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Wüstenstrom-InitiativeDesertec immer weniger deutsch

Auch der Baukonzern Bilfinger hat kein Interesse mehr an dem Desertec-Projekt. Das sollte sauberen Strom aus Nordafrika nach Europa bringen.

Immer noch nur eine Vision: Sauberer Strom aus dem Ödland – hier die Negev-Wüste in Israel Bild: ap

BERLIN taz | Zuletzt der Energiekonzern Eon und die HSH Nordbank, jetzt der Baukonzern Bilfinger: Immer mehr deutsche Firmen ziehen sich aus der Industrie-Initiative DII zurück. Unter dem Namen Desertec war das Konsortium im Jahr 2009 unter großem medialen Brimborium mit der Idee gestartet, in großem Stil Strom aus erneuerbaren Energien in Nordafrika und dem Mittleren Osten zu produzieren, den sogenannten Mena-Staaten. Bis 2050, so damals die Hochrechnung, könnte die EU ein Viertel ihres Stroms aus riesigen Sonnen- und Windkraftwerken in der Wüste importieren.

Ist das Vorhaben nun gescheitert? Davon könne keine Rede sein, sagt ein Sprecher. Bereits jetzt hätten zehn Unternehmen aus Asien und dem arabischen Raum Interesse, einzusteigen – die Initiative wird also weniger deutsch, ist aber nicht am Ende.

Bilfinger selbst sei aus dem Projekt ausgestiegen, weil „sich die DII von einer Industrie-Initiative, die konkrete Projekte umsetzen will, zu einer verbandsähnlichen Interessenvertretung entwickelt hat“, zitiert das Handelsblatt einen Sprecher. Dabei handle es sich wohl um ein Missverständnis, so der DII-Sprecher. „Wir sind nicht gestartet, um als eine Art Kartell Projekte in Nordafrika unter uns aufzuteilen“, sagt er. Von Beginn an sei die DII als Wissensplattform konzipiert gewesen, die bei Planung und Vernetzung hilft.

Eine Plattform, kein Kartell

Mittlerweile werden erneuerbare Energien auch in Nordafrika und Ländern wie Saudi-Arabien oder den Vereinigten Arabischen Emiraten ausgebaut. Marokko erlebt dank der Atlantikküste einen Windkraftboom. Aktuell sind in den Mena-Staaten Wind- und Solaranlagen mit einer Leistung von 1,6 Gigawatt am Netz, bis 2020 sind 50 Gigawatt in Planung – unklar ist, was verwirklicht wird. Allein Deutschland hat bereits heute über 80 Gigawatt erneuerbare Energien.

Egal, wie der Ausbau in den Mena-Staaten weitergeht – eines wird es nicht geben: ein Desertec-Kraftwerk. Denn tatsächlich gibt es kein solches Konsortium, das selbst Kraftwerke plant oder baut. Die DII ist nicht viel mehr als ein Planungsbüro in München mit Außenstellen. Unternehmen, die sich beteiligen, zahlen je nach Status 130.000 oder 75.000 Euro im Jahr an Beiträgen.

Davon werden beispielsweise Regierungen in Nordafrika beraten, die ansschließend Solar- oder Windkraftwerke ausschreiben – natürlich auch für Firmen, die nicht zur DII gehören. Neben der DII verfolgt auch die Desertec Foundation das Ziel, erneuerbare Energien in Nordafrika und dem Mittleren Osten auszubauen. Beide Organisationen sind derselben Initiative entwachsen, inzwischen aber voneinander unabhängig.

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