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Urteil in Rheinland-PfalzWahlzettel ohne Frauenquote

Damit mehr Frauen in Kommunalparlamente gewählt werden, wollte Rot-Grün die Stimmzettel gendern. Das Landesverfassungsgericht ist dagegen.

Jetzt, wo wieder über Quoten berichtet wird, werden die Schuhfotos wieder rausgeholt. Bild: dpa

BERLIN taz | Bei der rheinland-pfälzischen Kommunalwahl Ende Mai wird es keine Gender-Daten auf dem Stimmzettel geben. Das rheinland-pfälzische Verfassungsgericht hat in einer Eilentscheidung die entsprechenden Änderungen des Kommunalwahlgesetzes ausgesetzt.

Die rot-grüne Landesregierung hatte 2013 das Kommunalwahlgesetz ergänzt. Auf den Stimmzetteln sollte nun der Satz „Männer und Frauen sind gleichberechtigt“ stehen. Daneben sollten die Anteile der Geschlechter im jeweiligen Gemeinde- oder Stadtrat und der Geschlechteranteil der Kandidatenlisten angegeben werden. In den Kommunalparlamenten in Rheinland-Pfalz sind im Moment nur 16,8 Prozent der Abgeordneten weiblich. Die Regierung erhoffte sich, durch den Aufdruck den Anteil der Frauen zu erhöhen.

Das Gericht aber fand, dass damit der „Grundsatz der Freiheit der Wahl“ verletzt würde. Das Grundgesetz verleihe dem Wähler das Recht „im Zeitpunkt der Stimmabgabe in der Wahlkabine ’in Ruhe gelassen zu werden‘“, heißt es in der Pressemittleilung des Gerichts. Bei der Wahl solle sich die Willensbildung vom Volk zu den Staatsorganen hin vollziehen, nicht umgekehrt, erklärt das Gericht. Die sonst übliche und notwendige wechselseitige Verschränkung der staatlichen und gesellschaftlichen Willensbildungsprozesse gelte für den Moment der Stimmabgabe in der Wahlkabine nicht.

Damit scheiterte der Versuch der rot-grüne Landesregierung, per Wahlgesetz Gleichstellungspolitik zu betreiben. SPD-Fraktionschef Hendrik Hering hatte erklärt, dies ausprobieren zu wollen, weil ein Gesetz, das wie in Frankreich einen Mindestanteil von Frauen in den Parlamenten vorschreibe, in Deutschland verfassungsrechtlich nicht möglich sei. „Wir wissen, dass wir damit deutschlandweit Neuland betreten“, hatte er erklärt.

Spott der Opposition

Drei Einzelkläger sowie die Piraten hatten dagegen Verfassungsklage erhoben. Die Landesregierung selbst beschloss, ihr Gesetz per Normenkontrollklage dem Verfassungsgericht vorzulegen, um Rechtssicherheit zu schaffen. „Ich bin auch der Meinung, dass man nicht das Risiko eingehen kann, dass am Ende die Wahlen aufgehoben werden“, hatte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) erklärt. Das sorgte für Spott bei der Opposition. So sagte CDU-Fraktionschefin Julia Klöckner: „Rot-Grün hat das Feuer gelegt und will dafür das Feuerwehrabzeichen haben.“

„De facto versprechen sich vor allem die Grünen Vorteile dieser Stimmzettelgestaltung“, hatte der Piraten-Landesvorsitzende Heiko Müller argumentiert. Ihre Partei sieht noch ein anderes Problem: Es würden auch Menschen diskriminiert, die sich nicht in den Rollen Mann und Frau einordnen lassen wollten. AZ: VGH A 15/14 und VGH A 17/14

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9 Kommentare

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  • Die Begründung ist scheinheilig, so wie bei den meisten Entscheidungen von Juristen - haben sie doch gar keine Kompetenz auf dem Gebiet der Ethik oder Politischen Philosophie!

     

    Vermutlich ist der franz. Weg am besten, einfach festzulegen, dass alle Menschengruppen im Parlament vertreten sein müssen.

     

    Der rheinländisch-pfälzische Weg wäre aber sicherlich auch eine Möglichkeit den Wähler zu einer vernünftigen Stimmabgabe zu motivieren. Insofern wäre diese Lösung weniger elegant, dafür aber auch durchaus sinnvoll gewesen.

    • @Reh89:

      Für Sie scheint Demokratie auch nur so weit zu gehen, wie die Ideologie es zulässt. Tatsächlich - und da hat das Gericht vollkommen Recht - ist die Wahl der eine Moment, wo AUSSCHLIEßLICH der Wähler dem Staat sagt, was er gerne haben möchte und was nicht, und nicht andersherum. Da kann die Einstellung, die der Staat vielleicht gerne vermitteln möchte, so "richtig" sein, wie sie nur will. Am Wahltag hat er zuzuhören und nicht zu predigen.

  • Zitat

    ....

    Das Gericht aber fand, dass damit der „Grundsatz der Freiheit der Wahl“ verletzt würde.

    ....

     

    Die Freiheit der Wahl wurde zuletzt in den 1930er Jahren verletzt. Ein echtes Armutszeugnis für die ideologieverseuchten rotgrünen Parteien! Frauen brauchen keine Stützräder in der Politik, als ob sie kleine Kinder wären! Bin von dieser Art des Vormundschafts-Feminismus ziemlich genervt.

    • C
      cosmopol
      @Barbara Niem:

      Oha, welche Partei ist denn eigentlich nicht "ideologieverseucht"? Ist Ideologie irgendeiner Art nicht so eine Art Grundlage von Parteipolitik? Empfindest du dich als "ideologiefrei"? Oder kannst du vielleicht einfach nur nicht benennen welche Ideologien du dir so ins Hirn trichterst?

  • >> Das Gericht aber fand, dass damit der „Grundsatz der Freiheit der Wahl“ verletzt würde.

  • "Damit scheiterte der Versuch der rot-grüne Landesregierung, per Wahlgesetz Gleichstellungspolitik zu betreiben"

     

    Frau Oestreich, GleichSTELLUNGSpolitik ist nicht die Aufgabe des Gesetzgebers. Vielmehr hat er für Gleichberechtigung zu sorgen, nach Art. 3GG. Nicht mehr und nicht weniger. Gleichstellung bedeutet das Gegenteil von Gleichberechtigung, weil es für Ergebnisgleichheit statt für Chancengleichheit steht.

  • D
    D.J.

    Tja, und als nächstes die Idee, auf Wahlzettel zu schreiben "Niemand darf wegen seines Alters diskriminiert werden" und den Altersdurchschnitt im Gemeinderat angeben. Nur als eines von vielen parallelen Beispielen, die mir sofort einfielen. Nein, das Unmögliche ist hier, dass sozusagen durch den Aufdruck des Verfassungsartikels nur eine mögliche Interpretion dessen propagiert wird, nämlich dass unterhalb einer bestimmten Quote Diskriminierung und damit Verfassungsbruch stattfinde. Mehr noch: Dem/der "Nicht-Frau-Wähler/in" wird suggeriert, dass er/sie selbst Verfassungsfeind/in wäre.

    Gut gemeint statt gut gemacht - bei den Grünen nicht verwunderlich. Mich wundert nur, dass die SPD das mitgemacht hat.

  • A
    ama.dablam

    Hoho, da freuen sich die Jura-Lehrstühle an den Unis, wieder ein Schulfall für die nächste öffentlich-rechtliche Anfänger-Hausarbeit.

     

    Extrem peinlicher verfassungsrechtlicher Offenbarungseid der Landesregierung...

     

    Wie wäre es beim nächsten Mal, mit dem Hinweis auf den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit der Verwaltung - Art. 114 II GG - sich die Wahlzettel von Burger King bezahlen zu lassen und dafür mit Abreißkupons für Burger zu verschönern?

  • Mal wieder typisch CDU, immerhin hatte die Landesregierung hier die Eier(stöcke) ihr Experiment an der Realität auszuprobieren, bevor Schaden angerichtet wurde.

    Daran sollte sich die gesamte CDU ein Beispiel nehmen!