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Anschlag in Berlin-HellersdorfFlüchtlingsheim mit Böllern attackiert

Unbekannte zerstören mit Krachern die Eingangstüren des Hellersdorfers Flüchtlingsheims. Eine rechte Website weiß Stunden vor der Polizei von dem Angriff.

Kein sicherer Ort: Flüchtlingsheim in Hellersdorf Bild: DPA

BERLIN taz | Die Situation rund um das Flüchtlingsheim in Hellersdorf kommt nicht zur Ruhe. In der Silvesternacht haben Unbekannte zwei Eingangstüren des Heimes von außen zerstört.

Nach Polizeiangaben beobachteten Wachschutzmitarbeiter des Heimes gegen 1.20 Uhr zwei Unbekannte, wie sie von außen Pyrotechnik mit Klebebändern an den Eingangstüren befestigten und anschließend zündeten. Die Polizei war sowohl vom Wachschutz des Heimes als auch von Personen aus der Nachbarschaft informiert worden. Sie geht von einem politisch motivierten Anschlag aus.

Noch am Mittag des Neujahrstages sind die zerstörten Glasscheiben an der Eingangstür des Heimes sowie an der Eingangstür des zweiten Gebäudes, das gerade saniert wird, zu sehen. An vielen Fenstern hängen von Kindern gebastelte Weihnachtssterne, aus einem Fenster hört man leise arabische Musik. Ein bosnischer Bewohner erklärt, er hätte nichts von einem Anschlag bemerkt, weil er geschlafen habe.

Ein Tschetschene, der gerade das Haus verlässt, hat die nächtlichen Ereignisse mitbekommen. „Rassismus gibt es nicht nur im Kaukasus, sondern auch in Deutschland“, sagt er leise und fügt hinzu: „Das habe ich nicht gewusst, bevor ich hierher kam. Ich bin vor dem Rassismus aus dem Kaukasus geflohen.“

„Von einem Angriff haben wir nichts gemerkt“

Die Stimmung der Anwohner gegenüber den neuen Nachbarn ist nach wie vor tief gespalten. Es gibt eine riesige Hilfsbereitschaft. Der Tschetschene weiß das und zeigt auf seine schwarze Winterjacke. Die habe er neben allerlei Hausrat geschenkt bekommen, als Hellersdorfer Spenden ins Heim gebracht hatten.

Die taz trifft am Mittwoch allerdings nur Nachbarn, die dem Heim feindlich gegenüberstehen. „Von einem Angriff haben wir nichts gemerkt“, sagen zwei Rentnerinnen, die gerade aus einem gegenüberliegenden Wohnhaus kommen. „Aber hätten wir das bemerkt, hätten wir auch nichts dagegen gehabt. Denn es leben einfach zu viele Fremde hier.“ Eine Mitvierzigerin fällt den Rentnerinnen ins Wort: „Denen wird alles gegeben, und unsere eigenen Leute müssen sehen, wie sie klarkommen. Da muss man sich doch nicht wundern, wenn mal was passiert.“

Gegen das Flüchtlingsheim hatte 2013 eine „Bürgerinitiative Marzahn-Hellersdorf“ anonym im Internet gehetzt. Der Verfassungsschutz erkannte in ihr sowohl Personal als auch Gedankengut der NPD. Nachdem die Polizei gegen die Macher der Seite ermittelte, wurde die Seite gelöscht. Stattdessen gibt es eine sehr ähnliche Seite der „Bürgerbewegung Hellersdorf“, die ebenfalls gegen Asylsuchende hetzt. Diese hatte in der Silvesternacht über die Anschläge berichtet – mehrere Stunden eher, als die Polizei eine Meldung dazu herausgab.

Das größere Ärgernis für die Rechten war dabei etwas anderes: Auch die Heimbewohner hätten mit einem Feuerwerk gefeiert. Die Pyrotechnik haben sie, so folgerten die Rechten auf ihrer Website, von Geldern gekauft, die ihnen „zur Sicherung des Lebensunterhaltes ausgezahlt wurden“.

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12 Kommentare

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  • D
    derSchreiber

    Was sind das denn für Türen wenn man da mit „Böllern“ die Scheiben zerstören kann?

    War es nun ein Sprengstoff-Angriff, oder einfach ein dummer Jungenstreich? Weil ich habe die Jahreswechsel von 2006 bis 2010 immer im Merkischen Viertel verbracht und da waren die Scheiben dann kaputtgetreten…

    Aber das hatte nichts mit den Böllern zu tun die man die Nacht über gehört hat.

  • MD
    Matthias D.

    Typisch taz: Ein Flüchtlingsheim wird mit Böllern attackiert und natürlich erscheint sofort ein Artikel, während die teils gravierenden Angriffe auf Feuerwehr und Polizei in der Sylvesternacht keine Erwähnung finden (80 Personen greifen in Berlin Neukölln die Feuerwehr mit Steinen und Flaschen an) und das in dem Flüchtlingscamp in Kreuzberg wegen wiederholter Übergriffe im letzten halben Jahr bereits über 30ig Mal die Polizei anrücken musste ist euch auch keine Zeile wert. Sorry, taz, aber was ihr fabriziert ist wirklich nur noch Populismus. Und da wird der CSU oder Ähnlichen Stimmungsmache vorgeworfen...was ist es denn dann was ihr betreibt? Und das Schlimme ist: Ich glaube ihr merkt das noch nicht mal.

    • N
      nk
      @Matthias D.:

      Typisch Matthias D. Statt sich zu freuen, dass die TAZ über Sachen bereichtet, über die andere nicht schreiben, lieber Boulevardmist erwarten. Geh noch nach drüben, mein Jott. Die BZ sucht sicher noch Leser.

  • B
    butters

    Solange es Kommentare gibt, zahle ich nicht für die taz, ganz einfach. Macht alle mit!

  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    Das sind die Konsequenzen der CSU-Kampagne gegen Zuwanderer aus Osteuropa.

    • @774 (Profil gelöscht):

      Ja klar, weil Hellersdorf eine CSU-Hochburg ist, oder was?

      Komisch, dass solche "Vorfälle" bzgl. Asylbewerberheimen in Bayern nicht so häufig zu sein scheinen.

    • @774 (Profil gelöscht):

      Jaa! @ANTON WAGNER !

      Irgendwie erinnert es mich an die Hetzkampagne der NAZIS gegen Ernst Barlach,wo Teenager in ihrem jugendlichen Durst nach Sensationen- unreflektiert und naiv- dem Hass der NAZI´s gegen die Kunst und Person Ernst Barlachs- Dienerschaft erwiesen:

      Ernst Barlach wurde von sozial orientierungslosen Jugendlichen tödlich schikaniert...

      Die Jugendlichen, im Falle Ernst Barlachs, dürsteten eigentlich nur nach Anerkenntnis und Legitimation durch die herrschende Ideologie der `Erwachsenen´..

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      Und dieser `Zirkus´ von Gewalt und Schikane gegen die Bewohner des Flüchtlingeheims Zellerndorf ist nur eine `modernisierte´ Kopie der Logik des Terrors gegen Ernst Barlach!

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      Als Beschwichtigung könnte ich sagen, das zu Sylvester viele Teenager- ohne zu Denken- in Erwartung von Sensationen, mit Böllern förmlich Amok gehen, oftmals alkoholisiert, ausserhalb der Kontrolle elterlicher Verantwortung; eben pubertär- unreflektiert- sensationsfixiert!

      ------

      Ohne die Konsequenzen zu bedenken!

      Im Fall Zellersdorf trägt m.E. die `unsoziale- unsolidarische´ Haltung der allgemeinen erwachsenen Bevölkerung die Verantwortung !

  • G
    gaga

    und?

  • IO
    Im Osten nichts Neues

    Bringt die Leute in der City West unter, da sind sie auf jeden Fall sicherer aufgehoben.

  • O
    OJ

    Liebe TAZ, letzte Nacht ist in dieser Stadt sehr viel kaputt gegangen - das ist euch aber keine Zeile wert? Angriffe in Schöneberg auf fahrende Autos, Messerstechereien...

    • @OJ:

      Hier wurden Menschen angegriffen, aber für Individuen wie Sie ist der ANgriff auf Autos wohl mehr wert, nicht wahr????

      WAs die Angriffe in Schöneberg betrifft, da machen Sie sich mal keine Sorgen, das werden die bürgerlich rechtskonsrvativen Medien liebend gerne übernehmen, da können Sie sicher sein!

  • G
    gast

    Es ist einfach nur schäbig was hier passiert.