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Der sonntaz-StreitIst es richtig, Kurden zu bewaffnen?

Die USA haben begonnen, die kurdischen Kämpfer im Irak mit Waffen zu beliefern. Sogar Gregor Gysi fordert deutsche Waffenexporte.

Kurdische Milizen versuchen die IS-Truppen im Irak zurückzudrängen Bild: dpa

Die Terrororganisation IS, „Islamischer Staat“, erobert seit Wochen irakisches Gebiet. Zehntausende Jesiden sind vor ihnen ins Sindschar-Gebirge geflohen – aus Furcht vor Entführungen, Versklavungen und Tötungen. Der UN-Sondergesandte für den Irak, Nickolay Mladenov, sprach von einer „Tragödie“.

Vertreter des kurdischen Autonomiegebietes haben Waffenlieferungen an die kurdischen Peschmerga-Milizen gefordert – anscheinend mit Erfolg. Nachdem die USA bereits durch Luftschläge versucht hat, die IS-Kämpfer zurückzudrängen, erklärte das amerikanische Außenministerium gestern, dass auch mit der Lieferung von Waffen begonnen wurde. Kann das eine Lösung sein?

In der Region gibt es bereits sehr viele Waffen – und sie können schnell den Besitzer wechseln. Die IS-Milizen benutzen modernes Kriegsgerät, das sie von der irakischen Armee erobert haben. Etwa 25 Milliarden US-Dollar haben die USA in den vergangenen zehn Jahren in die Aufrüstung der irakischen Armee gesteckt. Das Militär in Bagdad erhielt Hubschrauber, Panzer und Artilleriegeschütze. Einiges davon ist jetzt in den Händen der Islamisten.

Durch Waffenlieferungen an die kurdischen Peschmerga-Milizen stärkt man auch die kurdische Autonomiebewegung. Die Folgen sind schwer einzuschätzen. Einen kurdischen Staat auf irakischem Territorium lehnen die irakische Zentralregierung und die Türkei bisher ab. Ein im Januar 2000 von der Bundesregierung entworfener Leitfaden untersagt ausdrücklich den Waffenexport in Spannungsgebiete.

Keine Beteiligung Deutschlands

Trotzdem werden die Waffenlieferungen der USA in Berlin weitgehend wohlwollend aufgenommen. Beteiligen will sich die Bundesregierung aber nicht. Man liefere keine Waffen in Kampfgebiete, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin.

Die Forderung genau dies zu tun, kommt von ungewohnter Seite. So sagte Gregor Gysi in der taz: „Eigentlich bin ich strikt gegen deutsche Waffenexporte. Da aber Deutschland ein wichtiges Waffenexportland ist, könnte in diesem Ausnahmefall ein Waffenexport dorthin dann statthaft sein, wenn andere Länder dazu nicht unverzüglich in der Lage sind. Mit Protestbriefen wird man IS nicht stoppen.“

Was denken Sie? Ist es richtig, die Kurden mit Waffen zu beliefern? Diskutieren Sie mit! Die sonntaz wählt unter den interessantesten Kommentaren einen oder zwei aus und veröffentlicht sie in der taz.am wochenende vom 16./17. August 2014. Ihr Statement sollte etwa 900 Zeichen umfassen und mit Namen, Alter, einem Foto und der E-Mail-Adresse der Autorin oder des Autors versehen sein. Schicken Sie uns eine Mail an: streit@taz.de

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17 Kommentare

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  • Wo sind die blaubhelme, wenn man sie braucht? Wieso kann keine UN-Schutzzone eingerichtet werden, die die UN mit ihren eigenen Waffen verteidigen kann? Waffen, die sie dann wieder mit nach Hause nehmen können. Wenn sich zwei Kinder im Sandkasten streiten und das eine hat einen Stock - gibt man dem anderen dann einen Stein? Sorry für die Polemik, aber das scheint bei dieser Diskussion der best-practice-Stil zu sein...

  • 6G
    688 (Profil gelöscht)

    Wie heißen die arabischen / ölfördernden Staaten nochmal, die die Isis massiv unterstützen, und somit unsere vollste Aufmerksamkeit genießen sollten - Schuld- und Sündenbocksuche mal richtig angewandt???

  • Der aktuelle Krieg zwischen Kurdistan und der Terrorgruppe, des „Islamischen Staats“ IS ist kein konventionaler Bürgerkrieg zwischen zwei verfeindeten religiösen oder ethnischen Gruppierungen, sondern ein Krieg zwischen zwei gegensätzlichen Weltbildern. Im Gegensatz zu der faschistischen und absolutistischen Ideologie der IS-Terroristen, in der Angehörige bestimmter Ethnien, Konfessionen und Religionen zum Ausrotten und Töten verurteilt sind, steht das kurdische Modell bekanntlich für ein tolerantes und friedliches Zusammenleben der verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppierungen. Während die Terroristen der IS jeden Tag ein anders Land und eine andere Gruppe zum Ziel haben, sind der Kampf und der militärische Einsatz der Kurden nur auf die Verteidigung ihres eigenen Gebiets beschränkt. In diesem Krieg verteidigen die Kurden ein Land, in dem nicht nur die Menschen mit ihrem unterschiedlichen religiösen und ethnischen Hintergrund friedlich zusammenleben, sondern mehr als zwei Millionen Binnen- und Außenflüchtlinge verschiedener Ethnien, Konfessionen und Religionen einen Zuflucht gefunden haben, die ihre Heimat in Syrien und dem Rest des Iraks, zum größten Teil wegen des Terrors der IS, verlassen mussten. Kurdistan helfen, schützen und verteidigen bedeutet deshalb; Vielfalt, Toleranz und friedliches Zusammenleben gegen Faschismus und Absolutismus zu schützen. Die Bewaffnung der Kurden soll deshalb, neben der humanitären Hilfe, eine dringende Option sein

  • Der Ami hat den Irak dahin gebracht, wo er jezt steht. Nämlich, total amorph hat er ihn gemacht. Merkel war sogar damit einverstanden. (Verrat an Schröder-Regierung.) Jetzt aber wo es um "Gerechtigkeit" geht, zieht die Merkel - Regierung den Schwanz ein.

  • Wieder einmal zähneknirschend Jasagen. Und wir wissen dabei :Selbst wenn man alle Waffenfabriken stilllegen würde, es gäbe noch für die nächsten 50 Jahre überaus genug Schiessgeräte überall auf der Welt. Es ist eine endlos Spirale, die Amis bewaffnen eine neuaufgestellte sogenannte irakische Armee mit modernsten US-Waffen, die nun schnell zur IS gewandert sind. Das Gleiche hatten wir in Afghanistan. Die westlichen Truppen rüsten die afghanische Armee und Polizei aus, und die Hälfte landet schnell bei den Taliban.Und in Libyen ist das ganze moderne Waffenzeug von Ghaddafi bei den islamistischen Milizen in ganz Nordafrika verteilt worden. Kontrolle und Verbote von sogenannten Kleinwaffen auf der ganzen Welt täten Not, - und wer sperrte sich bisher, die USA, Russland und China.

  • "Grundsätzlich keine Waffen in Kriegs- und Kampfgebiete zu liefern, das ist ein Prinzip, dem sich diese Bundesregierung natürlich auch weiterhin verpflichtet fühlt.". Das hört man doch gerne Herr Seibert. Ich frage mich dann nur, wie man in den 1980ern und 1990ern Waffen an den Irak und die Türkei liefern konnte, wenn bekannt war, dass damit die Kurden "vernichtet" werden sollten?!? http://armstrade.sipri.org/armstrade/html/export_values.php)

    Jetzt weigert man sich, aber liefert nach Saudi Arabien, in eine stabile Demokratie, die nichts mit der Hamas zu tun hat. Die Deutsche Regierung schuldet es dem kurdischen Volk, sie zu unterstützen. Wir wollen euer Geld nicht. Wir wollen eure Lebensmittel nicht. Wir wollen in Freiheit leben können. Hört auf unsere Feinde zu unterstützen und lasst uns selber für unsere Freiheit kämpfen.

  • 6G
    688 (Profil gelöscht)

    Ist es richtig so blöde Fragen zu stellen???

  • Wer kommt eigentlich immer auf die Idee, das Waffenlieferungen in Krisenherde für Frieden sorgen? Doch nur die USA. Bei Unruhen im Land kann man nämlich ungestört Pipelines und Bohrungen durchführen und die Ressourcen der Länder nach Hause bringen. Diese Unruhen sind doch von der amerikanischen Administration total geplant. Wir glauben immer die Amerikaner sind die Friedlichen, dass ist aber gar nicht der Fall. Heimlich und leise führen sie längst einen Weltkrieg und machen was sie wollen. Sie diktieren die Welt und wer nicht mitmacht, wird bombardiert. Wer stoppt eigentlich die Amerikaner? Die Gefahr einer aufkommenden Diktatur haben wir doch längst übersehen. Wir befinden uns schon mittendrin. Deswegen sollte man diesen Wahnsinn endlich stoppen. Lieferungen sollten lieber Lebensmittel, Technik und Material für Aufbau und Nachhaltigkeit sein, anstatt mit Waffen noch mehr Unheil herbeizuführen.

    • @Klaus Martens:

      Sie schreiben "für Frieden sorgen".

      Wenn Sie volljährig sind dann geben Sie bitte bei Google "isis execution" ein und schauen sich dann mal die Fotoauswahl an. Danach können wir uns dann gerne gemeinsam in Ruhe über "Frieden" mit der Isis/IS unterhalten.

  • Fortsetzung: Sollen Waffen über die Zentralregierung in Bagdat geliefert werden? Definitiv nein, denn in der letzten Woche ist die Zentralregierung wiedermal über ihre lokale, konfessionelle Kurzsichtigkeit gestolpert. Die Peschmerga in Sindschar hatten praktisch ihre letzte Munition verschossen bevor Bagdat den Ernst der Lage überhaupt begreifen konnte. Damit nicht wieder die Sicherheit der Kurden durch die Willkür anderen Gruppen oder Konfessionen in Gefahr gebracht wird, müssen die Kurden direkt beliefert werden. Würde eine direkte Waffenlieferung die Nachbarn (Türkei und Iran) politisch bedrohen oder verärgern? Der Iran hat bereits den Ernst der Lage begriffen und schickt schon selbst Waffen und Munition an die Kurden. Der Druck auf die türkische Regierung gegen die IS vorzugehen nimmt in der Bevölkerung stetig zu. Hunderttausende weiterer Flüchtlinge wird letztlich auch die Türkei nicht beherbergen wollen. In den türkischen Grosstädten gibt es jetzt schon den unüberhörbaren Unmut der Bevölkerung über die vielen syrischen Flüchtlinge. Im kurdischen Teil der Türkei (Grenzgebiet zu den Nachbarstaaten) ist die Bevölkerung bereits hochgradig sensibilisiert. Es ist schon so weit, daß gewöhnliche und unbewaffnete kurdische Jugendliche an wichtigen Straßen Fahrzeuge nach Dschihadisten überprüfen sollen.

  • Die Frage nach der Bewaffnung ist ziemlich leicht zu beantworten: Da weder die EU noch die USA ihre exportierten (eigenen) 1500-2000 Dschihadisten aus Kurdistan selbst rausholen werden, müssen also zwangsläufig die Kurden dort die Drecksarbeit erledigen. Entweder schaut Europa zu wie die Kurden und Minderheiten dort abgeschlachtet werden oder muß eben Waffen zur Selbstverteidigung liefern. Können die Kurden dort die Waffen später mißbrauchen? Nein, die Kurden versuchen lediglich ihre eigenen Kinder, Frauen und Heimat plus ca. 600 000 Flüchtlinge zu beschützen. Sind die Kurden überhaupt in der Lage gegen den IS zu bestehen? Die Peschmerga haben seit 1991 nicht mehr aktiv gekämpft aber seit über einer Woche sind sie wieder in reale Kampfhandlungen verwickelt. Sie werden außerdem von der PKK/PYD unterstützt die selber seit 1,5 Jahren ununterbrochen gegen den IS erfolgreich kämpfen und genauso lange schon ihren Feind kennen....

  • Die Sache ist riskant. Es kann sein, daß man in Kürze bedauert, die Peschmerga mit modernen Waffen ausgerüstet zu haben. Hier ist zwischen zwei Übeln das kleinere zu wählen. Nach Lage der Dinge ist nur die Peschmerga in der Lage, die ISIS-Terroristen nieder zu werfen. Also liefere man ihnen, was sie brauchen und bete zu Gott, daß das nicht nach hinten losgeht.

  • Wir sollten doch durch Ereignisse wie die in Ruanda und Srebrenica gewarnt sein, welch Unheil aus unterlassener Hilfeleistung entstehen kann !

    Wenn hochgerüstete und vollkommen fanatisierte Kämpfer in Dörfer und Städte einfallen und die unbewaffnete Bevölkerung mit ungekannter Brutalität massakrieren und die Einzigen, die Eier genug in ihren Pluderbuxen haben, sich ihnen in den Weg zu stellen, werden mit dem Hinweis auf (ansonsten munter umgangene) Rüstungsexportbestimmungen sitzen gelassen, dann ist das an Zynismus wohl kaum zu überbieten ! Wer bei dieser Konfrontation von einem Spannungsgebiet spricht, glaubt wahrscheinlich auch, daß Kühe und Schweine in der Schlachterei sich einen Kampf mit ihrem Metzger lieferten ! Nichts anderes haben wir da vor uns: Ein riesiges Schlachthaus !

  • taz-Zitat: "Keine Beteiligung Deutschlands.

    Trotzdem werden die Waffenlieferungen der USA in Berlin weitgehend wohlwollend aufgenommen. Beteiligen will sich die Bundesregierung aber nicht. Man liefere keine Waffen in Kampfgebiete, erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin."

     

    Hört, hört!

    Ab morgen, den 13.08.2014 nehmen die Waffen-Narren und weltweiten Geschäftemacher mit dem Krieg – unter anderen die BRD – trotz Sanktionen und angeblichem Waffen-Export-Verbot an der russischen Waffen-Messe ”Oboron-Expo 2014" in Schukowski (bei Moskau) teil. Lese und sehe hier:

     

    http://www.tornante.pf-control.de/blog1/?p=21914

  • Ich glaube, es gibt momentan keine Alternative zu Waffenlieferungen an die Kurden. Die ISIS ist eine kranke, gefährliche und indiskutable Organisation, die auf dieser Erde keinen Platz haben sollte, deswegen bin ich dafür, dass die Peschmerga die richtigen Waffen erhalten, um diese Organisation zu vernichten. Übrigens hätten die Kurden als Teil der irakischen Armee Waffen erhalten müssen. Die Regierung al-Maliki hat alles getan, um die kurdischen Gebiete zu benachteiligen, die Sicherheit dort zu schwächen. Das ist ein Grund, warum die ISIS im Nord-Irak sich ausbreiten konnte. Ein anderer Grund ist die Benachteiligung von Sunniten und Kurden (sind auch Sunniten).

    • @Andreas_2020:

      Sehr guter Beitrag - aber nur ca. 60-70% der Kurden sind Sunniten. Die Restlichen 30-40% Kurden gehören eigenen monotheistischen Religionen an: Aleviten (Kizilbasch), Yaresan/Ahl e Haq, Kakai usw. und eben den Yeziden (Ezidi).

      • @ex perte:

        Stimmt. Aber die wichtigen Familien sind eigentlich sunnitisch. Gleichwohl behandeln die Kurden die anderen 'Religionen' gut. Die Kurdistan-Regierung ist die einzige in dieser Region, die Toleranz ernst nimmt. Das Alleine spricht schon sehr für sie.