piwik no script img

Kommentar ÄrztemangelLeidtragende sind die Patienten

Matthias Lohre
Kommentar von Matthias Lohre

Falsch verteilte Gelder, egoistische Kommunen, zu hohe Honorare. Es gibt nicht zu wenig Ärzte. Aber die Verantwortlichen blockieren sich gegenseitig.

Volle Wartezimmer: auf dem Land ein bekanntes Bild Bild: dpa

E s gibt nicht zu wenige Ärzte in Deutschland. Es gibt sogar mehr denn je. Aber sie erhalten die falschen Anreize, und die Verantwortlichen tun dagegen zu wenig.

Dass in Orten wie Hoyerswerda ausländische Ärzte die medizinische Versorgung sichern, erscheint wie eine willkommene Ironie: Gerade der demografische Wandel verschafft schrumpfenden Städten hochqualifizierte Einwanderer. Doch damit wird Deutschlands Strukturproblem nicht gelöst, nur verlagert. Osteuropa verliert eine ganze Generation gut ausgebildeter Mediziner.

Hierzulande arbeiten fast 31.000 ausländische Mediziner – mehr als doppelt so viel wie vor zehn Jahren. Insgesamt gibt es 360.000 Ärzte – ein Zuwachs von rund 50.000. Trotzdem beklagt die Bundesärztekammer einen „Ärztemangel“. Verantwortlich sei eine alternde Bevölkerung, die immer mehr und komplexere Medizindienstleistungen verlange. Mehr Mediziner wünschten sich eine Teilzeitstelle, gleichzeitig gingen viele Ärzte in Ruhestand.

Das alles ist schon richtig. Aber das sind nicht die wichtigsten Ursachen für den Ärztemangel in der Eifel, im Bayerischen Wald, in Sachsen und Brandenburg. Verantwortlich ist auch ein schäbiger Machtkampf. Bundesärztekammer, Kassenärztliche Vereinigungen, Bundesländer und Kommunen blockieren sich wechselseitig.

Da sind die niedergelassenen Mediziner. Ihre Lobbyvertreter erstreiten ihnen seit Jahren weit überdurchschnittliche Honorarzuwächse. Doch lenken Bundesärztekammer und Kassenärztliche Vereinigungen das Geld nicht an die richtige Stelle: in ländliche und ärmere Gegenden, in denen viele Hausärzte vergeblich Nachfolger suchen. Deren Zahl sinkt.

Es herrscht Stillstand

Da sind die Kommunen. Viele von ihnen beharren auf „ihrer“ Klinik, auch wenn diese unrentabel und nicht auf dem neuesten Stand ist. Zu selten helfen sie bei der Gründung medizinischer Versorgungszentren oder Gemeinschaftspraxen. Dabei können darin Mediziner auch in Teilzeit arbeiten.

Und da sind die Bundesländer. Zu selten nutzen sie die Möglichkeit, Mediziner durch Stipendien oder günstige Darlehen dazu zu verpflichten, nach dem Studium mehrere Jahre auf dem Land zu arbeiten.

Stattdessen herrscht nur Stillstand. Leidtragende sind die Patienten und das Gesundheitssystem, das sie finanzieren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Matthias Lohre
Schriftsteller & Buchautor
Schriftsteller, Buchautor & Journalist. Von 2005 bis 2014 war er Politik-Redakteur und Kolumnist der taz. Sein autobiographisches Sachbuch "Das Erbe der Kriegsenkel" wurde zum Bestseller. Auch der Nachfolger "Das Opfer ist der neue Held" behandelt die Folgen unverstandener Traumata. Lohres Romandebüt "Der kühnste Plan seit Menschengedenken" wird von der Kritik gefeiert.
Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • Die Ursache ist, dass die Arbeit erst nach Praxisende anfängt:

    Sich vor der Krankenkasse rechtfertigen, warum man höhere Ausgaben (Medikamente etc) hat als die Kollegen usw.

    Dann der Bereitschaftsdienst, jeder Clown kann anrufen, anstatt dass die Patienten sich direkt an die Notaufnahme des Krankenhauses wenden. Nee danke.

  • Der "Ärztemangel" liegt auch daran, das wir oft die falschen jungen Menschen an die med. Hochschulen lassen und die die wirklich in der Medizin eine Zukunft sehen und dazu bereit sind, mehr zu investieren auf Grund der Abi-Noten aussortieren. Dabei ist bewiesen das der NC mehr schadet und Zugangstests, wie in anderen Ländern, viel effektiver sind.

     

    Auch stellen wir uns selber in den Weg, das hier die Gesundheit Ländersache ist und auch Bundesgesetze unterschiedlich angewendet werden und es z.B. deutschen Absolventen, die im (EU)-Ausland studiert haben, z.B. der direkte Zugang zum dt. Staatsexamen verwehrt wird und es auch keine zentrale Anlaufstelle gibt.

     

    Auch sind die fehlenden und ungleich verteilten finanziellen Mittel ungleich verteilt und es fehlen auch die klaren Anreize für junge Ärzte auf das Land zu gehen.

     

    Aber auch von Seiten der Bevölkerung wird kein wirklicher Druck ausgeübt.

     

    Eine Bürgerversicherung ist sicherlich auch der falsche Weg.