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Kommentar RusslandAlle Wege führen nach Sotschi

Klaus-Helge Donath
Kommentar von Klaus-Helge Donath

Die Boykottankündigungen aus dem Westen bringen nichts. Die Devise sollte stattdessen sein: Zeigt euch in Sotschi demonstrativ mit den Bedrohten.

Eher ein Grund zum Fernbleiben: Sotschi-Nippes. Bild: dpa

W ladimir Putin ist schon in Siegerlaune. Dieses Jahr ist für den Kremlchef famos gelaufen. Soeben hat er die Ukraine eingetütet und den Europäern en passant gezeigt, wo der Hammer hängt. Sie sind aus Sicht des Präsidenten ohnehin Schwächlinge und Vertreter einer untergehenden Kultur.

Längst bereitet sich Putin auf den nächsten Höhenflug vor. In Sotschi wird er sich als Pantokrator aller Russen feiern und von den Medienlakaien in die Welt versenden lassen. Sollte er da böse sein, wenn ein paar Gesandte des „faulenden Europa“ den Spielen demonstrativ fernbleiben?

Auf den ersten Blick haben Boykottankündigungen und diplomatisches Downgrading niemanden in Moskau beunruhigt. Dass es öffentlich nicht thematisiert wird, macht jedoch stutzig. Sonst ist Kremlchef Putin dankbar für jede antiwestliche Steilvorlage.

Es könnte Hochmut, Gleichgültigkeit oder auch die Gewissheit im Kreml sein, dass der Westen beim business as usual bleibt und die Beziehungen keinen Schaden nehmen. Allenfalls ein kleines Zugeständnis an die europäische Befindlichkeit könnte die nun in Aussicht gestellte Haftentlassung von Pussy-Riot-Künstlerinnen und Greenpeace-Aktivisten sein. Der Protest schrumpft auf ein symbolisches Maß.

Für autoritäre Regime sind Großereignisse wie die Olympischen Spiele Vehikel, um sich von ihrer besten Seite zu zeigen. Das war schon das Motiv, als sich Russland bewarb und dem Kreml die Spiele 2007 zugesprochen wurden. Auch damals trug Putin keine weiße Weste. Stattdessen nahm er die Erfahrung mit, dass Moral auch im Westen eine knappe Ressource ist.

Den Spielen fernzubleiben zeugt von hehrer Haltung. Boykott hätte aber nur Effekt, wenn er politische und wirtschaftliche Konsequenzen mit sich brächte. Treten ein paar Würdenträger nicht an, ist bestenfalls ihnen damit gedient. In Russland wird es kaum einer bemerken. Wenn doch, würde Putins Propaganda daraus einen aus dem Westen gesteuerten antirussischen Feldzug drechseln.

Die Devise sollte sein: Alle Wege führen nach Sotschi. Die erste Garde der Politik müsste sich darum reißen, mit offenem Visier in einen Wettstreit mit dem Kremlchef zu treten und sich demonstrativ mit Schwulen, politisch Verfolgten, Lesben und bedrohten NGOs in aller Öffentlichkeit zu zeigen. Das wäre dem Regime eine Lektion. Die erfordert aber Mut.

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Klaus-Helge Donath
Auslandskorrespondent Russland
Jahrgang 1956, Osteuroparedakteur taz, Korrespondent Moskau und GUS 1990, Studium FU Berlin und Essex/GB Politik, Philosophie, Politische Psychologie.
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7 Kommentare

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  • A
    ama.dablam

    Gibt es bei den Olympischen Winterspielen auch Sport?

     

    Ich meine Ski fahren, Eisschnelllauf Bob und so Zeugs.

     

    Oder ist das tatsächlich so ne Art CSD im Winter mit Politikerschaulaufen?

  • Es mag dem linken Agitations-Reflex geschuldet sein, dass der Kommentator sich hier eine Art Kundgebung der mächtigsten Akteure der Weltpolitik gegen ein ungeliebtes Mitglied ihres Clubs wünscht. Aber so funktionieren internationale Beziehungen nicht, und zwar aus mehreren Gründen:

     

    1. Der Gastgeber kontrolliert die mediale Verarbeitung. Ob ein Besuch der Mächtigen zur provokanten Auseinandersetzung mit Putins Russland oder zur Gala der Huldigung an seine Machtfülle und Herrlichkeit wird, entscheidet der Mensch am Schnittpult. Ein paar brauchbare Szenen lassen sich immer finden, es sei denn, man entzieht sich dem völlig.

     

    2. Staatschefs veranstalten keine Demos. Wenn sie ein Problem mit anderen Staatschefs haben, sagen sie es ihnen direkt oder auf diplomatischem Wege. Wer krakeelend vor der Weltöffentlichkeit mahnend auf die Taten Anderer zeigt, beweist damit nur mangelnde Augenhöhe.

    Wenn überhaupt bleiben echte Schwergewichte daher bei derartigen Veranstaltungen "demonstrativ" fern, wie zum Beispiel wenn ein Despot sie zur Staffage seiner Machtdemonstration machen will.

     

    3. Die Regeln (oder vielmehr die Vernunft) der Diplomatie gelten fort: Man muss immer danach auch noch miteinander reden können. Das heißt entweder Blatt vor den Mund und an richtiger Stelle lächeln, scherzen, verbrüdern (und damit den Typ am Schnittpult glücklich machen) - oder direkte Konfrontation Vermeiden.

  • E
    Emanuel

    Sexuelle Orientierung ist Privatsache. Und der Schutz vor Diskriminierung und Benachteiligung ihretwegen bei uns dankenswerterweise sogar ein Grundrecht. Wie sollen sich hochrangige Vertreter von Politik und Sport denn mit Schwulen und Lesben solidarisieren? Das geht doch gerade niemanden etwas an. Alleine die

    Vorstellung, die Leute mögen sich outen, damit man sich mit ihnen solidarisieren kann, ist diskriminierend. Und sie ist unfair, da man die Opfer solcher Benachteiligung

    nicht instrumentaliesieren darf. Auch nicht zu etwas vermeintlich positivem.

     

    Nein, es sind eben nicht die Betroffenen, die für Ihre Rechte kämpfen müssen. Wir sind es, die freie Gesellschaft, die für diese Rechte einstehen muss.

    Alle Menschen denen Gleichbehandlung und Disrkiminierungsfreiheit am Herzen liegen, gleichermaßen.

     

    In diesem Zusammenhang darf man schon fragen, warum es unter den Sportlern selbst so wenige boykottwillige gibt. Der Verdacht liegt nahe, dass es hier eine Art rechtliches Allmendedilemma gibt. Denn der zunächst selbstlosen Aufgabe einer Olympiateilnahme zugunsten der Rechter einer Minderheit, stehen viel handfestere

    persönliche Interessen gegenüber. Die Sportlerkarriere, die Anerkennung, das Geld. Ob es jemandem hilft, wenn ich boykottiere ist ungewiss. Dass ich aber eine persönliche Einschränkung erlebe, ist dagegen sicher.

     

    Und Interessen sind es auch, die die Veranstalter, die Sportverbände, die Medienunternehmen und die russische Politik leiten. Und das Hauptinteresse heißt Geld (bzw. polit. Einfluss).

     

    "[...]sich demonstrativ mit Schwulen, politisch Verfolgten, Lesben und bedrohten NGOs in aller Öffentlichkeit zu zeigen", erfordert Mut, das ist richtig.

    Nicht hinzugehen, dagegen, verlangt persönliche Courage. Und Courage erfordert viel mehr Mut, aber sie wäre auch mehr wert. Es wäre schön, wenn sich mehr Menschen einem Boykott anschlössen

     

    Eine schöne Adventszeit

    Emanuel Harms

  • "Soeben hat er die Ukraine eingetütet und den Europäern en passant gezeigt, wo der Hammer hängt. Sie sind aus Sicht des Präsidenten ohnehin Schwächlinge und Vertreter einer untergehenden Kultur", so der TAZ Kommentator. Daran werden seine einzigartigen Unterstellungsreflexe deutlich. Den Fakten entspricht all das nicht. Richtig ist: Russland hat der Ukraine offenbar das bessere Angebot unterbreitet. Handel und Wandel entspricht nun mal dem Völkerrecht. Mag sein, dass man sich in Berlin und Brüssel darüber ärgert, dass der von Julia Timoschenko abgeschlossene Vertrag, für den sie auch rechtskräftig verurteilt in ukrainischer Haft sitzt, endlich gegen einen besseren eingetauscht worden ist. Die EU war zu einem solchen Angebot leider nicht fähig. Warum auch immer. Und kaum ist der SPD Außenminister im Amt, faselt er von Ausnutzung der Notlage der Ukraine. Nach dieser Logik darf Deutschland entscheiden, wo sich die gewählte Regierung der Ukraine Hilfe herholt, wenn ihr das Wasser bis zum Hals steht. Der deutsche Außenminister weiß sicher nicht, dass Janukowitsch vom ukrainischen Volk mit großer Mehrheit gewählt worden ist? Hätte ihm das nicht mal jemand sagen können? Gut, der Rußlandkorrespondent der TAZ, weiß es ja auch nicht... Und die deutschen Geheimdienste? Die wissen es vielleicht, dürfen es aber nicht sagen. Armes Deutschland.

  • "Die Devise sollte sein: Alle Wege führen nach Sotschi. Die erste Garde der Politik müsste sich darum reißen, mit offenem Visier in einen Wettstreit mit dem Kremlchef zu treten und sich demonstrativ mit Schwulen, politisch Verfolgten, Lesben und bedrohten NGOs in aller Öffentlichkeit zu zeigen. Das wäre dem Regime eine Lektion. Die erfordert aber Mut." Lieber Herr Donath: wo ist denn Ihr Mut? Ich kann mich an keinen einzigen Artikel erinnern, in denen Sie die Tscherkessen auch nur erwähnt hätten. Es geht hier neben politisch Verfolgten, sexuellen Minderheiten und bedrohten NGOs auch um einen vertuschten kolonialen Völkermord. Wer möchte, daß anstelle eines Boykotts die internationale Aufmerksamkeit, die auf Sotschi ruht, im positiven Sinne dazu genutzt wird, auf Geschichte und Kultur der Tscherkessen aufmerksam zu machen, wird gebeten, einen Brief an Bundespräsident Gauck auf change.org mitzuzeichnen: https://www.change.org/petitions/mr-joachim-gauck-president-of-germany-deutscher-bundespr%C3%A4sident-almanya-cumhurba%C5%9Fkan%C4%B1-sochi-2014-include-circassians-in-public-debate-tscherkessen-in-%C3%B6ffentliche-debatte-einbeziehen-%C3%A7erkesler-de-g%C3%BCndeme-al%C4%B1nmal%C4%B1. Sie selbst, Herr Donath, sind ebenfalls herzlich dazu eingeladen.

  • M
    michael

    denke auch putin sollte sich endlich ein beispiel am westen nehmen, und die meingsfreiheit zum thema holocaust beschränken, die welt mit kriegen überziehen, privaten zentralbanken die möglichkeit geben, die menschen zu berauben, zusehen, wie sie durch medien verblödet werden, sie durch genmanipuliertes aber nicht gekennzeichnetes essen vergiften lassen oder den anbau von gewissen pflanzen verbieten aber opfer von drogenmißbrauch nicht weniger durch ärztliche hilfe sondern durch gefängnisstrafen "helfen".

    ach wenn doch nur die ganze welt so zivilisiert wie wir wäre

  • E
    elvis

    die usa und die korrupten regierungen des westens überfallen mit armeen oder geheimagenten die ganze welt, und im nachhinein zeigt sich, dass kein einziger kriegt gerechtfertigt war.

     

    aber putin soll der sein, der den hammer schwingt?