SPD in Berlin: Wowereit geht, Partei wächst
SPD-Genosse werden ist dank des Mitgliedervotums wieder attraktiv: Die Zahl der SPD-Beitritte hat sich seit Ende August verdoppelt. Kandidat Stöß wirbt derweil für sich.
Der Kampf um die Nachfolge von Klaus Wowereit beschert der Berliner SPD steigende Mitgliederzahlen. „Im Moment verzeichnen wir doppelt so viele Eintritte wie sonst“, sagte Parteisprecherin Josephine Steffen am Mittwoch der taz. Seit Ende August habe es 80 Neuzugänge gegeben. Diese Zahl dürfte in den nächsten Tagen weitersteigen: Wer noch bis zum 19. September eintritt, ist beim Mitgliedervotum dabei.
Die Neuen haben wie alle der rund 17.000 Berliner SPD-Mitglieder das kleine, aber feine Vergnügen, den Wowereit-Nachfolger per Briefwahl zu bestimmen. Beworben haben sich Landeschef Jan Stöß, Fraktionschef Raed Saleh und Stadtentwicklungssenator Michael Müller. Auch Dietmar Arnold, Vorsitzender des Vereins Berliner Unterwelten, warf seinen Hut in den Ring, muss aber noch formale Hürden nehmen, um tatsächlich antreten zu können. Bekommt kein Kandidat die absolute Mehrheit, gibt es eine Stichwahl. Spätestens am 6. November soll feststehen, wer bis zur nächsten Wahl 2016 im Roten Rathaus regiert.
Mehr Mitbestimmung
Die neuen Mitglieder könnten bei einem knappen Ausgang der Abstimmung am Ende das Zünglein an der Waage sein. Gruppenbeitritte, die auf eine politische Unterwanderung hindeuteten, seien bislang aber nicht auszumachen, „es handelt sich um Einzelpersonen“, sagt Parteisprecherin Steffen.
„Ich finde gut, wenn es mehr innerparteiliche Demokratie gibt und nicht alles in Hinterzimmern ausgekartelt wird“, begründete ein frisch gebackener Genosse aus Friedrichshain-Kreuzberg seinen SPD-Eintritt. Bislang habe er sich noch auf keinen der Kandidaten festgelegt. „Müller und Stöß kommen mir farblos vor, da wäre Saleh schon interessanter“, sagte er. Er wolle sich aber zunächst persönlich von allen ein Bild machen – und dann entscheiden. Dazu bieten sich vier Mitgliederforen ab dem 23. September mit den Kandidaten und Auftritte in fast allen der zwölf Kreisverbände an.
Die SPD wirbt auf ihrer Website offensiv mit dem Votum. „Jetzt Mitglied werden und mitbestimmen“, leuchtet es in weißen Lettern auf rotem Grund. Der neue Genosse aus Friedrichshain-Kreuzberg weiß nicht, ob er auch langfristig in der SPD bleiben werde. „Gut möglich, dass ich nach dem Mitgliedervotum gleich wieder austrete.“
Der Wahlkampf ist längst eröffnet. Im taz-Interview stellte sich Jan Stöß als Gegenmodell zu seinem Mitbewerber Michael Müller dar. Der verkörpere „als langjähriger Weggefährte und Stellvertreter Klaus Wowereits eine Fortsetzung der bisherigen Politik“. Er selbst hingegen stehe für „Neuanfang und frischen Wind“ in einigen Bereichen. Die neue Zeit brauche neue Antworten, sagte Stöß, der Müller vor zwei Jahren Landesparteichef der Sozialdemokraten ablöste. „Ich will die Stadt wirklich verändern und nicht nur darüber reden.“
Stöß, der sich selbst als Parteilinker sieht, hätte nach der Abgeordnetenhauswahl 2011 lieber mit den Grünen statt mit der CDU koaliert. Dennoch mag er sich jetzt nicht auf ein solches Bündnis oder auf Rot-Rot-Grün festlegen. Er schloss lediglich aus, die jetzige Koalition mit den Christdemokraten auch als kleinerer Partner fortzusetzen – auch in der neuesten Umfrage liegt die CDU mit 29 Prozent weit vor der SPD mit 24 Prozent. „Eine Koalition mit der SPD als Juniorpartner wird es mit mir nicht geben“, kündigte Stöß an.
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