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Seegerichtshof in HamburgGreenpeace siegt

Der Seegerichtshof verlangt von Russland die Freigabe der „Arctic Sunrise“ und die Freilassung der Aktivisten. Sie sollen das Land verlassen können.

Die „Arctic Sunrise“ in Murmansk. Bild: dpa

FREIBURG taz | Russland muss alle verhafteten Greenpeace-Aktivisten und das Schiff „Arctic Sunrise“ freigeben und deren Ausreise aus Russland erlauben. Diese einstweilige Anordnung verkündete am Freitagnachmittag der Internationale Seegerichtshof in Hamburg. Im Gegenzug müssen die Niederlande eine Kaution von 3,6 Millionen Euro bei russischen Banken hinterlegen.

Die Greenpeace-Aktivisten hatten Anfang Oktober versucht, an einer russischen Bohrinsel gegen die Ölförderung in der Arktis zu protestieren. Dort wurden sie von der russischen Küstenwache festgenommen und mit ihrem Schiff nach Murmansk gebracht. Sie wurden mehrere Wochen zunächst in Murmansk, später in St. Petersburg festgehalten. Vorgeworfen wurde ihnen zunächst Piraterie, später kam der Vorwurf des Rowdytums dazu.

In den letzten Tagen hatte die russische Justiz begonnen, die Aktivisten gegen Zahlung einer Kaution von je 45 000 Euro freizulassen.

Russische Antwort

Russland erkennt das Urteil des Internationalen Seegerichtshofs in Hamburg im Fall Greenpeace nicht an. Das Tribunal sei nach Ansicht Moskaus nicht zuständig, teilte das Außenministerium am Freitag mit. Russland habe 1997 das UN-Seerechtsübereinkommen nur teilweise ratifiziert und betont, keine Entscheidungen anzuerkennen, welche die nationale Souveränität einschränkten. Zudem habe die Besatzung der „Arctic Sunrise“ gegen internationale und russische Gesetze verstoßen, hieß es weiter. Moskau werde das Urteil prüfen und eine Antwort formulieren, kündigte das Ministerium an. (dpa)

Die Niederlande, unter deren Flagge die „Arctic Sunrise“ fuhr, warf Russland vor, sie hätten das Recht des Greenpeace-Schiffes zur freien Fahrt auf den Weltmeeren verletzt. Auf hoher See und in der 200-Seemeilen-Wirtschaftszone dürften russische Beamte nicht ohne Genehmigung ein holländisches Boot betreten und kontrollieren. Russland lehnte jedoch ein entsprechendes Schiedsverfahren zur Lösung des Konfliktes ab.

Russische Vertreter waren nicht da

Deshalb beantragten die Niederlande am 22. Oktober eine einstweilige Anordnung durch den Seegerichtshof. Die Aktivisten und das Schiff sollten sofort freigegeben werden. „Es ist ein Streit zwischen zwei Staaten, unter dem keine Menschen leiden sollten“, sagte ein niederländischer Vertreter bei der Verhandlung Anfang November. Russland blieb der Verhandlung fern.

Der 21-köpfige Seegerichtshof, der die Seerechts-Konvention von 1982 auslegt, folgte nun weitgehend dem niederländischen Antrag. Er wich nur insofern ab, als er eine Kaution in Höhe von 3,6 Millionen Euro verlangte. Sie soll fällig werden, wenn das von den Niederlande angerufene Schiedsgericht gegen die Niederlande entscheidet.

Die Richter sagten zur Begründung, das angerufene Schiedsgericht sei wohl für den Konflikt zuständig. Eine Freilassung der Personen sei dringend, da jeder Tag in Haft unumkehrbar sei. Die Entscheidung für die Freilassung fiel mit 19 zu 2 Richterstimmen. „Diese Anordnung ist bindend“, sagte der japanische Gerichtspräsident Shunji Yanai.

Am Freitag wurde Peter Willcox, der Kapitän der „Arctic Sunrise“, und 12 weitere Besatzungsmitglieder aus dem Gefängnis in St. Petersburg entlassen. Inzwischen sind 24 von 30 im September festgenommenen Greenpeace-Aktivisten auf freiem Fuß. Sie durften bisher allerdings das Land nicht verlassen.

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25 Kommentare

 / 
  • HS
    Hari Seldon

    @klade:

     

    Bitte, Sie schreiben: "Die Arctic Sunrise war NICHT in der Sicherheitszone sondern in internationalen Gewässern. Nur zwei Aktivisten wurden bei der Plattform verhaftet".

     

    Nun, bitte, meinen Sie dass die zwei Aktivisten die Plattform in Badehose als Schwimmübung erreicht haben?

     

    Bitte, machen Sie sich nicht lächerlich. Was dieAktivisten durchgeführt haben ist Piraterie. Bitte, denken Sie nur an die Piraten vor Somalien. Die haben auch eine Mutterschiff, und die NATO (und andere) Kriegsschiffen kämpfen RECHTMÄßIG auch gegen solche Mutterschiffen.

     

    Bitte,was für eine Legitimation hat Greenpace? Bitte, meinen Sie das Selbsternennung für Weltretten automatisch Legitimation bedeutet? Es ist die höchste Zeit zur Kenntniss zu nehmen, dass sogar solche gewaltbereite Kittvereine wie Greenpeace NICHT ÜBER DIE GESETZE stehen. Punkt. Es ist sehr gut, dass endlich eine Staat gezeigt hat: "Kinder, bis hierher und nicht weiter".

    • @Hari Seldon:

      Ich bitte sie, Hari Seldon; auf ihrem Planeten, (Trantor heißt der, glaube ich), mögen ja andere Gesetze gelten aber auf der Erde wird Piraterie so definiert, wie Anamolie es skizziert hat.

       

      Lächerlich war der Piraterie-Vorwurf daher von Anfang an, und alle, die wenigstens halbwegs mit den Fakten vertraut waren, verstanden das auch. Selbst Putin betonte sofort, die Aktivisten seien sicher keine Piraten. Die russische Justiz griff zu diesem irrsinnigen und unüberlegten Schritt, um damit die irrsinnige und unüberlegte Aktion der Küstenwache/FSB/Gazprom zu rechtfertigen. Doch selbst nach russischem Recht war es unmöglich mit dem Piraterie-Vorwurf durchzukommen. Also wurde das mit der Piraterie nicht weiter verfolgt und dafür holte man die generische "Rowdietum" - Keule hervor, mit der in Russland politische Gefangene gerne geschlagen werden.

       

      ITLOS hat inzwischen bestätigt, dass das Vorgehen der russischen Behörden illegal war. Die Aktivisten sind somit Opfer einer Entführung, die mit Waffengewalt auf hoher See durchgeführt wurde - und zwar von der russischen Küstenwache, die dem Geheimdienst untersteht, in Zusammenarbeit mit Gazprom.

       

      Die "Piraten" in dieser Geschichte sind also die russischen Behörden und keineswegs die Aktivisten von Greenpeace (eine Organisation, die übrigens nicht "gewaltbereit" ist, wie sie behaupten, sondern, im Gegenteil, für gewaltlosen Protest steht).

       

      Also, Herr Seldon, für so ziemlich alles, was sie geschrieben haben gilt: Umgekehrt wird ein Schuh draus!

    • @Hari Seldon:

      Piraterie ist ein räuberisches Delikt, bei der auf See mit Waffengewalt die Kontrolle über ein Schiff/anderes Objekt erlangt wird.

      Warum Kommentatoren wie Sie das Vergehen des Landfriedensbruchs umschiffen,und die Aktivisten in die Nähe somalischer Seeräuber bringen, lässt sich nur ahnen. Oder schauen Sie doch einfach mal bei Wiki, wenn Ihnen der Umgang mit Begrifflichkeiten so schwer fällt !

  • Schon möglich, ein Staat wie Russland kann sich natürlich über so manches hinwegsetzen, klar. Aber ohne Folgen bleibt das nicht. Putin muss sich also genau überlegen, ob dieses Theater den ganzen Ärger wert ist.

     

    Fremde Staatsangehörige zu entführen ist keine Kleinigkeit; noch viel problematischer für Russland ist es, wenn hinter diesen Leuten eine internationale Organisation mit rund drei Millionen Unterstützern steht (GP kann ne Menge Ärger machen); dann ein diplomatischer Konflikt mit einem anderen Staat; und jetzt haben wir es möglicherweise bereits mit Missachtung eines offiziellen Gerichtsbeschlusses zu tun.

     

    Dieser Weg führt in die Isolation.

    • @Austro Finne:

      (war eigentlich als Antwort an OLLI gerichtet).

      • O
        Olli
        @Austro Finne:

        Na er hat doch gewusst, dass es Greenpeace nicht gefallen wird und dass sie im Westen mediale Aufmerksamkeit genießen. Das war ihm aber nicht wichtig genug, um sich davon abhalten zu lassen, dafür zu sorgen, in Zukunft in Ruhe nach Öl bohren zu können.

        Ich glaube, es wird hierzulande (und im Westen) zu unrecht angenommen, auf Putin irgendeinen maßgeblichen Druck ausüben zu können. Denn das russische Öl wird immer gekauft und in den Krieg ziehen, um den Gerichtsbeschluss umzusetzen, will keiner.

        Alles andere ist "Schnullipulli" und diplomatische Floskeln.

        • @Olli:

          Naja, ganz so schwarz und weiß ist es auch wieder nicht, obwohl mit Öl und Gas natürlich sehr viel Macht verbunden ist - (genau darum geht es u.a. ja, diese Macht muss endlich gebrochen oder wenigstens geschwächt werden!)

           

          Noch zu dem Fall: Man darf nicht vergessen, dass Russland nicht (ganz) mit Putin gleichzusetzen ist und dass die verschiedenen russischen Behörden und Organe der Justiz in den letzten Wochen und Monaten ziemlich planlos agiert haben. Die Situation wird immer peinlicher für Russland und Putins Kommentare werden immer widersprüchlicher.

  • R
    reblek

    "Die Niederlande, unter deren Flagge die 'Arctic Sunrise' fuhr, warf Russland vor, sie hätten das Recht des Greenpeace-Schiffes zur freien Fahrt auf den Weltmeeren verletzt." Plural-Niederlande und Singular-Russland vertauscht: "Wie Niederlande warfen Russland vor, es habe..."

  • R
    routier

    Ich empfehle: zwei, drei Frachter aus Russland in Rotterdam an die Kette zu legen. Dem Erfindungsreichtum der Behörden ist ja nicht gering. Mal sehen was Glasnost dann antwortet.

    ciao

  • C
    civ

    Warum schreibt die taz nicht, dass die Aktivisten in eine international festgelegte Sicherheitszone für Plattformen eingedrungen ist, sondern betont stattdessen lieber es seien internationale Gewässer gewesen? Bewusste Fehlinformation denn die Aktivisten sind ja die Guten.

    Außerdem hat Russland das Abkommen nur teilweise ratifiziert und erkennt keine Entscheidungen an, die ihre eigene Souveränität beeinträchtigen. In einen gut recherchierten Artikel gehört sowas rein, aber es gibt zum Glück noch andere Zeitungen, die sich die Mühe machen.

    • @civ:

      Ja dann gehen sie doch mal mit gutem Beispiel voran! Die Arctic Sunrise war NICHT in der Sicherheitszone sondern in internationalen Gewässern. Nur zwei Aktivisten wurden bei der Plattform verhaftet. Das Entern des Schiffes fand darüberhinaus lange nach der Demo statt. Und die kindische Haltung Russlands WIRD im Artikel durchaus erwähnt.

  • 3,6 Mio. Das ist viel Geld für Piraterie und Freiheitsberaubung.

    Hat sich gelohnt für Russland.

    • @vic:

      Es ist eine Kaution und das abschließende Urteil wird sicher nicht gegen Niederlande ausfallen.

      • @lions:

        Ich weiß, dass es sich um ein Kaution handelt.

        Die Frage ist nur: Wird die zurückgezahlt wenn sie zurückgezahlt werden sollte?

  • O
    Olli

    Als ob Putin das irgendwie interessiert.

    Er wird die Leute erst dann freilassen, wenn er sich sicher ist, etwaige Nachahmer hinreichend abgeschreckt zu haben. Keinen Tag früher.

    • @Olli:

      Russland könnte ITLOS natürlich den Stinkefinger zeigen und aus den internationalen Verträgen aussteigen - doch dann geht es nicht mehr "nur" um den Ruf Russlands, sondern um auch um ganz konkrete Probleme des Seehandels.

       

      Die Olympiade in Sochi steht vor der Tür, also würde auch Putin bestimmt lieber peinliche Schlagzeilen vermeiden.

       

      Ich glaube nicht, dass diese Geschichte überzeugte Aktivisten abgeschreckt hat. Man muss nur wissen, worauf man sich einlässt. Das gilt übrigens auch für die Weltöffentlichkeit, und die hat sehr viel zu sehen bekommen in den letzten Wochen und Monaten!

      • O
        Olli
        @Austro Finne:

        Warum sollte Russland aus den Verträgen aussteigen. Die sagen einfach, der Gerichthof hat seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen. Das war´s.

        "Die Olympiade in Sochi steht vor der Tür, also würde auch Putin bestimmt lieber peinliche Schlagzeilen vermeiden."

         

        Die öffentliche Meinung im Westen interssiert Putin nicht besonders. Jedenfalls nicht genug, um Greenpeace nicht mal zu zeigen, was ne Harke ist.

         

        "Ich glaube nicht, dass diese Geschichte überzeugte Aktivisten abgeschreckt hat."

         

        Kommt auf den Grad der "Überzeugung" an. Und die Länge des Aufenthaltes im russischen Knast.

      • @Austro Finne:

        Die Weltoeffentlichkeit ist aber nicht unbedingt auf der Seite der Nervensaege Greenpeace. Greenpeace sollte nicht nur die eigene Propaganda glauben.

        • @fritz:

          Nervensägen machen sich selten beliebt. Die Weltöffentlichkeit muss auch nicht unbedingt auf der Seite von Greenpeace sein. Die Weltöffentlichkeit sollte nur langsam den Kopf aus dem Sand ziehen und sich nicht länger verarschen lassen. Was meinen sie mit Propaganda?

  • D
    Denis

    Eine deutliche Klatsche für Putin. Russland kann sich nicht alles erlauben. Das Gericht hat der russischen Haltung, sich über das Recht zu stellen, eine klare Absage erteilt.

  • Auch wenn die Anordnung zu erwarten war, bin sehr erfreut darüber. Es sei dazu angemerkt, dass das Urteil von einem japan. Gerichtspräsidenten bekannt gegeben wurde, hat doch Japan mit Walfangbehinderungen von Greenpeace in Vergangenheit die meisten "Scherereien" erleben dürfen.

    So, jetzt sind Sie am Zug, Herr Putin ! Mal sehen, was Ihnen die nationalistische Sturköpfigkeit wert ist.

  • Besser spät als nie! Die Aktion der russischen Küstenwache war nicht nur überzogen sondern auch illegal. Somit hätten die Arctic 30 nie nach Russland gebracht werden dürfen, von der langen Untersuchungshaft und den immer noch erhobenen Anschuldigungen ganz zu schweigen.

     

    Allerdings gibt es für Russland nun kaum noch einen Ausweg aus diesem Theater, der ihnen erlaubt, ihr Gesicht zu bewahren. Noch peinlicher wird es für Russland jedoch mit jeder weiteren widersprüchlichen Aktion.

    • @Austro Finne:

      Erinnern wir uns doch mal, was dem Herrn Gurlitt passiert ist. Der Zoll durfte die Bilder nicht weggnehmen? Die Russen hatten einen sehr viel besseren Grund.

    • @Austro Finne:

      Russland hat die Aktion laengst zu einem Akt des Rowdietums herabgestuft und illegal war es ganz sicher. Auch wenn man es zum zivilen Ungehorsam veredelt. Darauf steht an sich eine zivile Strafe.

      • @fritz:

        Ich verstehe nicht ganz, was das mit meinem Kommentar zu tun hat.

        Ich habe von den illegalen Aktionen der russischen Küstenwache/FSB gesprochen!

         

        Aber zum Prozess: Indem die russischen Behörden die GP-Aktion "zu einem Akt des Rowdietums herabgestuft" und den Schwachsinn mit der Piraterie aufgegeben haben, haben sie auch den einzigen Vorwand verloren, mit dem sie das Entern der Arctic Sunrise hätten rechtfertigen können - jedenfalls zum Schein. Seither ist es also doppelt peinlich für Russland.

         

        "Rowdietum" gibt's nur im russischen Recht. Und dass die Arctic Sunrise inklusive Arctic 30 illegal nach Murmansk und vor ein russisches Gericht gebracht wurden, hat nun ITLOS offiziell bestätigt.

         

        Für zivilen Ungehorsam steht selbstverständlich eine angemessene zivile Strafe. Mit "Rowdietum" hat das alles jedenfalls nichts zu tun, und sieben Jahre Haft wegen einer Demo...?! Das Verhalten der russischen Behörden macht deutlich, wie wichtig ziviler Ungehorsam heute ist.

         

        Und bei all dem sollte natürlich nie vergessen werden, worum es eigentlich geht: die Arktis, Öl&Gas, die Weltwirtschaft, das Weltklima.