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Verbraucherschützer über Strompreis„Die Armen sind überfordert“

Die EEG-Umlage steigt für arme und reiche Stromkunden. Verbraucherschützer Udo Sieverding plädiert für höhere Beiträge wohlhabender Haushalte und der Industrie.

Romantisch, aber teuer: Windräder vor untergehender Sonne Bild: dpa
Hannes Koch
Interview von Hannes Koch

taz: Herr Sieverding, Bayerns Wirtschaftsministerin Ilse Aigner will die Energiewende teilweise mit Krediten finanzieren. Bringt das eine Entlastung für die Verbraucher?

Udo Sieverding: Ilse Aigner leistet mit diesem Vorschlag einen wichtigen Diskussionsbeitrag. Denn wie bisher geht es nicht weiter. Ein Durchschnittshaushalt bezahlt mittlerweile über 200 Euro pro Jahr für Wind- und Solarkraftwerke. Stromkunden mit geringem Einkommen sind dadurch überfordert. Die Finanzierung mittels der Ökoumlage auf die Stromkosten der Verbraucher ist an ihre Grenzen geraten.

72 Milliarden Euro neue Staatsschulden müssten aufgenommen werden. Auch die ärmeren Stromkunden müssen die langfristig zurückbezahlen. Der Unterschied liegt nur darin, wann die Rechnung präsentiert wird.

Dieser Aspekt ist tatsächlich problematisch. Den Energiewende-Fonds, den Aigner zur Tilgung der Kredite heranziehen will, sollen die Stromkunden finanzieren, also wiederum auch die ärmeren Haushalte. Das ist der falsche Weg. Besser wäre es, die Kosten mittels Steuern oder mit einem Solidarbeitrag ehemaliger EEG-Anlagen zu bezahlen.

Dafür müsste die Regierung Steuern erhöhen. Welche könnten das sein?

Beispielsweise die Einkommen- oder die Körperschaftsteuer. Dann würden – anders als heute – Bürger mit höheren Einkommen einen größeren Anteil der Kosten übernehmen. Haushalte, die wenig Geld zur Verfügung haben, würden entlastet. Gleiches gilt für die Industrie. Über die Körperschaftsteuer auf ihre Gewinne müssten auch die Unternehmen einen angemessenen Beitrag leisten. Sie profitieren schließlich auch von einer Deckelung der EEG-Umlage.

Im Interview: Udo Sieverding

,43, arbeitet seit 1998 bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. Er leitet dort den Bereich Energie.

Sie plädieren dafür, die Industrie zusätzlich zu belasten. Es geht darum, welche gesellschaftliche Gruppe welchen Anteil der Investitionen für die Energiewende trägt. Wäre es nicht sinnvoller, diesen Konflikt heute zu lösen, statt ihn in die Zukunft zu verlagern?

Wir stehen am Beginn dieser wichtigen Diskussion und ein „weiter so“ darf es nicht geben. Vielleicht kann die Politik eine Mischform aus Steuer-, EEG-Altanlagen-Soli und Fondsfinanzierung entwickeln. In jedem Fall reicht die heutige Ökoumlage nicht mehr aus. Sie war ein gutes Modell für die ersten 20 Jahre der Energiewende. Wenn wir in einigen Jahrzehnten aber 80 bis 100 Prozent unseres Stroms mit regenerativen Energien herstellen wollen, brauchen wir zusätzliche Finanzierungsinstrumente.

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4 Kommentare

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  • Ob ein Bahnticket jetzt 1,25 statt 1,20 € kosten würde, fällt nur dann ins Gewicht, wenn die persönlichen Verkehrskosten damit monatlich stärker steigen, als die monatliche Stromrechnung um die dann abgesenkte EEG-Umlage fällt. Da ist mir das 5cent teurere Bahnticket aber lieber als die höhere Stromrechnung, auch wenn ich selbst Bahnkunde bin. Denn dann wird nicht mehr über nicht-bahnfahrende Stromkunden (z.B. Kleinrentner und HarzIV-Empfänger) die Stromrechnung der Bahn quersubventioniert, sondern es wird verursacherbezogen und damit auch gerechter beim Bahnkunden kassiert.

    • K
      Kosten
      @Tortes:

      Wie Allreech schon geschrieben hat, ist ja nicht nur die Bahn von hohen Strompreisen betroffen!

       

      Auch die Aluminiumindustrie und die Chemieindustrie haben erhöhte Stromkosten, welche sie an die Kunden weitergeben!

       

      Und wegen dem

      "z.B. Kleinrentner und HarzIV-Empfänger"

       

      Auch Kleinrentner und HarzIV-Empfänger kaufen für die Küche Aluminiumfolie oder Chemikalien für den Alltagsgebrauch (Natronlauge ist z.B. der Hauptbestandteil von normalen Toilettenreiniger.)

       

      Die Preissteigerungen dürften nur gering sein;

      Aber es sind VIELE Produkte/Waren betroffen.

       

      Und Das summiert sich.

       

      Außerdem:

      Doch. Auch Kleinrentner und Arbeitslose fahren mit der Bahn^^

    • A
      Alreech
      @Tortes:

      Für die meisten Verbraucher ist die EEG Umlage nicht wirklich ein Problem, sieht man mal von einer kleinen Randgruppe ab:

      Menschen die in Wohnungen leben welche mit Nachtspeicheröfen beheizt werden.

      Für diese Menschen haben sich in den letzten Jahren die Heizkosten teilweise mehr als verdoppelt, und das obwohl Nachts im Winter wenn die Speicheröfen geladen werden eher weniger Solarstrom produziert wird.

       

      Ein größeres Problem ist die EEG Umlage für die Arbeiter in der Chemie- & Metall- Industrie und im produzierenden Gewerbe.

       

      Die arbeiten z.B. im Bereich des Kupferrecyclings wo mittels Elektrolyse Reinkupfer erzeugt wird.

      Oder sie arbeiten bei Thyssen und fertigen aus Stahlschrott im Lichtbogenofen Edelstahl.

      Oder sie arbeiten im Bereich der Choralkali-Elektrolyse und produzieren Natronlauge, Wasserstoff- und Chlorgas.

       

      Das sind alles Verfahren die Unmengen an Strom verlangen, und solche Firmen sind meist teilweise von EEG- und Netzumlage befreit.

       

      Wenn die Befreiung fällt dann geht es für diese Arbeiter nicht um 5 Cent Mehrkosten für die Tägliche Bus- oder S-Bahnkarte.

      Da geht es dann um den Job.

       

      Preiserhöhung geht meist leider nicht, denn der deutsche Verbraucher kauft erstaunlicherweise nicht tonnenweise Chemikalien, Edelstahl oder Kupfer. Auch CNC Bearbeitungscenter, Spinnmaschine, Vakuumpumpen und Lackierstraßen werden eher selten vom deutschen Endverbraucher gekauft.

       

      Die Kunden sitzen meist im Ausland, und sind auch bereit für Produkte aus Germany mehr zu bezahlen...

      Aber eben nicht jeden Preis.

       

      Aber das inzwischen ein Großteil der Deutschen nicht mehr der Arbeiterklasse angehört sondern irgendetwas mit Medien macht bzw. bei Vater Staat arbeitet kann es uns ja egal sein wenn in Deutschland Industriearbeitsplätze verloren gehen.

      Das würde auch die Wettbewerbsfähigkeit der anderen Europäischen Länder steigern...

  • K
    Kosten

    Selbst wenn man die Befreiung der Industrie von der EE-Umlage VOLLSTÄNDIG streichen würde, wäre Das auch nur ein Tropfen auf den heißen Stein:

     

    Denn selbst dann würde die EE-Umlage für den Normalkunden um nur 1/3 sinken.

     

    http://www.welt.de/debatte/kommentare/article119207275/Die-dreisten-Strompreisluegen-der-Wahlkaempfer.html

     

    Außerdem werden sich diese Unternehmen das Geld dann einfach von den Kunden zurückholen, indem sie die Preise für ihre Produkte erhöhen.

     

    Dann wird das Bahn-Ticket wegen den höheren Betriebskosten dann 1,25 Euro statt 1,20 Euro kosten...

     

    http://www.derwesten.de/wirtschaft/bahn-gibt-hohe-energiekosten-an-kunden-weiter-id7134572.html