: „Alle an einen Tisch“
PODIUMSDISKUSSION Nachdenken über Demokratie in Nahost und Lösungsansätze im Kurdenkonflikt
■ Diplomat, gebürtig in Bremen, stand von 1968 an im Dienst der UN, von 1988 an als Koordinator für humanitäre Fragen, bis er im Jahr 2000 aus Protest zurücktrat
taz: Es geht heute Abend um Demokratie im Nahen Osten, speziell den türkisch-kurdischen Konflikt: Das scheint doch völlig aussichtslos.
Hans-Christoph von Sponeck: Ich habe vier Jahre in der Türkei meinen Dienst getan und kenne das Problem. Türkische Politiker sagen heute immer noch: Minoritätenprobleme gibt es gar nicht in der Türkei! Der gegenwärtige Premierminister hat versucht, etwas zu ändern, nun hat er die kurdische Partei wieder verboten. Die Chancen für eine Lösung sind gering.
Europa hat viele der Konflikte in Nahost mitverursacht. Sind wir dadurch nicht der falsche Ratgeber für Lösungen?
Das wäre traurig, wenn Europa sich zurückziehen würde. Andere werden das nicht tun. Das, was nötig wäre, klingt so blauäugig: Alle Protagonisten der Region müssen an einen Tisch. Man kann nicht Leute ausschließen mit dem Argument, sie unterstützten Terroristen. Die PLO und Fatah waren auch mal terroristische Organisationen. Man muss alle Widerstandsgruppen einladen, dazu gehören Hamas und Hisbollah, auch die PKK oder der irakische Widerstand. Man muss sie einbeziehen. Nach dem Völkerrecht ist Widerstand erlaubt.
Wie könnte eine Friedensregelung gelingen?
Schwierige Frage. Jedenfalls nicht, solange militärisch um Dominanz gerungen wird. Viele Grenzen sind dort geschaffen worden, die von den örtlichen Stämmen nie akzeptiert wurden. Ein Schlüsselwort ist „Vertrauen“: Niemand vertraut dem anderen.
Warum führen die USA im Irak den Krieg?
Da gibt es viele Faktoren, das Interesse an der Kontrolle von Energiequellen ist sicher ein Grund. Ein anderer ist die Sorge um die amerikanische Hegemonie. Die Amerikaner brauchten damals eine neue Basis, die Saudis wollten die Präsenz auf ihrem Territorium reduzieren. Das Gerede von der großen Gefahr damals war dummes Zeug. Der Irak war abgerüstet – und die Geheimdienste wussten das sehr genau.
Was würde dort passieren, wenn sich die USA jetzt zurückzögen?
Die USA haben sich völkerrechtswidrig verhalten, als sie 2003 einmarschiert sind. Jetzt sind sie aber da. Wenn sie einfach so gehen würden, könnte sich die lokale Situation weiter verschlimmern.
Könnte die UN eine Rolle spielen oder ist sie zu schwach?
Die Uno kann immer nur dann eine Rolle spielen, wenn man sie eine Rolle spielen lassen will.
INTERVIEW: KAWE
Konsul Hackfeld-Haus, 19 Uhr
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