Nachruf auf Elfriede Brüning: Altes Herz darf ruhen
28 Bücher hat die ostdeutsche Autorin Elfriede Brüning geschrieben, aber sie fühlte sich nach der Wende ignoriert. Nun starb sie mit 103 Jahren.
„Aber dass ich Schriftstellerin bin, wissen Sie?“ Elfriede Brüning, zum Interview gebeten, weil sie über hundert ist und erzählen soll, wie das denn geklappt hat, dass sie so alt wurde, freut sich nicht besonders: „Ich fände es besser, wenn sich die taz mal für meine Arbeit interessieren würde. Ich habe immer geschrieben. 28 Bücher insgesamt.“
Es war vor zwei Jahren, im Sommer, in diesem klinisch sauberen Haus mit altersgerechten Wohnungen. Elfriede Brüning läuft langsam zu ihrem Regal, tastend, zieht Bücher hervor, die so wichtig sind, wie sie sagt, die aber nach der Wende kaum zur Kenntnis genommen wurden. „Uns DDR-Autoren hat man totgeschwiegen.“ Da ist ein Briefband, „Ich mußte einfach schreiben, unbedingt“, 2008 erschienen, in dem der Austausch zwischen ihr und Intellektuellen wie Wolfgang Leonhard oder Alice Schwarzer dokumentiert ist. „Hier. Niemand hat es besprochen. Warum?“
Elfriede Brüning wurde 1910 in Berlin geboren. Sie arbeitete als Sekretärin, als sie ihre ersten Texte schrieb. 1930 trat sie der Kommunistischen Partei bei, zwei Jahre später wurde sie Mitglied im Bund proletarisch-revolutionärer Schriftsteller. Sie blieb während des Nazi-Regimes in Deutschland. 1937 wurde sie vom Vorwurf des Landesverrats freigesprochen, da hatte sie gerade den Unterhaltungsroman „Junges Herz muß wandern“ veröffentlicht. Nach dem Krieg schrieb sie über Zwangsadoption, über Heimkinder, vor allem aber über Frauenschicksale, oft autobiografisch gefärbt. Mit ihren unterhaltenden, wirklichkeitsnahen Romanen und Reportagen erreichte sie in der DDR ein Massenpublikum.
Sie lebte ruhig. „Ich hatte eine furchtbare Migräne. Wenn ich mich abends lebhaft unterhalten habe, lag ich morgens flach. Also musste ich alles vermeiden, was das Gleichmaß der Tage gestört hat.“ Das galt auch für die Liebe. „Mir ist die große Leidenschaft versagt geblieben.“ Am Dienstag ist Elfriede Brüning gestorben, mit 103 Jahren.
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