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Protest gegen SchlachthofTiertransporte bleiben draußen

Fünf Stunden haben AktivistInnen am Montag die Zufahrt zum Schlachthof im niedersächsischen Wietze blockiert.

Ganz schöner Aufwand: Festgekettet an einen Laster und ein Auto blockieren TierschützerInnen den Schlachthof Wietze. Bild: Bündnis für Tierbefreiung

HAMBURG taz | Fast fünf Stunden lang ging am Montagmorgen an einem der größten Geflügelschlachthöfe Europas nichts mehr. Kein Lastwagen konnte das riesige Gelände hinter den viereinhalb Meter hohen Zäunen gleich am Wietzer Ortsausgang verlassen – und reinfahren konnte auch niemand. Rund 25 Tierschutzaktivisten hatten die Zufahrten zum Gelände der „Celler Land Frischgeflügel“ der Rothkötter Unternehmensgruppe blockiert.

Um 5.40 Uhr in der Früh ging bei der Polizei in Celle die Meldung von der Blockade der Zufahrtswege ein. Es gab eine Sitzblockade. Zwei Personen hatten sich mit ihren Armen an ein Betonfass gekettet, zwei weitere Frauen waren an einen Betonklotz in einem Auto festgemacht und ein 45-Jähriger hatte sich in einem Lastwagen angekettet, der die Hauptzufahrtsstraße versperrte. Der Verkehr wurde zwischenzeitlich umgeleitet.

Der Protest war Teil der europaweiten globalisierungskritischen „Blockupy Aktionstage“ für eine solidarische Gesellschaft und richtete sich gegen den 2011 in Betrieb gegangenen Mega-Schlachthof. Wietzes Bürgermeister Wolfgang Klußmann (CDU) hatte den Schlachthof beim Bekanntwerden der Pläne 2009 einen „Glücksfall“ genannt, der für die Region „mehr Kaufkraft, mehr Gewerbesteuern, weniger Abwanderung“ bedeute.

Das sehen die AktivistInnen vom Bündnis für Tierbefreiung anders. Auf ihren Transparenten stand gestern „Umweltzerstörung und Tierausbeutung unmöglich machen“ oder „Rohkötter macht mit: Zerstörung von Mensch, Tier und Natur im Akkord!“. Zeitgleich blockierte die Gruppe „Mastanlagen Widerstand“ einen Schlachthof der Wiesenhof-Gruppe im sachsen-anhaltinischen Möckern.

"Erfolgreich gestört"

Chris Müller vom Bündnis für Tierbefreiung in Wietze wertete die Aktion als Erfolg. Denn erst um 10.20 Uhr konnte der 45-jährige Mann aus dem Lastwagen „gelöst“ werden, wie ein Sprecher der Polizei sagte, und die Tiertransporte konnten wieder aufs Gelände rollen. Als die Zufahrtsstraße wieder frei war, rauschten laut Müller sofort acht Tiertransporter aufs Gelände. „Das zeigt ja, dass wir den Schlachthofbetrieb erfolgreich gestört haben“, sagte Müller.

Um 12.30 Uhr waren alle Blockaden aufgelöst. Verletzt wurde niemand, auch wenn die zwei AktivistInnen, die sich an das Fass gekettet hatte, von einem Kran samt Fass von der Straße gehoben wurden. „Irritierend“, nannte eine Aktivistin diese Art, die Zufahrt frei zu räumen. Festgenommen wurde niemand, es gab lediglich Platzverweise. Die Polizei sprach von einer insgesamt friedlichen Aktion. Die Betreiber des Schlachthofes wollten sich nicht zu dem Protest und den Auswirkungen auf den laufenden Betrieb äußern.

Kein Spitzel mehr

Ein Erfolg war die Blockadeaktion für die TierschützerInnen auch deswegen, weil sie überhaupt stattfinden konnte, ohne schon in der Planungsphase von einem Polizeispitzel in den eigenen Reihen verraten worden zu sein. Hinter dem Scheibenwischer eines Autos, das später von Polizisten beiseite geschoben wurde, klemmte dann auch ein Pappschild, auf dem geschrieben stand: „Ohne Ralf G. habt ihr keine Chance.“

Ralf G. war als sogenannter V-Mann des Landeskriminalamtes (LKA) im Januar aufgeflogen. Tierschützer in Braunschweig hatten den Mann enttarnt, der über ein Jahr lang in der Tierschützer-Gruppe aktiv war, die seit Jahren mit Flugblatt und Blockadeaktionen gegen die Mast und Schlachtindustrie kämpft. Und G. war nicht nur ein passives Mitglied, sondern hatte Fahrdienste angeboten und Tipps gegeben, wie man etwa Lastwagen lahmlegen oder Maststall-Baustellen flutet könne.

„Viele Aktionen wurden durch ihn verhindert“, sagte Müller. Jetzt könne man endlich wieder arbeiten. Aber der Fall G. zeige, dass das Thema V-Leute „auch bei den eher rechtsstaatsgläubigen Gruppen präsent sein sollte“, sagte Müller. Denn es könne jederzeit und in jede Gruppe ein Spitzel geschleust werden.

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1 Kommentar

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  • Sollten die Beamten, die des öfteren mit genau jenen Tieren verwechselt werden, die dort zur Schlachtbank geführt werden, sich nicht solidarisch zeigen?