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Friedensbemühungen in NahostKerry versucht's

Israel und Hamas bleiben hart, ein Waffenstillstand ist nicht in Sicht. US-Außenminister Kerry reist nach Kairo und versucht zu vermitteln.

Nahe der Grenze zu Gaza: israelischer Soldat vor Artilleriegeschossen Bild: dpa

JERUSALEM taz | Schockiert über die dramatisch steigende Zahl der Opfer im Konflikt zwischen Israel und Gaza, hat sich US-Außenminister John Kerry am Montag spontan für einen neuen Vermittlungsversuch entschieden und ist nach Kairo gereist.

Zuvor zeigte er Verständnis für Israels Sicherheitsbedürfnisse. Vor einem versehentlich nicht abgeschalteten Mikrofon äußerte er sich aber auch ironisch über die „punktgenauen Angriffe“ der israelischen Armee, von denen ihm offenbar zuvor Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu berichtet hatte.

Trotz der Verluste an Menschenleben im Gazastreifen und aufseiten des Militärs beharrten Israel und die Hamas unverändert auf ihren Bedingungen für einen Waffenstillstand. Die palästinensischen Islamisten forderten, dass der Hafen und der Grenzübergang Rafah in Richtung Ägypten geöffnet werden.

Daraufhin erklärte Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu, auf die Forderungen der Hamas einzugehen, käme einem „verheerenden Schlag für Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und der gesamten Region“ gleich. Begründung: Andere Terrorgruppen könnten sich ermutigt fühlen, „wenn sie sehen, dass dieses verbrecherische Verhalten belohnt wird“.

Die Fäden der Vermittlungsbemühungen laufen in Kairo zusammen. Der einzige international breit unterstützte Entwurf für einen Waffenstillstand von letztem Dienstag geht auf eine ägyptische Initiative zurück. Problematisch ist, dass die Regierung dort nur bedingt mit der Hamas redet. Mussa Abu Marsuk, die Nummer zwei des Hamas-Politbüros im Exil, lebt zwar in Kairo, erfuhr von dem Waffenstillstandsentwurf aber erst aus der Presse.

Die Opfer dürfen nicht umsonst gewesen sein

Die Hamas empfindet den ägyptischen Vorschlag, der sich an dem im November 2012 getroffenen Waffenstillstandsabkommen orientiert, als einseitig und würde die Türkei oder Katar als Vermittler vorziehen. Eine Rückkehr zu den Zuständen vor den kriegerischen Auseinandersetzungen wäre ein karges Ergebnis für die Islamisten in Gaza. Die vielen Opfer dürfen nicht umsonst gewesen sein, wenn die Hamas politisch profitieren will.

Auch zwischen Kairo, Ankara und Doha ist die Atmosphäre seit dem Sturz der ägyptischen Muslimbrüder unterkühlt. Dass die drei Staaten infolge des Gazakrieges doch wieder miteinander kommunizieren, führt Yoram Meital vom Institut für Nahoststudien und Diplomatie an der Ben-Gurion-Universität in Beerschewa auf „die schrecklichen Bilder von zivilen Opfern“ zurück. Alle drei Parteien „werden versuchen, die Krise zu beenden und gleichzeitig ihre eigenen Interessen zu schützen“. Katar hatte jüngst Finanzhilfen zur Verfügung gestellt, um die Gehälter der Mitarbeiter im öffentlichen Dienst der Hamas zu begleichen. Für Kairo, so Meital, komme eine offene Grenze in Rafah nur infrage, wenn die Kontrolle auf palästinensischer Seite erneut von der Präsidentschaftsgarde der Fatah übernommen werde.

„Seit dem ersten Tag der Krise drängen wir auf ein Ende der Aggression“, sagt Mohammed Shtayyeh, ein Berater des Präsidenten und ehemals Friedensdelegierter. Das Argument Netanjahus, er könne, um Abbas zu schützen, die Forderungen der Hamas nicht erfüllen, nennt Shtayyeh absurd. „Netanjahu ist nicht unser Beschützer“, meint er. „Wir fordern das sofortige Ende des Krieges und der Gazablockade.“

Anstatt einer Einigung von Hamas und Fatah im Wege zu stehen, die „die einzige Chance für den Gazastreifen ist“, solle Netanjahu die palästinensische Regierung der nationalen Einheit ungehindert gewähren lassen.

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21 Kommentare

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  • Ziel eines Friedens muss sein, dass er auf Dauer angelegt ist und nicht nach zwei, drei Monaten wieder gebrochen wird.

     

    Kernforderung der Hamas ist, dass sie unkontrolliert Waffen in den Gazastreifen einführen kann. Glaubt jemand im Ernst, dass daraus ein haltbarer Frieden erwächst?

     

    Die Grenzkontrolle ist solange notwendig, wie das Hamas-Regime und die anderen Terror-Truppen ihren Nachbarn angreifen.

     

    Lieber jetzt zwei Wochen länger offen Krieg führen bis zur Niederlage der Hamas und anschließend ein echter Frieden, als ein Low-Level-Warfare, der die Menschen in Gaza und Israel auf Jahrzehnte hinaus in Angst leben lässt.

    • @Oma Kruse:

      Gern können Sie diese Kernforderung mit Quellen belegen. Die Forderung von Hamas sind öffentlich, googlen Sie mal, statt hier zu lügen.

      • @Toyak Yakot:

        Die von Oma Krause dargelegte Kernforderung ist so offensichtlich wie die Waffenimporttunnel der Hamas verborgen sind.

    • @Oma Kruse:

      Derzeit läuft es auf "friss oder stirb" hinaus. Der Gaza-Bevölkerung muß eine dritte Alternative gezeigt werden: gebt den Frauen von Gaza viel Geld, wenn sie ihre Männer dazu bringen, alle Waffen am Hafen bei der UNO abzugeben und sich zu Hause brav aufs Sofa zu setzen. Die Männer müssen ausgeschaltet werden, denn Machismo, Waffenfetischismus und Korruption wachsen nur auf männlichem Mist.

      • @Handschweiß:

        Interessant ist, dass fast wortgleicher Kommentar bei ZEIT ONLINE zu finden ist. Haben wir diesen Artikel von der israelischen Armee, israelischen Regierung oder von der Hasbara-Abteilung?

        • @Toyak Yakot:

          Ich habe ihn nicht von den genannten Quellen. Haben Sie denn auch Argumente dagegen?

    • @Oma Kruse:

      welcome back to peace under pickelhaube!

  • Das ist mutig. Jemand der nichts zu verlieren hat und es trotzdem versucht, das ist mutig. Möge die Macht des Friedens mit dir sein. Wanderer, wenn du nach Gaza kommst. Vergiß wer du bist und woher du kommst, du bist allein. Kerry, versuch's. Laß deine Gitarre leise weinen und - give peace a chance!

  • Danke Frau Knaul,

    für etwas vielleicht ungewollt sachlich geratenen Artikel, auch wenn Sie immer noch die berechtigten Forderungen der Palästinenser mit der Verwendung des Kampfbegriffes "Islamisten" zu untergraben suchen, wie ich finde.

    • @Toyak Yakot:

      Es muss klar zwischen der palästinensischen Bevölkerung und der Hamas unterschieden werden. Das es sich bei der Hamas um Islamisten handelt, kann wohl kaum bestritten werden.

      • @Joe Montana:

        Unterscheiden Sie zwischen Palästinensern und Hamas?

        Wo haben Sie diesen Unterschied dargestellt?

    • @Toyak Yakot:

      Nun, sicher hat auch Israel berechtigte Forderungen an Hamas.

      Aber mal was anderes: es existiert ein Vorschlag des israel.Politikers Mofaz, Gaza zu entmilitarisieren. Internationale Überwachung ähnlich wie die syrische Giftgasvernichtung. Im Gegenzug werden etliche Milliarden $ bereitgestellt, um das Leben dort wieder aufzubauen. Mit diesem Geld könnte Abbas nach Gaza reisen und wäre ein konstruktives Gegengewicht zu Hamas. Was ist davon zu halten?

      • @Handschweiß:

        Seit über 10 Jahren gibt es die Friedensinitiative von der Arabischen Liga, weshalb lehnt Israel diese ab?

        Hierzu eine Analyse von KAS

        http://www.kas.de/wf/doc/kas_34582-1522-1-30.pdf?130603153432

         

        Der Verschlag hört sich gut an. Wird Israel auch entmilitarisiert?

        • @Toyak Yakot:

          "... Friedensinitiative von der Arabischen Liga, weshalb lehnt Israel diese ab?"

          Sie scheinen es ja nicht global abzulehnen, sondern es gibt/gab ein breites Spektrum von Zustimmung zu Ablehnung. Leider nimmt generell der Populismus auch dort zu, so daß immer weniger rational gedacht und gehandelt wird.

           

          "Der Verschlag hört sich gut an. Wird Israel auch entmilitarisiert?"

          Glaube ich nicht, daß Israel sich entmilitarisieren lassen würde, da wiegen Mißtrauen und die jüdische Geschichte zu schwer. Aber für Gaza wäre es doch eine Chance: ein prosperierender Kleinstaat mit weißen Stränden am Mittelmeer, unter demokratisch-feministischer Führung.

          • @Handschweiß:

            Ich habe bei Ihnen den Eindruck, dass Sie etwas den Vorurteil bedienen wollen, dass bei Palästinensern die Frauen nichts zu melden haben.

            Wie komme ich darauf?

            Sie schrieben: "unter demokratisch-feministischer Führung."

            Von mir aus soll Alice Schwarzer die erste Präsidentin der demokratischen Republik Palästina sein.

            Daran habe ich nichts auszusetzen.

             

            Zitat: "da wiegen Mißtrauen und die jüdische Geschichte zu schwer"

            Naja die Palästinenser können ja auch auf ihre Geschichte verweisen und sagen, wir lassen uns nicht entmilitarisieren?

            Was machen wir dann?

      • @Handschweiß:

        es existiert auch ein 10-punkte katalog, welcher von den palästinensern vorgelegt wurde.

        "International forces on the borders." gehört dazu.

        http://mondoweiss.net/2014/07/report-israel-conditions.html

        mit weiterführenden links.

        auch Abbas hatte im zuge der letzten gespräche über die aufnahme von friedensverhandlungen das einverständnis mit ent-miltarisierung unter der voraussetzung von "International forces on the borders" erklärt.

        und wer wollte dem nicht nähertreten? na?

        ob 'Asa nach aufhebung der blockade und wiederaufbau von see- und flughafen noch so viele dollaren bräuchte - das ist eine spannende frage. immerhin könnte es sich nach aufhebung der blockade endlich mit dem erdgas vor der küste beschäftigen.... die landwirtschaftlichen flächen wieder vollumfänglich nutzen...

        • @christine rölke-sommer:

          In den letzten 5 Jahren hatte die Hamas sowohl Zeit wie auch die finanziellen Mittel, um den Gazastreifen neu zu strukturieren und die Lebensqualität der Bevölkerung zu verbessern. Das Ergebnis ist ein unterkellerter Landstreifen mit mehreren tausend Tunneln - während die Zivilbevölkerung Luftangriffen hilflos ausgeliefert ist. Die "Eliten" sind tief korrupt und Menschenrechte sind ein Schimpfwort.

          In Verbindung mit dem immer wieder propagiertem Ziel, Israel zu vernichten, zweifle ich an einem dauerhaften Willen zum Frieden seitens der Islamisten.

           

          Jeder vernünftige Mensch wünscht den Bewohnern von Gaza ein besseres Leben. Mit der Hamas werden sie dieses aber leider niemals bekommen.

        • @christine rölke-sommer:

          "das einverständnis mit ent-miltarisierung unter der voraussetzung von "International forces on the borders"

           

          Damit inkompetente UN-Blauhelme zwar nicht die Kontrolle über die Grenzen übernehmen, aber so tun als ob. Auf dem Golan sind die österreichischen Blauhelme vor etwa einem Jahr um ihr Leben gelaufen, im Libanon macht die Hisbollah, was sie will.

           

          Für die Destabilisierung von Judäa und Samaria wären "International forces on the borders", also im Jordantal, das sicherste Rezept für den Weg in die Katastrophe. Aber die scheinen einige ja forcieren zu wollen.

      • @Handschweiß:

        Eine sehr gute Richtung

        nur.....auf dem Weg dorthin muss die Hamas entmachtet werden

        und das lässt sie nicht zu, noch nicht

        • @Mal Mel:

          Die Blauhelme müßten nicht nur "at the borders" stehen, sondern mitten drin in Gaza sein. Die Korruption und das verbreitete Macho-Waffentum ist ein Problem. Es könnte abgemildert werden, in dem man das Geld ausschließlich den Frauen gibt.

          Mit dem Geld kommt der Appetit, der Hamas die Macht wegzunehmen.

          • @Handschweiß:

            sicher. die müßten ja nicht nur die außengrenzen sondern auch den see- und flughafen, elektrizitäts- und wasserwerke, die mülldeponie, hoffentlich nicht jede polizeistation sondern nur den dienstsitz der polizeipräsidentin und etliches andere beschützen. und im zweifel auch ne drohne runterholen können.

            resolution 1325 wäre das geeignete instrument.

            eines, das sich auch manch eine frau (of all three+x sexes) in Israel für Israel wünscht.