden die Linkspopulisten der SPD sowieso nicht einsehen, weil sie sich die Welt immer schon so gemalt haben, wie sie ihnen gefallen würde und nicht wie sie wirklich ist.

         

        Die round about 6 Euro pro Stunde sind wissenschaftlich und empirisch abgesichert im Gegensatz zum diktierten Niveau der 8,50 bei der SPD.

      • @Klugscheißer:

        Danke, dass wenigstens einer hier Hirn im Kopf hat.

    • SW
      Sacha W.
      @Hamburger:

      Klar doch, die kleinen Leute sollen ruhig weiter Aufstocken und die Löhne weiter vom "Sozialneid-Wähler" subventioniert werden. Hauptsache den Arbeitgebern geht es gut! Wie wäre es mal mit ein wenig mehr "Menschlichkeit"? Oder meinen Sie das die Wirtschaft dadurch zerbricht? Jeder Arbeitgeber der diesen Mindestlohn nicht zahlen kann, so leid es mir tut, hat was falsch gemacht und keine Berechtigung sich auf Kosten von anderen zu bereichern! Die Situation von heute gleicht einem Sklavenmarkt, der Arbeitnehmer und deren Leistung immer weniger zu schätzen weiss.

      • @Sacha W.:

        Dann können Sie genau so gut sagen, dass jeder, der nicht 8,50 pro Stunde ökonomisch leistet, es verdient hat, stattdessen arbeitslos zu sein und voll vom Steuerzahler subventioniert zu werden.

         

        Daran sehen Sie mal, wie zynisch diese Argumentation ist. Sie vernichten lieber Arbeitsplätze als sie zu erhalten, auch wenn das dem Staat erheblich mehr Geld kosten wird.

         

        Selbst die taz spricht von "möglichen Kollateralschäden" durch 8,50. Also bitte aufwachen, liebe Sozialistenfreunde.

    • @Hamburger:

      Der Mindestlohn schützt auch die Betriebe in Handwerk, Gewerbe und Industrie die auch bisher schon angemessene Löhne zahlen.

       

      Ich kann das Theater um die Einführung eines lange schon überfälligen Mindestlohns beim besten Willen nicht nachvollziehen.

  • Ökonomisch sinnvoll ist nur ein wirklich flächendeckender Mindestlohn von mindestens 8,50€. Mit CDU/CSU/SPD wird es sowas aber keinesfalls geben. Man wird sich auf irgendeine Mogelpackung mit zahlreichen Ausnahmen verständigen, die von vorneherein zum Scheitern verurteilt ist. Das Thema ist danach erstmal für lange Zeit gestorben.

  • Die Wirtschaft hat in der Vergangenheit das Land regiert, und sie wird es auch künftig tun. Gemeinsam mit Banken.