piwik no script img

Fall YagmurAnwalt der Hetze ausgesetzt

„Die Eltern wollten ihr Kind zurück. Das ist legitim“: Rechtsanwalt von Bracken erklärt, warum er die Eltern des toten Mädchens vertrat – bleibt aber selbstkritisch.

Bekommt bedrohliche E-Mails: Anwalt Rudolf von Bracken. Bild: dpa

HAMBURG taz | Der Anwalt Rudolf von Bracken beobachtet seit einigen Tagen die Hetze auf Facebook gegen seine Kanzlei, auch erhalte er drohende E-Mails. Die Berichte in den Medien über seine Rolle im Fall Yagmur begännen sich bereits auf Mandantschaftsverhältnisse auszuwirken, sagte der Jurist am Donnerstag, als er die Presse in sein Büro lud. Deshalb habe er sich entschieden, trotz der anwaltlichen Schweigepflicht zum Fall zu sprechen.

Von Brackens Kanzlei heißt „Büro für Kinderrechte“ und hatte die Eltern des toten Mädchens vertreten, als sie im Februar 2013 die Herausgabe des Kindes forderten. „Die Eltern wollten ihr Kind zurück. Das ist legitim“, sagt von Bracken. Auch Eltern in dieser Lage hätten nun mal ein Recht auf anwaltlichen Beistand. Es gebe Mandanten, denen er in solchen Fällen abrate. „Bei diesen Eltern hatte ich den Eindruck, dass sie es mit den nötigen Kontrollen und Hilfen hinkriegen können.“

Die kleine Yagmur befand sich zu dieser Zeit im Kinderschutzhaus, weil ein medizinisches Gutachten schwere Kopf- und Bauchverletzungen festgestellt hatte. Das Jugendamt Eimsbüttel sprach sich gegen den Antrag der Eltern aus und beantragte den Sorgerechtsentzug. Bei einem Gerichtstermin am 2. Mai einigte man sich auf einen dritten Weg: Die Eltern erklärten sich bereit, dem Jugendamt eine Vollmacht zu erteilen, die das Jugendamt für umfassende Kontrollmaßnahmen in der Familie ermächtigt. Seine Mandanten hätten dem zugestimmt und mit einem Schreiben ans Gericht die Vollmacht erteilt, sagt von Bracken. Nur habe das Jugendamt davon keinen Gebrauch gemacht.

Mit der Vollmacht hätte das Amt beispielsweise darauf bestehen können, dass täglich eine Familienhilfe bei Yagmur und ihren Eltern vorbeischaut, auch unangekündigt. Der Weg solch einer Vollmacht sei fachlich oft der bessere, sagt von Bracken. Die Wegnahme des Sorgerechts sei ein obrigkeitsstaatlicher Eingriff, die Vollmacht dagegen freiwillig. Auf dieser Basis gelinge Kinderschutz oft besser. Doch in diesem Fall ging es schief. Das mache ihn sehr traurig, sagte der Anwalt. Die Tragik sei, „dass das Jugendamt nicht mehr da war, weil die Zuständigkeit gewechselt hat“.

Wie berichtet, wurden zunächst die frühere Pflegemutter und die Eltern verdächtigt, das Kind verletzt zu haben. Das änderte sich, nachdem die Pflegemutter erklärte, sie habe das Kind geschüttelt. In den in der Stadt kursierenden Akten findet sich ein Brief aus der Von-Bracken-Kanzlei ans Gericht vom 10. Mai, dass damit nun feststehe, dass die Verletzungen nicht von den Eltern kommen. Die Bild schrieb von einem „fatalen Brief ans Gericht“, der für Yagmur der „erste Schritt ins Verderben“ war. Denn das Familiengericht habe sich dem angeschlossen.

Er sei nun mal der Elternanwalt und kein „objektiver Gesetzesvollzieher“ gewesen, sagt von Bracken. Er habe nicht, wie behauptet, die Herausgabe des Kindes als „zwingend“ bezeichnet. Der Brief sei ein Votum gewesen, das Kind an die Eltern zu geben, in Verbindung mit der zugestandenen Kontrolle. Rückblickend hätte er nachhaken können, ob mit der Selbstbezichtigung der Pflegemutter der Fall gelöst war.

Von Bracken nannte die Ausstattung der Jugendämter „erbärmlich“. Die Mitarbeiter machten einen schwierigen Job und müssten mehr Anerkennung bekommen. Er befürwortet die Idee einer Enquetekommission Jugendhilfe. „Als Experte wäre ich gern dabei.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

8 Kommentare

 / 
  • M
    Mike

    Unglaublich ,von Bracken benutzt immer wieder die Medien um sich als Kämpfer für Kinderrechte darzustellen.Ein Kind stirbt auch durch sein Versagen ,er sieht sich als Opfer und bringt sich gleichzeitig als berater einer Kommission ins Spiel.Pervers!!!Seit Jahren ist er ausserdem eng mit dem Geschäftsführer einer Jugendhilfeeinrichtung in Hamburg geschäftlich verbunden die mittlerweile Millionen umsetzt. Die Treberhilfe Berlin lässt grüssen.

    • @Mike:

      Moin Mike,



      zu wem hat oder hatte er denn Verbindungen? Und was ist daran verwerflich?

    • @Mike:

      Mit wem ist er denn geschäftlich verbunden?

  • C
    Childcare

    Ein Anwalt, der "Büro für Kinderrechte" sein eigen nennt, , sollte sich ernsthaft fragen, wessen Interessen er vertritt. Es sollte ihm verboten werden, solch einen Büronamen zu verwenden. Wenn er einen Fall übernimmt, dann hat er auch die Verantwortung zu besprechen/verfolgen, wer wann welche Schritte bei einer Rückführung in die Familie zu verantworten hat. Das war fahrlässig von ihm, wenn er seit Jahren weiß, dass Jugendämter überfordert sind, dann das Kind diesem System zu verantworten. Sorry, so ahnunsglos ist dieser mann nicht. Es ist der Hohn, wenn sich auch noch als Experte anbietet. Er hat was nicht begriffen.

  • 7G
    774 (Profil gelöscht)

    Wenn es nicht um Sex geht, klingelt es halt nicht bei den Jugendämtern.

  • P
    Punkt

    Ich kann es ehrlich gesagt nicht mehr hören. Und die taz beruft sich auch noch auf die BILD.

    Jeden Tag eine Familienhelferin vorbeizuschicken wäre erstens teuer gewesen und hätte zweitens auch nicht unbedingt genützt. Wer jeden Tag eine amtliche Hilfe braucht, dessen Kind ist im Heim wesentlich besser aufgehoben.

  • Jetzt fehlen nur noch die Richter/innen des Familiengerichtes, die uns ausschweifend prosaisch in einer Pressekonferenz inklusive Dackelblicks in die Kameraobjektive ihre Sicht der Dinge entschuldigen. Dann wären sie wohl alle beisammen, die üblichen Verdächtigen eines Skandals, der sich in Vergangenheit und Zukunft zu einer Summe von Skandalen hinzuaddiert, bis der Kälberstrick um den Hals des Volkes unerträglich drückt? Ich hoffe, dass die Hamburger/innen das denken, was ich denke: Ich glaube Euch gar nichts mehr. Und es ist noch gar nicht so lange her, da gab es einen anderen deutschen Staat und es waren solche kleinen Episoden im Leben eben solcher kleiner Leute, deren Summe am Ende zum Konkurs dieses deutschen Staates und seiner Eliten führte. Auch damals hörte man von Dresden bis Rostock: Denen glauben wir gar nichts mehr. Zu hoch gehängt? Besser, man hängt das Böse hoch, als dass es wieder Tritt faßt.

  • P
    Piet

    Wer sich ohne Not zum Komplizen

    von mörderischen Kindsfolterern macht,

    dem weht nun mal der Wind ins Gesicht.

    Herr von Bracken sollte aufhören,

    sich selbst leid zu tun.