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Naturschützer sammeln Vogel-DatenDie Schreiadler-Spionage

Der kleinste Adler Deutschlands ist gefährdet. Daher wird er beim Fliegen beobachtet: Auf seiner Reise in den Süden überwacht ein Sender den Vogel.

Nach Südostafrika und wieder zurück: Der Schreiadler ist ein Zugvogel. Bild: NABU Bernd-Ulrich Meyburg

BERLIN taz | Alle zwei Minuten ortet der winzige Sender die Position von Panni. Dem Schreiadler ist ein 30 Gramm leichter Rucksack umgeschnallt, darin liegt ein Mobilfunksender. Via Handy-Ortung lokalisiert er den Vogel, speichert die Daten und schickt sie per SMS jede Stunde an den Naturschutzbund Deutschland (Nabu). Die Naturschützer wollen die Daten nutzen, um die Tiere wirksamer zu schützen. Wo Panni fliegt, wie hoch, wie schnell und wann er Pausen macht – die Experten verfolgen den Schreiadler rund um die Uhr. Bis im Frühjahr die Verbindung in Rumänien abbricht.

Schreiadler sind die kleinsten und seltensten Adler in Deutschland. Sie sind nur 61 bis 66 Zentimeter groß und betreiben Kainismus: Die Adler brüten jeweils zwei Eier aus, das Jüngere ist jedoch nur Reserve und wird an das Ältere verfüttert. Noch etwa 100 Paare brüten in Deutschland, davon etwa drei Viertel in Mecklenburg-Vorpommern und rund 25 Paare in Brandenburg. „Jedes Jahr werden es weniger“, sagt Lars Lachmann, Vogelexperte vom Nabu.

Im September ziehen die Schreiadler von Deutschland über den Bosporus und den Sinai nach Südostafrika, um dort zu überwintern. Die Zivilisation ist der größte Feind des Schreiadlers. Die Vögel haben weder genügend Grünflächen, um Wühlmäuse zu jagen, noch ausreichend ungestörte Wälder zum Brüten. Auf ihrem Zugweg, meist mit dem Ziel Sambia oder Simbabwe, kommen ihnen häufig Windräder und Stromleitungen in die Quere. „Außerdem werden die seltenen Adler abgeschossen“, sagt Lachmann, „zum Spaß als Männlichkeitsattitüde oder um schießen zu üben“.

Der Verein will den Adler schützen: Der Naturschutzbund kauft Brutgebiete der Raubvögel auf, um diese naturschutzgerecht zu verwalten. Als Notfallmaßnahme, so erklärt Lachmann, züchte der Nabu momentan sogar die Zweitküken künstlich auf. So würden diese nicht von ihrem älteren Geschwister gefressen.

Daten geben Aufschluss darüber, ob Windparks die Adler gefährden

Mit den über das Handynetz gewonnenen Daten, möchte der Nabu Einfluss auf die Planung von Windrädern nehmen, wenn diese die Schreiadler gefährden. So hat der Verein Widerspruch gegen die Genehmigung des geplanten Windparks Jördenstorf in Mecklenburg-Vorpommern eingelegt. Der Standort sei zu nah am Brutgebiet der Vögel.

Schreiadler Panni ist übrigens unversehrt in Deutschland angekommen. Nur der Handysender war unterwegs beschädigt worden. Diesen Herbst fliegt er wieder los, um im Südosten Afrikas zu überwintern.

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