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Flüchtlingsheim in HarvestehudeArm dran im Luxusviertel

Ein Flüchtlingsheim soll an den Sophienterrassen in Harvestehude entstehen. Gegenüber ist das exklusivste Villenviertel der Stadt im Bau.

In nobler Nachbarschaft: Das Kreiswehrersatzamt soll Flüchtlingsheim werden Bild: Ulrike Schmidt

Der Kulturschock dürfte für viele der künftigen BewohnerInnen besonders kräftig ausfallen. An den noblen Sophienterrassen im vornehmen Harvestehude soll ein Flüchtlingsheim eingerichtet werden. Entsprechende Pläne, über die Bezirkspolitiker in Eimsbüttel bereits im August laut nachgedacht hatten, werden nun konkret. Die Stadt Hamburg hat Verhandlungen mit dem Bund als Eigentümer der dortigen Immobilie aufgenommen. Das bestätigt die zuständige Finanzbehörde auf Anfrage.

Konkret geht es um das ehemalige Kreiswehrersatzamt an der Sophienterrasse 1a. Hier sollen Asylsuchende untergebracht werden. Eimsbüttels Bezirksamtsleiter Torsten Sevecke (SPD) sagt: „Wir bringen die Flüchtlinge dorthin, wo wir Platz finden. Alle Hamburger müssen die Situation mittragen, auch in Harvestehude, nicht nur die Menschen in den Randbezirken.“ Er hält das eher schmucklose dreistöckige Bürogebäude „für hochgradig geeignet“.

Das glaubt auch die Sozialbehörde, die letztlich für die Verteilung von Flüchtlingen und Asylbewerbern zuständig ist. Wie viele Plätze dort entstehen können, weiß sie allerdings noch nicht. „Wir müssen erstmal schauen, welche Instandsetzungen notwendig sein“, sagt Behördensprecher Marcel Schweitzer. Am problematischsten seien erfahrungsgemäß der Einbau von Bädern und Toiletten sowie Küchen. Dazu sei eine genaue Bestandsaufnahme des Gebäudes erforderlich. Eine Belegung noch in diesem Winter sei deshalb ausgeschlossen, sagt Schweitzer: „Irgendwann im nächsten Jahr sollte das klappen.“

Zunächst muss das Gebäude in das Eigentum Hamburgs übergehen. Die Stadt und die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben hätten je ein Wertgutachten in Auftrag gegeben, sagt ein Sprecher der Finanzbehörde. Wenn diese etwa Ende November vorlägen, könnten konkrete Kaufverhandlungen aufgenommen werden. Wie schnell diese abgeschlossen würden, hänge nicht zuletzt davon ab, „wieweit die beiden Gutachten auseinander liegen“, vermutet er. Deshalb könne er auch über den möglichen Kaufpreis keinerlei Vermutungen anstellen.

Harvestehude am Westufer der Außenalster ist eine der teuersten Wohngegenden Hamburgs mit Stadthäusern sowie Gründerzeit- und Jugendstilvillen in parkähnliche Gärten. Auf dem rund 20 Meter hohen Geesthang über dem See plant der Immobilieninvestor Frankonia zur Zeit das exklusivste Quartier der Stadt. Auf dem Gelände der ehemaligen Standortverwaltung der Bundeswehr sollen die „Sophienterrassen“ entstehen – ein umschlossenes Luxusviertel aus Stadtvillen und Premium-Appartements für Millionäre mit „Lebenskultur auf höchstem Niveau“. An die 6.500 Euro pro Quadratmeter sollen die bis zu 400 Quadratmeter großen Appartments mit unverbaubarem Blick auf die Außenalster kosten.

Dass sich deren Bewohner und die Flüchtlinge im benachbarten Kreiswehrersatzamt begegnen werden, ist indes unwahrscheinlich. Denn die Sophienterrassen sollen eine „Gated Community“ werden: Besuch muss sich beim Wachdienst anmelden. „Mit Hilfe diskreter, moderner Sicherheitstechnik wacht das Team über das Quartier und schützt die private Atmosphäre der Sophienterrassen“, lautet das Versprechen.

Allerdings soll sich bereits eine Bürgerinitiative gegen die Unterbringung der Flüchtlinge gegründet haben. Sevecke will sich davon nicht beirren lassen: „Wir halten an unserem Plan fest und werden daran auch bei Widerstand aus der Nachbarschaft nicht ruckeln.“

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7 Kommentare

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  • A
    amigo

    Das geht gar nicht.

    Reichen Leuten ist sowas nicht zuzumuten!

    Basta!

    Ach ja - und natürlich:

    HURRA DEUTSCHLAND!

  • M
    markalex

    Ist schon bemerkenswert, was man als alteingesessener Bewohner des schlichteren Teils von Pöseldorf (vor dem Krieg eher Armenviertel!) jetzt zu hören kriegt. Zwar hat die Frankonia zu unserem Leidwesen diese hässlichen Schickimicki-Bauten hingestellt und versucht, sie als Luxuswohnungen zu verkaufen, aber die sind, wie ja auch aus dem Artikel hervorgeht, nicht von dem Heim betroffen.

    Betroffen sind all die umgebenden Bewohner des Blocks Alsterkamp-Sophienterrase, die seit Jahrzehnten dort z.T. in 1- oder 2-Zimmer-Wohnungen leben, mitnichten "Reiche" oder "Bonzen" sind. Die aber das Glück hatten, dass ihr Viertel bisher kein "In-Viertel" war - ohne Touristentrubel, Restaurants oder Diskotheken. Nicht mal Läden für den täglichen Bedarf - nachdem die früher bestehenden alle dicht gemacht haben.

    Ich habe lange im Karoviertel gewohnt und habe daher ein bischen Erfahrung mit lebhafter Wohnbevölkerung. Und ich bin besorgt, was aus unserem Viertel wird - zumal wir als Nicht-"Superreiche" eben nicht einfach auf die Elbchaussee oder nach Blankenese ausweichen können.

    Übrigens: ob Asylheim oder Jugendhostel oder Musicaltheater, wäre völlig gleich. Ein Asylheim dürfte da wahrscheinlich sogar die beste Nutzung für das Bürohaus in der Sophienterrasse sein!

  • S
    Steffi

    Wie jetzt -ist das nun in den Augen der taz auch wieder nicht richtig? Flüchtlingswohnungen neben großen Bauten einrichten? Also doch wieder lieber in die sozialen Brennpunkte? Ich glaube, dass viele Flüchtlinge froh sind, überhaupt ein Dach über dem Kopf zu haben. Wir müssen uns nicht dafür entschuldigen, wenn die Umgebung der taz nicht zusagt, die eh immer was zu meckern hat.

  • Für mich sind diese Menschen aus anderen Ländern ganz normale Nachbarn! Im Stadtteil gibt es Wohnheime mit vielen ausländischen Studierenden, viele ausländische Restaurants und Geschäfte. All das ist eine Bereicherung für den Stadtteil. Warum nicht auch ein Flüchtlingsheim, in dem Menschen die Chance erhalten, in Hamburg die ersten Schritte in ein neues und menschenwürdiges Leben zu starten.

    Komisch ist ja auch, dass die Reichen nichts dagegen haben, wenn osteuropäische Leiharbeiter für Hungerlöhne die heruntergekommenen Villen sehr fachgerecht sanieren und asiatische Frauen als Haushaltshilfen ausgebeutet werden. In den exklusiven Restaurants diesseits und jenseits der Alster arbeiten viele Afrikaner als Küchenhilfe. Wenn sich diese Menschen für die Reichen für einen Hungerlohn krumm machen, damit mit die Menüpreise niedrig bleiben, dann sind diese Menschen erwünscht. Es gibt für mich also keinen ersichtlichen Grund, den in Not geratenen Menschen eine sichere Unterkunft zu verweigern. Für mich sind diese Menschen willkommen.

     

    Es bleibt abzuwarten, ob die Kampagne der Springer-Presse tatsächlich greift. Es könnte sein, dass sich eine Bürgerinitiative erst infolge der inszenierten Medienhysterie etabliert. Bisher ist nämlich von einer Bürgerinitiative weit und breit nichts zu sehen und zu hören, obwohl es erste Meldungen schon vor einigen Wochen im Wochenblatt gab. An sich zeigen sich die Anwohner ja tolerant, zumindest wenn es um Gedenktage und andere symbolische Akte gegen Fremdenfeindlichkeit, Rassismus und Ausgrenzung geht. Gespannt darf man sein, ob diese Toleranz bis in den Alltag hineinreicht. Wenn nicht, dann zeigt sich erneut, dass Hamburg alles andere als eine „weltoffene Stadt“ ist.

  • S
    Steffi

    Ich hatte immer gedacht, dass die Linke Flüchtlingsunterkünfte auch in gehobenen Stadtteilen befürwortet. Wo ist denn nun wieder das Problem?

    Dürfen denn wohlhabende Menschen nciht leben, wie sie möchten?

  • M
    MehrTransparenzBitte

    „Irgendwann im nächsten Jahr.“ meint Behördensprecher Schweitzer. Also doch kein Schnellschuss, mit dem BILD-Hamburg heute den kleinen Mann am Kiosk mit der Schlagzeile: “Asylanten zum Winter im Alster-Heim?“ zu stimulieren sucht. Als Reaktion sind Töne aus Hanseatischen Mäulern im Stadtgebiet zu hören wie: „Ist das krank“ und „das sind die Sozen“. Für über den Tellerrand hinausdenkende könnte eher der Verdacht aufkommen, daß es sich in der Sophienterrasse beispielsweise um kein kurzfristiges, sondern eher ein langfristiges Projekt zum Wohle des „so genannten Reichengehege“ an der Alster handeln könnte. Schließlich wollen dort zu kleinen Preisen von dankbarem und am besten gesellschaftlich isoliertem Personal Wohnungen, Grünanlagen und natürlich der Fuhrpark usw. gepflegt werden. Auch standesgemäß werden Doormen/Gatekeeper in Uniform händeringend gesucht. Willkommen in der „Schönen neuen Welt“ und im Hintergrund winkt ganz leise die Bertelsmann-Stiftung mit ihrer „Schwarz-Rot-Gold-Karte“.

    Es wird spannenden zu beobachten, nach welchen Kriterien in der ehemaligen Rekrutierungsstation der Bundeswehr die so genannten Asylanten ausgewählt werden. Nach Ethnie, Qualifikation oder einfach Zufallsprinzip? - Warum wird nicht mit offenen Karten gespielt. Warum möglicherweise auch dort werden mal wieder Gewinne privatisiert und Verluste/Aufwendungen sozialisiert?

  • F
    FranzK

    wenn auf etwas in HH Verlaß ist, dann ist es die Überheblichkeit beim HSV und das in den Bonzenvierteln alles so bleibt wie es ist. Veränderung, Verdrängung betreffen nur die Leute, die sich eben kein Eigentum leisten können. Von den Milliarden für die Hafencity und die IGB Wilhelmsburg hätte man Asylantenheime und sozialen Wohnungsbau von HH bis zum Mond bauen können.