piwik no script img

US-Staatssekretärin über TTIP„So funktioniert ein freier Markt“

Catherine Novelli verteidigt das geplante Abkommen. Sie positioniert sich zum Investitionsschutz sowie zum Genfood-Verkauf in Europa und bemängelt die europäische Kritik.

Verhandlungssache: Was darf in den Containern drin sein, die zwischen den USA und der EU hin- und hergeschippert werden? Bild: dpa

taz: Frau Novelli, warum betrachtet die US-Regierung Europa, als wären wir Venezuela?

Catherine Novelli: Das tun wir nicht. Die EU ist unser engster und größter Handelspartner mit hohen Verbraucherstandards. Unsere Volkswirtschaften sind sehr eng verflochten.

Wozu brauchen wir dann Investorenschutzklauseln in einem Freihandelsabkommen wie TTIP? Die EU und die USA sind Rechtsstaaten. Wenn sich Firmen ungerecht behandelt fühlen, können sie vor reguläre Gerichte ziehen.

Das können sie natürlich. Aber wir wollen ein Abkommen, das so umfassend wie möglich ist. Dazu gehören auch außergerichtliche Schiedsgerichte, wo Unternehmen gegen Staaten klagen können. Wir haben hier die Gelegenheit, einen „Goldstandard“ zu setzen, der dem Rest der Welt zeigt, was die richtigen Parameter für ein Handels- und Investitionsabkommen sind. Interessanterweise war es ja gerade Deutschland, das diese Schiedsgerichte erfunden hat. Wir haben das von euch!

Wir denken heute, dass das ein Fehler war.

Ihr habt es aber in allen euren Abkommen. Wenn ich es richtig sehe, hat ein deutsches Unternehmen gerade eine millionenschwere Klage gegen Turkmenistan gewonnen.

Das ist der Punkt. Es ging um Deutschland und Turkmenistan. Nicht um die EU und USA.

Die Klauseln gegen Diskriminierung von Unternehmen sind auch wichtig, wenn man mit anderen Staaten verhandelt. Die Schwellenländer sagen nämlich: Wenn ihr Investorenschutzklauseln nicht bei den Industrieländern vereinbart, solltet ihr sie auch nicht von uns fordern. Damit beginnt eine Abwärtsspirale, die wir nicht wollen.

Im Interview: Catherine Novelli

Die Juristin ist seit Februar Staatssekretärin für Wirtschaftswachstum, Energie und Umwelt im US-Außenministerium. Sie formuliert und vertritt die Position der USA in den Gesprächen mit der EU über das geplante Transatlantische Freihandelsabkommen TTIP. Von 2007 bis 2014 war Novelli Vizechefin für internationale Politik beim IT-Konzern Apple. Zuvor handelte sie für die US-Regierung unter George W. Bush internationale Handelsabkommen aus.

Eines der Streitthemen bei TTIP sind die geplanten nichtstaatlichen Schiedsgerichte. Das bereits bestehende „Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten“ ICSID in New York ist ein Schlichtungsgremium, vor dem Unternehmen Staaten verklagen können, wenn sie ihr Eigentum durch staatliches Handeln bedroht sehen – meist Firmen aus Industriestaaten gegen Entwicklungsländer.

Die ICSID-Richter sind keine Beamten, sondern Fachjuristen, sie tagen geheim, gegen ihre Urteile gibt es keine Rechtsmittel. Die Staaten unterwerfen sich dieser Paralleljustiz, um attraktiv für Investoren zu sein. TTIP würde dieses Instrument auch auf den Handel zwischen den USA und der EU ausdehnen und nach NGO-Angaben etwa 75.000 Unternehmen neue Klagerechte einräumen.

Der Widerstand bei vielen Deutschen ist sehr stark. Würden Sie auch ein Freihandelsabkommen ohne Investorenschutzklauseln unterzeichnen?

Ich kann den Verhandlungen nicht vorgreifen. Wir sind mitten in Diskussionen und müssen zu einem guten Ergebnis kommen. Die Frage ist zu spekulativ.

Dann konkret: Der schwedische Energiekonzern Vattenfall klagt gegen den deutschen Atomausstieg vor dem umstrittenen Schiedsgericht ICSID in New York gegen Deutschland auf 4 Milliarden Euro Schadensersatz (siehe Kasten unten). Die deutschen Energiekonzerne müssen ganz normal vor ordentliche deutsche Gerichte ziehen. Ist das rational?

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, diese Dispute zu lösen. Die Schlichtung ist nicht per se ein Problem. Es gibt auch keine so großen Unterschiede bei den Resultaten zwischen Gerichten und Schiedsgerichten.

Aber ordentliche Gerichtsverfahren sind transparent, Schlichtungen nicht.

Die Schlichtung ist für alle Beteiligten deutlich günstiger als der Gang vor die Gerichte.

Jede Schlichtung kostet im Schnitt 8 Millionen Dollar. Schwer vorstellbar, dass Gerichte teurer sind. Und Studien zeigen, dass die Schlichter die Unternehmen bevorzugen, weil sie von deren Gebühren leben.

Das kann ich mir nicht vorstellen. Wir hatten 17 Fälle in 30 Jahren. Und nicht einen hat die US-Regierung verloren.

Aber Kanada hat diverse Verfahren verloren. Und warum sollte die Interpretation von staatlichen Gesetzen an Private ausgelagert werden?

Das System hat sich bewährt und kommt mit sehr komplizierten Umständen und Fällen zurecht. Es stimmt nicht, dass private Schlichter immer die Unternehmen bevorzugen. Und es stimmt auch nicht, dass diese Verhandlungen außerhalb der Gesetze stehen oder illegitim sind.

Ein anderer Kritikpunkt sind die unterschiedlichen Verbraucher- und Umweltstandards. Wenn TTIP durchkommt, könnten in Ihren Lebensmitteln in den USA mehr Keime sein als bisher, weil da bisher die US-Regeln schärfer sind als die EU-Normen. Warum sollten Sie diese Verschlechterung wollen?

Niemand redet darüber, die Standards identisch zu machen. Die Frage ist, wie wir anerkennen, dass die jeweils andere Seite einen hohen Schutzstandard hat, bei Lebensmitteln, aber auch bei Maschinen. Wir sollten das aber nicht übertreiben. Wenn Europäer die USA besuchen, dann denken sie ja auch nicht, dass es ihre Gesundheit gefährdet, wenn sie im Restaurant essen.

Genfood wird in Europa abgelehnt. Würden Sie ein Abkommen unterzeichnen, das Genfood ausschließt?

Niemand hat je vorgeschlagen, dass wir Leute zwingen wollen, Gentechnik zu gebrauchen oder zu essen. Die Leute sollen wählen können, ob sie bestimmte Dinge kaufen möchten. So funktioniert ein freier Markt.

Aber bisher ist Genfood in Europa ganz verboten.

Wir wollen die Gelegenheit, gentechnisch veränderte Lebensmittel hier in Europa zu vermarkten, dann können die Verbraucher entscheiden.

Würden Sie zustimmen, wenn es mit einem speziellen Label gekennzeichnet würde?

Ich kann nicht in die Details der Verhandlungen gehen. Aber wie gesagt, wir zwingen niemanden, gentechnisch veränderte Lebensmittel zu essen.

Das behaupten wir auch nicht.

Sie nicht. Aber es gibt eine Menge Leute, die solche Sorgen schüren. Und es gibt bestimmte Sorten von gentechnisch veränderten Mais, die für Tierfutter bereits eingeführt werden können.

Viele Europäer haben Angst, dass unsere Standards sinken. Denn bei einem Kompromiss wird man sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen.

Ich sehe das anders. Standards sind nicht immer höher oder niedriger, sondern manchmal nur anders. Unsere und eure Regeln haben sich unabhängig voneinander entwickelt. Jetzt müssen wir uns verständigen, wie wir sichere Produkte effizienter zwischen den USA und der EU austauschen. Für uns ist Gesundheit und Sicherheit von überragender Bedeutung, genau wie für Europa.

Wenn die Standards nur anders sind, wozu braucht es ein riesiges Abkommen wie TTIP? Warum lässt sich das nicht auf der Arbeitsebene lösen?

Auf dieser Ebene arbeiten wir ja. Aber es braucht einen Rahmen. TTIP wird nicht wie bei üblichen Handelsgesprächen jedes einzelne Produkt abklopfen, sondern allgemeine Regeln formulieren. Außerdem wollen wir die Transparenz erhöhen und für Partizipation sorgen, damit alle Stimmen gehört werden. Interessanterweise haben wir gerade bei diesen Punkten viel Widerstand von der Europäischen Kommission erlebt.

Aber EU und USA passen einfach nicht zusammen: In Europa gilt das Vorsorgeprinzip, das nur erlaubt , was als unschädlich gilt. In den USA ist es andersherum: Was nicht erwiesenermaßen gefährlich ist, wird erlaubt. Den Rest regelt im Zweifel der Schadensersatz.

Ich akzeptiere die Prämisse nicht, dass unsere beiden Systeme nicht zusammenpassen. Viele Firmen arbeiten längst auf beiden Seiten des Atlantiks. Sie wollen nur ihre Kosten für doppelte Tests senken, um die Preise für ihre Kunden zu senken. Ein Hersteller von Autoreifen hat mir gerade erzählt, wie er für die gleichen Reifen hier und in den USA jeweils andere Tests machen muss. Das hat nichts mit dem Vorsorgeprinzip zu tun! Die umstrittenen Fragen wie Biotechnologie sind wirklich Ausnahmen.

Die ganze Chemieindustrie wurde aus den Verhandlungen herausgenommen, weil sich das Vorsorgeprinzip mit dem US-System nicht vereinbaren ließ. Könnte bei Umweltstandards das Gleiche passieren?

Wir befinden uns auf einem ganz neuen Gebiet und werden nie 100 Prozent bekommen. Nur weil es schwierig ist, die Standards zu vereinheitlichen, heißt das nicht, dass wir es nicht versuchen sollten.

Aber der Nutzen könnte sehr gering sein. Die EU-Kommission selbst rechnet damit, dass durch TTIP bis 2027 insgesamt nur etwa 0,5 Prozent mehr Wachstum entsteht. Warum so viel Aufwand für wenig Ertrag? Das macht die Leute skeptisch.

Ich weiß nicht, wie man dieses Wachstum misst, es wird aber bedeutend sein, und zwar jährlich. Neben den großen Unternehmen ist es vor allem der Mittelstand, der Motor der Exportwirtschaft, der profitieren wird. Auch bei den Zöllen wäre eine Einigung wichtig. Sie sind zwar nicht hoch, belasten aber die Wettbewerbsfähigkeit vor allem der mittelständischen Firmen.

Wenn wir über TTIP reden: Werden wir ein Abkommen sehen, dass alle strittigen Fragen ausklammert und sich auf die problemlosen Gebiete beschränkt?

Ich kann nicht kommentieren, wie das endgültige Abkommen aussehen wird. Aber ich hoffe, dass wir einige Probleme lösen können.

Wie häufig denken Sie: Meine Güte, diese Europäer?

Wir sollten nicht die Perspektive verlieren. Die Kritik ist vor allem in Europa manchmal sehr übertrieben. In den USA gibt es keine so gut geplante und finanzierte Anti-TTIP-Kampagne wie hier. Wir sind wohlhabende Nationen, die die Sicherheit und Gesundheit ihrer Bürger schützen wollen. Das geht manchmal schief, auch in Europa. Es gab hier die BSE-Kühe oder die vergifteten Blutkonserven in Frankreich. Aber niemand in den USA sagt deshalb: Oh mein Gott, jetzt können wir keine französischen Tomaten mehr essen!

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

30 Kommentare

 / 
  • Die Antworten Frau Novelle´s sind doch nur eine Bestätigung gegen TTIP. Obwohl wir alle keine Glaskugel besitzen, sind die Prognosen bezüglich Wachstum, worum es natürlich ja letzten Endes gehen soll, doch alle bescheiden - außer natürlich den Prognosen der USA, als auch größten Profiteur.

    Machen wir uns doch nichts vor. Wir "behandel(te)n" Entwicklungsländer ja auch zu unserem Vorteil, auch wenn die scheinheiligen Politiker das natürlich immer bestreiten. Aber die "Glaubwürdigkeit" der regierenden Politik zeigt sich ja auch in den aktuellen Wahlergebnissen. Aber solange die Begriffe "Wachstum" und "Verlust von Arbeitsplätzen" eine so starke Wirkung haben, wird sich leider nicht viel ändern und das Abkommen wir kommen. Natürlich hoffe ich sehr, dass ich mit täusche.

  • "Wir sind wohlhabende Nationen, die die Sicherheit und Gesundheit ihrer Bürger schützen wollen."

    Die Spaltung der Gesellschaft in arm und reich ist in den USA viel weiter entwickelt als hier in Europa. Meiner Meinung nach sind die USA keine wohlhabende Nation. Es gibt sehr reiche Menschen in den USA, aber sehr viele arme Menschen. Millionen, die sich sich ohne Hilfe des Staates nicht mehr ernähren könnten. Obwohl in den USA mehr Lebensmittel produziert werden, als zur Ernährung der Bevölkerung gebraucht werden, sind ca. 40 Millionen US-Amerikaner auf (elektronische) Essenmarken vom Staat angewiesen.

    Unter einer "wohlhabenden" Nation stelle ich mir etwas anderes vor.

  • Immer, wenn es um die Substanz der Folgen geht weicht Frau Novelli aus. "Sie wolle nicht vorgreifen" und ähnlich feiges Drücken um klare Antworten.

    Das Interview hat meine Ablehnung dieser Abkommen noch m,ehr begründet.

  • "Wenn Europäer die USA besuchen, dann denken sie ja auch nicht, dass es ihre Gesundheit gefährdet, wenn sie im Restaurant essen. ..."

    Doch, daran denken Menschen, wie ich, wenn sie verreisen: dass ich nicht vergiftet werde. In den usa bin ich mir nicht sicher, nicht vergiftet, nicht abgeknallt und nicht verschleppt zu werden.

     

    "... In den USA gibt es keine so gut geplante und finanzierte Anti-TTIP-Kampagne wie hier. ..." Arme Menschen und People of Color werden in den usa systematisch ausgegrenzt; diesen Menschen wird der Protest verwehr, da sie gar nicht die finanziellen und medialen Möglichkeiten haben, ihren Protest öffentlich zu machen. Catherine Novelli verfügt über ein zweifelhaftes 'Talent', die Wirklichkeit auszublenden, was wiederum ein Zeichen Ihrer prviligierten Herkunft sein kann. Woanders würde man sagen, die 'Dame' ist in höchstem Maße arrogant.

    "Wir sind wohlhabende Nationen, die die Sicherheit und Gesundheit ihrer Bürger schützen wollen."

    Alles klar, Frau Pirelli, dann sind für Sie Menschen mit Down Sydrom offensichtlich Nicht-Menschen, da die us-Firma, die den Schwangerschaft-Gen-Selektionstest (wie in der Nazizeit) entwickelt hat, eine us-amerikanische ist. Fazit: Mit TTIP wird gemordet.

  • "Die Leute sollen wählen können, ob sie bestimmte Dinge kaufen möchten. So funktioniert ein freier Markt."

    Die Wahl der Verbraucher erfolgt ja zu einem großen Teil über den Preis. Und wenn dann Genfood in deutschen Supermärkten zu sehr günstigen Preisen angeboten wird, wird es von einem Teil der Kunden auch gekauft werden. Damit wäre der bisherige Schutz der Europäer vor Genfood aufgehoben.

    • @Kein Genfutter bitte!:

      Ja über den Preis zum einen und zum anderen gibt es ohne Kennzeichnung auch keine Wahlmöglichkeit. Ich weiß ja bei vielen Fertigprodukten schon heute nicht, was es enthält. Dazu kommt die Kontaminierung der Landwirtschaft mit Gensaatgut. Das Problem ist aber auch, dass meist nur mit den direkten angenommenen gesundheitlichen Gefahren argumentiert wird. Selten wird auf das viel grössere Problem des Verlustes der Sortenvielfalt hingewiesen. Das wird eines Tages zu weltweiten Ernährungsproblemen führen.

  • "Wir wollen die Gelegenheit, gentechnisch veränderte Lebensmittel hier in Europa zu vermarkten, dann können die Verbraucher entscheiden."

    Ein großer Teil der Verbraucher wird natürlich über den Preis zum Kunden dieser Produkte werden.

    Damit ist die bisherige Haltung der Europäer zu gentechnisch veränderten Lebensmitteln obsolet.

  • Ich habe den Eindruck, daß hier alle, die überhaupt die Möglichkeit eines solchen Abkommens in Erwägung ziehen, ihr ökologisches Denken längst eingestellt haben. Weniger, statt mehr Freihandel wäre doch die ökologisch sinnvolle Devise! Es mag lebenswichtige Güter geben, die man regionalwirtschaftlich nicht einfach wird ersetzen können und die deshalb importiert werden müssen. Ansonsten besteht doch der derzeitige ökonomische Schwachsinn darin, daß überwiegend regional ersetzbare, meist jedoch vollkommen überflüssige Waren unter immensem Energieeinsatz und großer Umweltverschmutzung über die Ozeane transportiert werden. Ich wiederhole: Größtenteils Dinge, die regionalwirtschaftlich produzierbar wären bzw. an deren Besitz Existenz und Lebensglück nicht hängen. Dieser ganze weltumspannende Handel ist größtenteils Irrsinn allein angesichts seiner ökologischen Folgen, hinzu kommen die ökonomischen und sozialen, die ganze Bevölkerungen arm machen und ihre Länder verwüsten. Von Kriegen zur Markterschließung ganz zu schweigen.

    Einzig sinnvolle Abkommen würden meiner Ansicht nach in der Reduzierung des Welthandels auf das Notwendigste und in der Stärkung der Demokratie gegenüber den Konzernen bestehen. Die Lobbyisten des Freihandels-Irrsinns versuchen es natürlich überall, auch bei der linken TAZ. "Keinen Fußbreit den multinationalen Konzernen!" - nur so als Anregung ...

  • 3G
    3618 (Profil gelöscht)

    Tatsächlich soll der "Goldstandard" alle anderen Staaten unter das Regime der Konzerne zwingen.

    Ja, und es gibt schon einige Freihandelsabkommen zwischen der EU und Schwellenländern, was da keineswegs zu deren Vorteil ist.

    Weitere sind in Planung, mit Indien und mit afrikanischen Staaten.

    In Indien gibt es heftige Gegenwehr.

    Fakt ist, dass Freihandel noch schädlicher ist, wenn die Vertrags"partner" eine unterschiedlich entwickelte Wirtschaft haben.

    Die Industriestaaten, die jetzt alle anderen Länder zu offenen Märkten "überreden" wollen, haben ihre Wirtschaft lange Jahrzehnte gegen ausländische Konkurrenz geschützt. Das wird beim Freihandel den schwächeren "Partnern" verwehrt.

    Insofern ist die EU keinen Deut besser als die USA.

    Es geht immer und überall um die Macht der Konzerne.

  • "Die Schlichtung ist für alle Beteiligten deutlich günstiger als der Gang vor die Gerichte. "

    Ob es fuer einen Beteiligten, der sich ein transparenteres rechtsstaatl. Verfahren gewuenscht haette und unterliegt, billiger wird, ist wohl durchschnittlich nur zu 50 % richtig. Schlechtes Argument

  • Teil1:

    „Das können sie natürlich. Aber wir wollen ein Abkommen, das so umfassend wie möglich ist. Dazu gehören auch außergerichtliche Schiedsgerichte, wo Unternehmen gegen Staaten klagen können. Wir haben hier die Gelegenheit, einen „Goldstandard“ zu setzen, der dem Rest der Welt zeigt, was die richtigen Parameter für ein Handels- und Investitionsabkommen sind.“

    Dann bitte nie wieder ein Freihandelsabkommen! Es kann doch nicht sein, dass die EU und die USA im Interesse des Kapitals ihre eigenen Rechtsstaaten und Demokratien aushebeln.

    „Die Klauseln gegen Diskriminierung von Unternehmen sind auch wichtig, wenn man mit anderen Staaten verhandelt. Die Schwellenländer sagen nämlich: Wenn ihr Investorenschutzklauseln nicht bei den Industrieländern vereinbart, solltet ihr sie auch nicht von uns fordern. Damit beginnt eine Abwärtsspirale, die wir nicht wollen.“

    Diskriminierung von Unternehmen… Naja… Das bedarf keines weiteren Kommentares. Aber meines Wissens hat die Nichtexistenz von Investitionsschutzklauseln zwischen Industrienationen bisher noch nicht dazu geführt, dass ein Freihandelsabkommen mit einem Schwellenland nicht zustande gekommen wäre. Man redet ein Problem herbei, welches nicht existiert, um diese falsche Politik legitimeren zu können.

    „Es gibt verschiedene Möglichkeiten, diese Dispute zu lösen. Die Schlichtung ist nicht per se ein Problem. Es gibt auch keine so großen Unterschiede bei den Resultaten zwischen Gerichten und Schiedsgerichten.“

    Ich habe keine eigenen Zahlen, aber in allen Dokumentationen die ich gesehen und Berichten, die ich gelesen habe, wurde genau das Gegenteil behauptet. Zumindest wird immer wieder die Tatsache dargelegt, dass die zutiefst undemokratischen Schiedsgerichte in 80-90 Prozent im Interesse des Kapitals entscheiden.

    „Das System hat sich bewährt und kommt mit sehr komplizierten Umständen und Fällen zurecht.“

    • @Manuel:

      Teil2:

      Das kommen staatliche Gerichte in Europa und den USA auch und diese sind dazu sogar noch rechtsstaatlich organisiert und demokratisch legitimiert und nicht durch das von Frau Hermann und/oder Herr Pötter genannte Geld der Wirtschaft korrumpiert.

      „Und es stimmt auch nicht, dass diese Verhandlungen außerhalb der Gesetze stehen oder illegitim sind.“

      Das stimmt leider, sobald man Gesetze, wie das Freihandelsabkommen TTIP erlässt, welches den gesetzlichen Rahmen zur Enddemokratisierung des Verhältnisses zwischen Staaten und Unternehmen schafft.

      „Niemand hat je vorgeschlagen, dass wir Leute zwingen wollen, Gentechnik zu gebrauchen oder zu essen. Die Leute sollen wählen können, ob sie bestimmte Dinge kaufen möchten. So funktioniert ein freier Markt.“

      Und da es auch in Europa eine starke Progentech Lobby gibt, was Frau Novelli sicherlich nur zu gut weiß, hieße dies, dass nicht die Verbraucher oder die Politik, sondern diese Unternehmen entscheiden, gentechnisch veränderte Lebensmittel anzubauen und zu vertreiben.

      „Sie nicht. Aber es gibt eine Menge Leute, die solche Sorgen schüren. Und es gibt bestimmte Sorten von gentechnisch veränderten Mais, die für Tierfutter bereits eingeführt werden können.“

      Das stimmt und ist traurig, legitimiert aber noch immer nicht die durch Lobbys und solche Politikberater erzwungene Einführung dieser Lebensmittel auch noch direkt für den menschlichen Verzehr.

      „Außerdem wollen wir die Transparenz erhöhen und für Partizipation sorgen, damit alle Stimmen gehört werden.“

      Und wann genau soll dies sein? Am Ende der Verhandlungen, wenn die Vereinbarung im „Optimalfall“ bereits unterzeichnet ist? Bisher ist davon nichts zu sehen!

      „Ich weiß nicht, wie man dieses Wachstum misst, es wird aber bedeutend sein, und zwar jährlich. Neben den großen Unternehmen ist es vor allem der Mittelstand, der Motor der Exportwirtschaft, der profitieren wird.“

      • @Manuel:

        Teil3:

        Leere Phrasen, gerade in Anbetracht der Tatsache, dass die Frau selbst zugibt, nicht zu wissen, wie die Wachstumsraten zu ermitteln sein und dann nicht einmal auf die Vorgebrachten eingeht.

        „Es gab hier die BSE-Kühe oder die vergifteten Blutkonserven in Frankreich. Aber niemand in den USA sagt deshalb: Oh mein Gott, jetzt können wir keine französischen Tomaten mehr essen!“

        Geht es nur mir so, oder ist auch diese Anmerkung nicht gerade stringent?

        „Wenn die Standards nur anders sind, wozu braucht es ein riesiges Abkommen wie TTIP?“

        Und genau das ist die richtige Frage, die für mich auch am Ende dieses Interviews noch steht und welche Frau Novelli sicherlich nicht hat ausräumen können, ganz im Gegenteil…

        Vielen Dank an die taz für dieses Interview, das die Position der Politik sehr schön entlarvt. Es ist pervers!

        Generelle Opposition gegen TTIP ist nach wie vor angebracht! Es wäre ein Skandal, wenn wir unsere Demokratien willfährig vor den Karren des Kapitals spannen würden!

        • @Manuel:

          Danke für die Klarstellungen @MANUEL! Die Frau ist clever...

          Und TTIP ist doof...

  • Aber klar doch, der grosse "Lehrmeister Uncle Sam" mitsamt Lobbyanhang will uns mal wieder die Welt erklären.

     

    Danke fürs Gespräch, aber seine ach so tollen Weisheiten und die nackte Realität der US-Politik im Weltgeschehen der letzten 50 Jahre haben schon genug Unheil angerichtet.

     

    Das bedarf nun wirklich keiner Fortsetzung mehr !

  • Immer wieder interessant, wenn Lobbyisten mal offener sprechen. Das anbiedernde "du" irritiert etwas, soll aber wohl Vertrautheit herstellen. Es muss aber allen Beteiligten klar sein, hier geht es nicht darum mit n paar Kumpels n Grillabend zu organisieren.

     

    Entlarvend ist diese Passage:

    "Aber ordentliche Gerichtsverfahren sind transparent, Schlichtungen nicht.

     

    Die Schlichtung ist für alle Beteiligten deutlich günstiger als der Gang vor die Gerichte."

     

    Es kommt der Frau offenbar nicht auf Transparenz und demokratische Kontrolle, sondern auf Kosteneffizienz an. Da sieht mensch, wohin die Reise gehen soll!

     

    Auch interssant ist die typische Lobbyistenleier von der Freiwilligkeit!

     

    "Wir wollen die Gelegenheit, gentechnisch veränderte Lebensmittel hier in Europa zu vermarkten, dann können die Verbraucher entscheiden."

     

    Zu einer informierten Verbraucherentscheidung braucht es Transparenz. Es ist jedoch (siehe oben) nicht zu erwarten, dass es solche Transparenz geben wird.

     

    Fazit: TTIP unbedingt verhindern!

    • @Dhimitry:

      Das "du" ziehen die auch in vollamerikanischen Unternehmen in Deutschland ab, z.B. Microsoft. Amis passen sich halt nicht an, man muss sich ihnen anpassen...das bezieht sich auch auf das Gelaber der "Freiwilligkeit", wie auch in anderen Bereichen...Wer nicht freiwillig mitmacht wird gefeuert oder geächtet.

       

      TTIP verhindern! Ja, sind wir mal einer Meinung

  • Naja, ein Interview mit einer Juristin halt.

    Ich konstruiere mal so vor mich hin:

    Ausgangspunkt: Wir zwingen keinen Genfood zu konsumieren.

    Schritt 1: TTIP wird kommen.

    Schritt 2: Genfood muß in Europa etikettiert werden.

    Schritt 3: US Unternehmen verklagen diverse Länder weil die Etikettierung einen Wettbewerbsnachteil bedeutet.

    Schritt 4: Etikettierung fällt weg.

    Irgendwie habe ich das Gefühl, daß es so kommen könnte. Bei diesem und in vielen anderen Fällen.

    Man sollte sich immer fragen: Wer hat den größten Vorteil.

    Und da hauptsächlich die Amis darauf brennen, glaube ich nicht, daß wir da einen guten Stich machen.

    • @Hendrik Buhr:

      Stellt sich die Frage warum eine Etikettierung von Genfood einen Nachteil darstellen sollte. Denn im Endeffekt hat der Verbrauchen sonst überhaupt keine Möglichkeit eine Wahl zwischen den beiden Produktionsverfahren zu wählen.

       

      Wenn ich mir Möbel kaufe will ich ja auch wissen, ob das Holz oder Furnier/ Tapete auf Pressspan ist.

      • @insLot:

        Weil ich denke, daß die Einstellung zu Genfood bei Europäern und Amerikanern unterschiedlich ist. Einem Großteil der Amerikaner egaler als einem Großteil der z.B. Deutschen.

    • @Hendrik Buhr:

      Ja. Und jetzt sag mir bitte noch wie wir es verhindern können.

      • 9G
        90191 (Profil gelöscht)
        @fornax [alias flex/alias flux]:

        Ja, da müßte der deutsche Michel [...] sich gegen die Obrigkeit auflehnen, was heißt: Massenproteste und Streik bis zum Äußersten - letzteres natürlich, ohne vorher die Gewerkschaften zu fragen.

         

        Aber wie schon Lenin sagte: Wenn deutsche Revolutionäre einen Bahnhof stürmen, lösen sie vorher eine Bahnsteigkarte.

         

         

        [Die Moderation: Kommentar gekürzt ohne den Sinn zu beeinträchtigen.]

        • @90191 (Profil gelöscht):

          Ja gut, deinen gekürzten Kommentar konnte ich jetzt nicht lesen. Ich seh es genauso. Die Bolschewiki würd ich aber weglassen :-)

      • @fornax [alias flex/alias flux]:

        Im Ernst: Wahrscheinlich gar nicht, weil Politiker nicht auf Wähler hören. Politiker haben mehr Überblick und Ahnung als wir Dummbatzen.

        Im Spaß: REVOLUTION !

         

        Man wird, bzw. wir werden TTIP nicht verhindern. Industrie und "soziale" Marktwirtschaft haben einen höheren Stellenwert als die Menschen.

        • @Hendrik Buhr:

          Ja leider. Das klingt aber auch hoffnungslos. Solche Sachen wären was für Volksabstimmungen. Ich will die anderen Parteien nicht verteidigen. Aber mit Merkel ist das schon extrem. Aber gut, nach der Wahl, wie immer, hat die SPD auch nicht mehr von Aussetzen der Verhandlungen gesprochen. Und die Grünen hätten das Selbe gemacht. Letzten Endes läuft da viel über die EU und das wurde alles schön von uns wegmanövriert, Motto: die kümmern sich nur um Gurkenkrümmungen...

  • Interessantes Interview.

    Frage 1 zu " Interessanterweise war es ja gerade Deutschland, das diese Schiedsgerichte erfunden hat.": Gibt es hier eine Referenz?

    Und dann Frage 2 zu "Wir denken heute, dass das ein Fehler war.": Stimmt das wirklich? Ich fürchte, da gibt es leider auch hier in Deutschland nur sehr wenige einflussreiche Kräfte, die den Anstand besitzen, auch Entwicklungsländern ein selbstbestimmtes Leben und Wirtschaften ohne Schiedsgerichte zuzubilligen. Und in Anbetracht früherer Pro-TTIP-Kommentare habe ich da leider auch bei taz-Journalisten meine Zweifel...

    • @XXX:

      Die moderne Schiedsgerichtsbarkeit lässt sich zurückverfolgen zu den zwischen dem Königreich Großbritannien und den USA im Rahmen des Jay-Vertrags eingerichteten Schiedsgericht, das Fragen zum Grenzverlauf zum britischen Kanada regeln sollte.

      - Wikipedia

  • "Jede Schlichtung kostet im Schnitt 8 Millionen Dollar. Schwer vorstellbar, dass Gerichte teurer sind. Und Studien zeigen, dass die Schlichter die Unternehmen bevorzugen, weil sie von deren Gebühren leben.

    Das kann ich mir nicht vorstellen. Wir hatten 17 Fälle in 30 Jahren. Und nicht einen hat die US-Regierung verloren. "

     

    Das heißt konkret: Verklagt eine Firma von anderswo die US-Regierung, gewinnt die US-Regierung. Verklagt eine US-Firma eine Regierung anderswo, gewinnt die US-Firma. Super System! Müssen wir haben!!! *räusper* Da zahlen wir die Schlichtungsgebühren doch gerne...

  • Nicht sehr überzeugend, die Frau Novelli. Man könnte ein TTIP befürworten, wenn man (i)wüsste, was genau drin stehen soll, (ii) Lebensmittel ausgenommen werden (natürlich hat man als Europäer in den USA Angst, zu essen, man hat nur keine andere Wahl, wenn man nicht verhungern will; un dass Frau Novelli ihre genmanipulierten Lebensmittel eben nicht kennzeichnen und uns unterjubeln will, kann man ihrer Aussage wohl entnehmen), und (iii) die Schiedsgerichte ausgeschlossen werden. Schiedsgerichte zwischen Privaten sind sinnvoll, bei Staaten eher nicht, insbesondere nicht, wenn US-Richter dort drin sitzen, die dann, wie in den USA üblich, absurde Strafen gegen den deutschen Staate verhängen könnten.

     

    Also: Freihandel grds ja, aber mit den genannten Prämissen.