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Kommentar NSU-Ausschuss in ThüringenDanke, Antifa

Die Linke dankt zum Abschluss des NSU-Ausschusses in Thüringen explizit auch Antifa-Aktivisten. Zu Recht. Andere Parteien sollten die Anerkennung teilen.

Oft diskreditiert: Antifa-Rechercheur vom Apabiz Bild: dpa

Eine halbe Seite widmet die Linke einer besonderen Danksagung. „Grundsätzlich möchten wir den seit Jahren über alle Maßen aktiven und oft genug durch Neonazis und staatliche Stellen angegriffenen und diskreditierten antifaschistischen Gruppen unseren Dank aussprechen“, heißt es in ihrem Sondervotum zum Abschlussbericht des NSU-Untersuchungsausschusses in Thüringen.

Ohne diese Gruppen wäre das rechtsextreme NSU-Netzwerk „bis heute nur in Ansätzen bekannt“. Ihre Rechercheleistung sei für die Arbeit im Ausschuss unverzichtbar gewesen. Den entsprechenden Abschnitt aus dem 86-seitigen Papier veröffentlichte die Linken-Obfrau im Untersuchungsausschuss Katharina König bei Twitter.

Dass eine solche Anerkennung von der Linkspartei kommt, überrascht nicht. Dass sie nicht von den anderen Parteien mitgetragen wird, ist schade. Denn völlig zu Recht wird hier auf einen Aspekt verwiesen, der bei der Aufarbeitung des NSU-Skandals oft vergessen wird: Antifa-Gruppen haben gute Arbeit gemacht, während staatliche Behörden an entscheidenden Punkten versagten.

Beispiele dafür gibt es eine ganze Reihe. Die älteste Erwähnung des NSU etwa fand sich nicht in einem Archiv der insgesamt 36 Sicherheitsbehörden von Bund und Ländern, sondern in den Regalen des Antifaschistischen Pressearchiv & Bildungszentrum (Apabiz) in Berlin. Während sie beim Verfassungsschutz Akten schredderten, haben die akribischen Antifa-Archivare eine alte Ausgabe eines Neonazi-Heftes hervorgekramt, das beweist, das das NSU-Kürzel in der rechtsextremen Szene schon bekannt war.

Die Antifa-Leute haben Informationen über Personen zusammengetragen, die vielleicht schon längst von der Bildfläche verschwunden sind, die aber in der fraglichen Zeit eine wichtige Rolle spielten. Sie konnten Puzzleteile zusammensetzen, weil sie Jahre lang die Teile gesammelt haben, ohne zu wissen, ob sie überhaupt ein Bild ergeben.

Antifa-Chronik statt offizieller Chronik

Und das Engagement geht heute weiter. MitarbeiterInnen der Initiative „NSU Watch“ haben jeden einzelnen der inzwischen 133 Verhandlungstage beim NSU-Prozess in München verfolgt und jeweils ein Protokoll online gestellt. Wer später nachschauen will, was genau beim Prozess passiert ist, kann das hier tun. Und er wird es auch hier tun, denn es gibt kaum eine andere Möglichkeit. Ein offizielles Protokoll wird nicht geführt und Zeitungsartikel können gar nicht so umfassend sein.

Die Antifa-Chronisten sind zudem auch an vermeintlich weniger spannenden Terminen da, wenn viele Journalisten anderes zu tun haben. Die Initiative erfährt wegen ihrer Arbeit inzwischen zumindest einige Anerkennung und hat unter anderen einen Medienpreis der Otto-Brenner-Stiftung bekommen.

Zwar haben auch die Antifa-Gruppen in all den Jahren nicht die Verbindung gesehen zwischen dem untergetauchten Neonazi-Trio und der Mordserie an Mitbürgern ausländischer Herkunft. Doch das kann man ihnen auch schlecht vorwerfen. Es kann nicht ihre Aufgabe sein, die Arbeit der Sicherheitsbehörden nebenher zu erledigen – und es schmerzt wohl auch niemanden mehr als sie selbst, dass sie die Verbindung nicht erkannten.

Aber eines kann und muss man sagen: Ohne das jahrelange Engagement der Antifa-Leute, die meist ehrenamtlich arbeiten, wüssten wir heute in der Tat sehr viel weniger über den NSU und sein Umfeld. Und dafür gebührt ihnen Dank.

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6 Kommentare

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  • Ehre wem sie gebührt!

    Den Mit-Machenden Menschen der Antifa. Aber auch dem Sebastian, der taz und der Linken, die diese Anerkennung tragen/verbreiten.

    „Grundsätzlich möchten wir den seit Jahren über alle Maßen aktiven und oft genug durch Neonazis und staatliche Stellen angegriffenen und diskreditierten antifaschistischen Gruppen...[danken]“ Ein Auftaktsatz (der Linke/des Berichts), der so ganz unemotional und unspektakulär daher kommt. Und mir mehr Gruseln bereitet, als jeder Hitchcock- oder Nicolas Roeg Film.

    Dass mensch zu deutschen Landen von Nazis (neuen oder nicht) angegriffen werden kann, ist keine Neuheit in der jüngeren Geschichte. Dass es aber nach etwas mehr als einem Halbjahrhundert erfolgreich verhinderter Entnazifizierung wieder so weit ist, dass auch der Staat da wenig versteckt mit-verbricht...

    Ich lebe in einem Polizeistaat, wo die uniformierten die nicht-uniformierten VerbrecherInnen an alltäglicher Tödlichkeit übertreffen. Wo Leute, die für eine tatsächliche demokratische Ordnung protestieren, weggesperrt wenn nicht gleich verschwunden werden. Auch ohne Beweise für irgendeinen Rechtsbruch (während MörderInnen zu 99% - das ist eine Faktenzahl! – nicht mit Justizproblemen zu rechnen haben). Wo Indigene wieder definitiv-verstummt werden, von den Agro-Nazis und ihren StaatshelferInnen bei Polizei und Gericht und PT-Regierung, wie seinerzeit, beim kolumbischen Conquistaeinmarsch. (...)

    Und all das passiert, im ganz normalen Brasilien wie Eure Medien es Euch nicht präsentieren, weil das Volk (wieder) still hält. Still, blind, taub, stumm. Lieber (schlechten) Fussball, als die fürchterliche Wahrheit sieht. Und rebellische Konsequenzen zieht.

    Und obschon ich auf der anderen Atlantikseite (gefährlich – denn es geht gar nicht anders hier) lebe, möchte AUCH ich den mit-machenden Menschen der Antifa (Thüringen, aber nicht nur dort) danken. Denn es ist längst Eine gruselige Welt. (Wie wir dank Snowden mit Sicherheit wissen.)

  • Es gibt auf diesem Gebiet einige Initiativen, die in der Tat hervorragende und leider oft zu Unrecht unterschätzte Arbeit leisten.

    Dies aber als Anlass für ein pauschales Lob für "die Antifa" zu nehmen, wie dies taz und Linke fordern, ist grotesk. Unter der Flagge der "Antifa" segeln zu einem Großteil Gruppierungen, die sich in ihrem ideologischem Dumpfbackentum und ihrer Demokratiefeindlichkeit in nichts von ihren rechtsradikalen Pendants unterscheiden.

  • 7G
    738 (Profil gelöscht)

    Das gehört es jetzt in jede Dankesrede: Ich danke Gott, meinen Eltern, meinen Fans und allen die an mich geglaubt haben - und vor allem auch der Antifa.

  • Die Antifa, in zwei Aspekten total beschämend für den deutschen Staat. Zum einen werden Antifa-Leute wohl sehr oft von staatlichen Stellen gegängelt. Und zum anderen sind es genau diese staatlichen Stellen, die die Antifa genauestens beobachten, aber die anscheinend weniger Einblicke in die rechte Szene hatte als die Antifa.

    Da schämt man sich doch nur für diesen peinlichen Staatsapparat. Und als Konsequenz kann man nur mal wieder fordern, den Verfassungsschutz zu schließen.

    • @Georg S.:

      100% richtig, dazu wird Antifa immer als links wargenommen und das ist eben bäbä. In einigen Kreisen ist Antifa ähnlich belastet wie "Linker Steinewerfer" oder fast so schlimm wie "Pazifist", was ja heute das schlimmste aller Schimpfworte ist, seit der Erfindung der gauckesken Metasematik der Verantwortung.

      • @Klaus Franz:

        Steinewerfen gegen rechts aber beten für die Taliban - leider entgegen ihrer Darstellung in Deutschland längst mainstream Position.

         

        Witzigerweise ist gerade die Antifa in dieser Hinsicht oft schlauer als der gewöhnliche grün-rote Deutsche. Allerdings würde ihr auch wohl auch kaum jemand Pazifismus unterstellen