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Zum Tode Karlheinz DeschnersAbrechnung auf 5.820 Seiten

Karlheinz Deschner war über Jahrzehnte die Stimme der religionskritischen Vernunft in Deutschland. Nun ist er gestorben.

Nicht Deschners Welt: Würdenträger der katholischen Kirche Bild: dpa

Die herrschende Politik und die gesellschaftlichen Verhältnisse verlangten eigentlich danach, „dass man jeden Tag und jede Stunde auf die Barrikaden springen müsste, um etwas zu verändern“, sagte Karlheinz Deschner einmal. Doch seine Aufgabe als Schriftsteller sei es „eben nicht, auf die Barrikaden zu springen, sondern zu schreiben“.

Als Stimme der religionskritischen Vernunft prangerte er unermüdlich die Institution Kirche an, deren moralischen Anspruch er in seinem umfangreichen Werk radikal in Frage gestellt hat.

Geboren wurde Karl Heinrich Leopold Deschner am 23. Mai 1924 in Bamberg. Als ältestes von drei Kindern wuchs er in einem gottesfürchtigen Elternhaus auf. Sein katholischer Vater und seine vom Protestantismus zum Katholizismus konvertierte Mutter schickten ihn nach der Grundschule zunächst in ein Franziskanerseminar, dann als Internatsschüler zu den Karmelitern und den Englischen Fräulein. Wie die gesamte Klasse meldete er sich nach der Reifeprüfung 1942 als Kriegsfreiwilliger. Seine Erlebnisse im Krieg ließen ihn zum überzeugten Pazifisten werden.

Nach dem Ende der Nazi-Zeit studierte Deschner an der Uni München Forstwissenschaften, dann in Bamberg und Würzburg Literaturwissenschaft, Philosophie und Geschichte. 1951 schloss er sein Studium mit einer Dissertation zum Dr. phil ab. Im selben Jahr heiratete er seine Lebensgefährtin, die geschiedene Elfi Tuch. Was das Ende seiner Zugehörigkeit zur katholischen Kirche bedeutete. Denn Deschner heiratete eine Geschiedene – ein Sakrileg, das der seinerzeitige Bischof von Würzburg mit der Exkommunikation der beiden ahndete.

„Kriminalgeschichte des Christentums“

Nachdem Deschner in der zweiten Hälfte der fünfziger Jahre zwei Romane und die vielbeachtete literarische Streitschrift „Kitsch, Konvention und Kunst“ veröffentlicht hatte, erschien 1962 sein Buch „Abermals krähte der Hahn“. Unter dem biblischen Titel setzte er sich auf 700 Seiten erstmals kritisch mit der Kirchenhistorie auseinander – und landete einen Bestseller. Er hatte sein Lebensthema gefunden.

Mit dem Rowohlt-Verlag vereinbarte Deschner 1970 die „Kriminalgeschichte des Christentums“. „Ich möchte das Werk zu einer der größten Anklagen machen, die je ein Mensch gegen die Geschichte des Menschen erhoben hat“, schrieb er in seinem Exposé. Das ist ihm gelungen. Jahrelang an der Armutsgrenze balancierend, tippte er sich unermüdlich auf seiner Olympia-Schreibmaschine seine Wut über die Verlogenheit des Christentums vom Leib. Ursprünglich als einzelnes 350-Seiten Buch geplant, entstand eine 5.820 Seiten starke Generalabrechnung mit der „Religion der Nächstenliebe“. Der letzte der 10 Bände erschien im vergangenen Jahr.

„Oft, wenn ich aus Dschungeln von Papier und Lüge, dem ganzen Wust und Wahnsinn heiliger Scheußlichkeiten, kurz nur, gehetzt durch Geldnot, Arbeitswut, in die Luft der Täler, Höhen, die grüne Freiheit draußen tauchte, kam ich mir wie ein Verrückter vor“, hat der unermüdliche Streiter einmal geschrieben. „So verging meine Zeit, die auf Erden mir gegeben war.“ Mit 89 Jahren starb Karlheinz Deschner am Dienstagmorgen um 8 Uhr in seiner Heimatstadt Haßfurt.

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11 Kommentare

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  • 6G
    688 (Profil gelöscht)

    Hat er denn auch geschrieben wie Religion / Christentum wirklich-wahrhaftig verstanden werden muß - oder hat er sich am Kommunikationsmüll des geistigen Stillstandes auch nur "individualbewußt"-gütlich gehalten, wie alle Surfer auf dem Zeitgeist???

    • 6G
      688 (Profil gelöscht)
      @688 (Profil gelöscht):

      Luther war auch nur ein zeitgeistlicher Spalter, zu Diensten für seinen Kurfürsten!

  • Dank und Anerkennung der taz

     

    Unsere kirchennahen Tageszeitungen Frankfurter Allgemeine und (Berliner) Tagesspiegel konnten sich in ihren heutigen Nachrufen zu einer ehrlichen Würdigung des Schaffens dieses um Aufklärung und historische Wahrheit bis zur Selbstaufgabe bemühten Karlheinz Deschner nicht aufraffen. Religionskritik ist eben – das ist nichts Neues – nach wie vor ein Tabu in unserer bürgerlichen Presse. Insofern Dank und Anerkennung der taz für diese, wenn auch knappe, Würdigung.

     

    Einen objektiven, wenn auch knappen Bericht über das Schaffen von Karlheinz Deschner veröffentlichte gestern (10.4.14) – man höre und staune – das Nachrichtenportal evangelisch.de :

     

    http://aktuell.evangelisch.de/artikel/93792/kirchenkritiker-karlheinz-deschner-gestorben

  • 5820 Seiten ! Da muß der Mann doch zweifellos eine Menge Quellen ausgegraben , gesichtet und bewertet haben .

    Und was die Wissenschaftlichkeit der jeweils "herrschenden" Geschichtswissenschaft angeht , Prof. D.J. , ist das wohl ein wissenschaftliches Thema für sich .

  • D
    D.J.

    Deschner hat teils eine gute Aufklärungsarbeit geleistet. Dennoch habe ich meinen Studis stets erklärt, dass er nicht zitierfähig ist. Soweit ich sehe, ist dies auch weitgehender Konsens unter Historikern (wer das anders sieht, mag mir widerprechen). Seine Auswahl ist so von persönlichem Zorn geprägt, dass sie durch und durch einseitig ist. So bringt er es z.B. fertig, in Abhandlungen zut Kath. Kirche und dem Nationalsozialismus bestimmte nicht passende Dinge völlig auszuklammern (z.B. gegen die Nazi-Ideologie gerichtete Enzykliken). Die Erinnerung gilt also einem engagierten Religionskritiker, doch keinem wissenschaftlich Arbeitenden.

    • 6G
      688 (Profil gelöscht)
      @D.J.:

      Wissenschaft und Religion, wenn man GLAUBT das geht wirklich zusammen, dann ist das doch echt schizophren, zumal der geistige Stillstand und die systembedingte Unwahrheit offensichtlich sind ;-)

    • @D.J.:

      "Dennoch habe ich meinen Studis stets erklärt, dass er nicht zitierfähig ist. "

      Tja , da konnten Ihre Studis ja ziemlich gefahrlos bei Deschner abkupfern , was ihnen für ihre Arbeiten brauchbar erschien . Anders als die ehemalige Wissenschaftsministerin , die zu ihrem Pech nur bei "zitierfähigen" Autoren geklaut hatte .

    • @D.J.:

      D.J., Ihr Argument ist wenig überzeugend. Deschner hat eine »Kriminalgeschichte« des Christentums, keine »Geschichte« des Christentums geschrieben. Ein Gerichtsreporter, der über die Untaten eines Angeklagten berichtet, schreibt nicht gleichzeitig auch über dessen – möglicherweise – guten Taten.(www.uwelehnert.de)

  • Ich habe nie was davon gelesen, aber

    Herr Deschner muss ein wahrhaft religiöser Mensch sein. Nur so kann ich mir erklären, dass er sein Leben dieser Sache widmetet und sich über 5000 Seiten mit dem Christentum auseinandersetzte.

  • DANKE ,

     

    Karlheinz Deschner !!

  • Karlheinz Deschner hat wichtige Beiträge zur Aufklärung geleistet. Danke.