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Debatte Kampf um KobaniDas Kalkül der PKK

Daniel Bax
Kommentar von Daniel Bax

Die Türkei und die Kurden sind uneins, wie Kobani zu retten sei. Doch gegen den „Islamischen Staat“ können sie nur gemeinsam gewinnen.

In Sichtweite westlicher Kameras: kurdisches Mädchen aus Kobani. Bild: ap

D ie verbotene Kurdische Arbeiterpartei PKK lässt die Muskeln spielen. Mehr als 20.000 Menschen sind am Samstag dem Aufruf ihr nahestehender Vereine gefolgt. Die Großdemo in Düsseldorf bildete den Höhepunkt einer Woche voller Kundgebungen in ganz Europa, in der unter anderem Parteizentralen besetzt, Bahnhofsgleise blockiert und Fernsehsender belagert wurden. Mit Ausnahme von Celle und Hamburg, wo es zu Ausschreitungen kam, blieb es dabei friedlich.

Es gibt zwei Gründe, warum die Lage in Kobani jetzt vor aller Augen steht. Zum einen liegt der Ort direkt an der Grenze zur Türkei und damit in Sichtweite westlicher Kameras. Das dramatische Geschehen dort erfährt deshalb viel mehr Aufmerksamkeit als der aktuelle Vormarsch der Milizen des Islamischen Staats in der irakischen Provinz Anbar oder die Zustände in der nordirakischen Millionenstadt Mossul, die schon seit Juli in den Händen der Dschihadisten ist.

Und zum anderen hat die PKK Kobani zu einem Symbol erklärt. Rojava, wie die PKK den Norden Syriens nennt, hat für sie besondere Bedeutung, denn dort setzt sie das aktuelle Gesellschäftsmodell ihres politischen Anführers Abdullah Öcalan um, „demokratischer Konföderalismus“ genannt – auf dem Papier eine Art Rätedemokratie mit Selbstverwaltung und Basisdemokratie, ökologisch und gleichberechtigt zugleich.

Kritiker dagegen sagen, der syrische Arm der PKK, die Partei der Demokratischen Union (PYD), setze dort die Diktatur des Assad-Regimes fort und habe sie bloß mit einem kurdischen Anstrich versehen. Außerdem arbeite sie heimlich mit dem Regime zusammen.

Für diesen Verdacht gibt es einen Grund. Seit dem Sommer 2011, als ihr das Assad-Regime kampflos das Feld räumte, hat sich die PYD nie der Freien Syrischen Armee angeschlossen, in der sich vor allem die bewaffneten sunnitischen Widerstandsgruppen versammeln, die gegen das Regime in Damaskus kämpfen. Stattdessen toleriert die PYD bis heute Stellungen von Assads Armee auf ihrem Gebiet, während sie andere Rebellengruppen zuweilen bekämpft hat. Die Beziehungen gehen auf die Allianz der PKK mit dem Regime in Damaskus zurück, die fast so alt ist wie die türkische Guerillaorganisation selbst. Von 1979 bis 1998 gewährte das Assad-Regime dem PKK-Chef Öcalan und seinen Kämpfern Asyl und ließ sie sogar anfangs in der Bekaa-Ebene des Libanon ausbilden.

Friedensprozess bedroht

Die PYD in Syrien entstand 2003 als verlängerter Arm der PKK. Weil sie über Waffen verfügte, gelang es ihr nach dem Aufstand gegen Baschir al-Assad rasch, im Norden Syriens die anderen syrischen Kurdenparteien, die sich im Kurdischen Nationalrat zusammengeschlossen haben, zu verdrängen und zur Seite zu schieben.

Ein Eingreifen des Westens im syrischen Bürgerkrieg lehnte die PYD bis vor Kurzem noch kategorisch ab. Doch jetzt fordert die Schwesterpartei der PKK stärkere Luftangriffe der USA gegen die IS-Milizen vor Kobani und von der Türkei, einen Korridor für Kämpfer und Waffen in die umkämpfte Stadt frei zu machen. Konkret bat ihr Anführer Salih Muslim nach einem Treffen in Ankara um schweres Gerät wie Milan-Raketen und panzerbrechende Waffen, wie sie die Peschmerga im Nordirak erhalten haben. Das aber lehnt die Türkei ab, denn sie betrachtet die PKK noch immer als eine Terrororganisation.

Die Idee des türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan, im Norden Syriens eine Pufferzone und eine Flugverbotszone zu errichten, lehnt wiederum die PYD strikt ab. Einen geplanten Einmarsch türkischer Truppen betrachtet sie als Versuch, selbst die Kontrolle über das Gebiet zu erlangen. Die türkische Armee wird deshalb kaum eingreifen, wenn sie befürchten muss, als Besatzungsmacht angegriffen zu werden. Und die PKK erweckt den Eindruck, lieber ihre Kämpfer den Heldentod in Kobani sterben zu lassen, als Kompromisse einzugehen. Im Gegenteil, sie droht der Türkei: Sollte Kobani fallen, will sie den Friedensprozess aufkündigen, der den Konflikt beenden soll, der allein in den neunziger Jahren in der Türkei mehr als 30.000 Menschen das Leben kostete.

Warnschuss in Diyarbakir

Die Ausschreitungen, bei denen in der letzten Woche in der Türkei mehr als 30 Menschen starben, bilden ein Vorgeschmack auf das, was dem Land dann blühen würde. Schon vor zwei Wochen verübte ein Flügel der PKK bei Diyarbakir einen Anschlag, bei dem drei Polizisten ums Leben kamen – ein Warnschuss.

Die PKK strotzt vor Selbstbewusstsein, und die Waffenlieferungen an die Kurden im Nordirak haben die innerkurdische Rivalität angestachelt. Zähneknirschend musste die PKK mit ansehen, wie ausgerechnet die Autonomieregierung von Mustafa Barsani in Erbil vom Westen mit Waffen belohnt wurde, obwohl deren Peschmerga-Einheiten doch die Jesiden in der Sindschar-Region im Nordirak schmählich im Stich gelassen hatten. Es waren vor allem Kämpfer der PKK und der PYG, die ihnen bei der Flucht über das Sindschar-Gebirge im Nordirak auf syrisches Gebiet halfen. Aufmerksam hat die PKK auch registriert, wie deutsche Politiker und Medien inzwischen das PKK-Verbot infrage stellen. Schützenhilfe erhält sie auch von Journalisten, die behaupten zu wissen, „was die Kurden wollen“, aber letztlich nur die PKK-Position wiedergeben.

Das befördert ihre Hybris. Doch es wird der PKK und der mit ihr verbrüderten PYD kaum gelingen, sich jetzt gegen den Willen der Türkei dem Westen als Partner gegen die IS-Milizen anzubieten, wie sie es versucht. Allein wären ihre Kämpfer auch mit besseren Waffen gar nicht in der Lage, bereits verlorene Gebiete zurückzuerobern. Es gibt für die Kurden in Syrien keine Alternative zum Schulterschluss mit der Türkei, die als einzige Regionalmacht über die notwendigen Bodentruppen verfügt. Auch für die Türkei wäre es eine Chance, die Herzen der Kurden zu erobern, wenn sie hilft, Kobani und die überwiegend kurdisch bevölkerten Gebiete im Norden Syriens vor den IS-Milizen zu retten.

Den Islamischen Staat können sie jedenfalls nur gemeinsam schlagen, die Kurden und die Türkei. Getrennt werden beide Seiten nur verlieren.

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Daniel Bax
Redakteur
Daniel Bax ist Redakteur im Regieressort der taz. Er schreibt über Politik und Popkultur – inbesondere über die deutsche Innen- und Außenpolitik, die Migrations- und Kulturpolitik sowie über Nahost-Debatten und andere Kulturkämpfe, Muslime und andere Minderheiten sowie über die Linkspartei und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW). 2015 erschien sein Buch “Angst ums Abendland” über antimuslimischen Rassismus. 2018 folgte das Buch “Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind.”
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32 Kommentare

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  • Herr Bax,

    mit ihrer Einschätzung erklären Sie die Türkei zur Regionalmacht "die als einzige Regionalmacht über die notwendigen Bodentruppen verfügt."

     

    Die Erdogan-Davutoglu-AKP-Gruppe versucht zur Regionalmacht aufzustreben und kämpft daher mit anderen Mitteln als die Regionalmächte Saudi-Arabien und Iran, die vor allem erst mal an ihrer Stelle "sitzen".

     

    "Auch für die Türkei wäre es eine Chance, die Herzen der Kurden zu erobern, wenn sie hilft, Kobani und die überwiegend kurdisch bevölkerten Gebiete im Norden Syriens vor den IS-Milizen zu retten."

    Ein frommer Wunsch der grünen Diplomatie - aber

    Erdogan & Co. wollen keine kurdischen Herzen gewinnen, sondern (mit Sivan Perwers Auftritt) die Kurden spalten.

     

    Warum sollte ein kemalistischer Türkismus legitimer sein als eine geeinte kurdische Nation?

    - Klar, die neue Öcalan-Linie klingt positiv und "Mehr Demokratie" wäre auf jeden Fall erst mal zu begrüßen.

    - Es ist falsch die PKK weiterhin als Terrororganisation zu bezeichnen.

     

    Erdogan läßt lieber auf KurdInnen schließen als seine Panzer auf die Kalifatisten.

     

    Was bei den meisten (linken) Einschätzungen fehlt:

    Das Assad-Regime ist von Beginn an ein Terrorstaat, ein Unrechtsstaat ohne Legitimation, das die Bevölkerung erpresst, vernichtet und aushungert.

     

    Aus der Perspektive der Lokalen Kooridinierungskomitees wäre auch eine starke einheimische - leider religiöse - Gesellschaft OHNE STAATEN praktisch möglich.

     

    Westliche Politik hat nur Stabilisierungsinteressen - und nimmt Massaker in Kauf.

    Freiheit für alle!

    • @KB:

      Junge Welt Überschrift:

       

      "Staaten zerschlagen

      Westliche Strategen planen eine »Neuordnung« des Mittleren Ostens. Das setzt die Zerstörung der territorialen Einheit Syriens und des Irak voraus. Dieser Prozess spielt sich gegenwärtig ab"

       

      Ja klar, darum geht´s. Oder auch als "Demokratisierung des Greater Middle East" http://www.bpb.de/apuz/28717/demokratisierung-des-greater-middle-east?p=all oder Umbau des Greater Middle East http://de.wikipedia.org/wiki/Gro%C3%9Fraum_Mittlerer_Osten oder "Greater Middle East Project bekannt".

       

      Wenn man´s komprimiert haben will eignet sich auch der NWO Silvercoin, wo die geplanten 10 Weltregionen abgebildet sind http://www.momssilvershop.com/new_world_order.php

       

      Der Arab Spring, Irakkrieg usw. waren nichts anderes als die Umsetzung.

       

      Als Marketing eignet sich das nicht so gut: "wir unterhalten Terrornetzwerke als Bodentruppen" oder "wir wollen uns die Länder einheimsen". Also muss man halt was von Menschenrechten und Demokratie faseln um die Bürger zu überzeugen (gute Tat usw.).

  • der kerl heißt wenn schon baschar, nicht baschir.

  • Ein Artikel zur Problematik in Rojava und der südöstlichen Türkei, der mit keinem Wort erwähnt, dass die AKP-Regierung für IS-Anhänger die Grenzen jahrelang offengehalten hat und immer noch offenhält und den IS möglicherweise sogar mit Waffenlieferung unterstützt hat, während mit Gewalt versucht wird die Grenze für kurdische KämpferInnen zu schließen, ist nicht ernstzunehmen.

    Es gibt hier nur eine Partei, die den ersten Schritt machen kann: die Türkei, indem ein kurdischer Korridor nach Kobane zugelassen wird. Das geschieht aber nicht, weil es nicht im Interesse der AKP-Regierung ist.

    "Die PKK erweckt den Eindruck, lieber ihre Kämpfer in Kobane den Heldentod sterben zu lassen, als Kompromisse einzugehen". Als Aussage von einem gut bezahlten TAZ-Redakteur im sicheren Deutschland an Zynismus kaum zu überbieten. Wahrscheinlich hält er das noch für eine total kluge und differenzierte Analyse.

    Das die PYD zu Beginn des Bürgerkrieges sich mit dem Assad-Regime arrangiert hat, um ihre autonome Zone zu schaffen und teils Kämpfe mit der FSA ausgefochten hat war ein notweniger Widerspruch, wenn man ein vergleichsweise demokratische, sicher und vor allem multiethnisch/ -religiöse Zone schafft mitten im Bügerkrieg.

    Im übrigen arbeiten PYD/YPG/YPJ und FSA zur Zeit zusammen gegen den IS und das Regime. Einfach mal Google und Wiki bemühen.

    Bei aller Kritik am Stalinismus der PKK in den 90ern und dem andauernden Führerkult sollte Herr Bax angesichts der jetzigen Situation vielleicht mal seinen staatstreuen Reflex ("PKK = verboten in BRD = ganz schlimm") überdenken. Wenn man keine Ahnung hat bzw. schlimmer keine Ahnung haben will, einfach mal die Klappe halten.

    • @Doomy:

      Sehr gut gesehen, meine ich, auch die Sicht auf "notwendige Widersprüche". Doch beim Schluß Zitat: "...überdenken. Wenn man keine Ahnung hat bzw. schlimmer keine Ahnung haben will, einfach mal die Klappe halten." schießt du "etwas" übers Ziel hinaus, das ist Nachtreten und gibt der Diskussion einen unschönen Beigeschmack..Es geht hier nicht um Klappe halten, sondern die Diskussion führen und halten. Dazu danke nochmals für Deinen Beitrag. Schönen Tag.

      • @Zeuge14:

        Ja, da hast du vielleicht Recht, war etwas unschön. Die Haltung von Herrn Bax hat mich etwas wütend gemacht, weil er Tatsachen unterschlägt, um seinen zweifelhaften Punkt stark zu machen. Auch in einem Kommentar ist das kein guter Journalismus.

  • Dass die PKK gefährlich ist, hat allein die türkische Führung zu verschulden und allein sie könnte diesen grundsätzlich und besonders in dieser Situation unangebrachten Konflikt beilegen. Seit man aus dem Rest des osmanischen Vielvölkerstaates einen türkischen Nationalstaat geschustert hat, werden die Minderheiten verleugnet, und wenn sie nicht stillschweigen, gewalttätig unterdrückt. So unverschämt wie 1915 kann man es heutzutage freilich nicht mehr machen, aber es steht in genau dieser Tradition. Ein Freiheitskampf, den viele Kurden offenbar als nötiges Übel betrachten, ist die logische Folge der türkischen Machtgier und wäre nicht mehr notwendig, würden die Türken den kurdischen Gebieten schrittweise mehr und mehr Autonomie und schließlich Unabhängigkeit zugestehen - leider eine Utopie. Nun mag diese Position kontrovers sein. Was aber PKK-nahe Gruppen in Syrien betreiben, das muss jedem, der sich vorstellt, selbst mit veralteten Waffen (zum Teil aus dem zweiten Weltkriege) den modernst hochgerüsteten und unmenschlich blutrünstigen IS-Kriegern gegenüber zu stehen, als eine Reihe von Heldentaten erscheinen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Leute, die in Kobanê verzweifelt gegen die erschreckende Übermacht des IS kämpfen, ein anderes politisches Ziel im Kopf haben, als Widerstand gegen die blutige Barbarei des IS. Damit verdienen sie moralische Anerkennung und militärische Unterstützung. Der kurdenfeindliche Kurs der türkischen Politik war schon immer ein Verbrechen an den Kurden, bald aber könnte er ein Verbrechen an den Türken sein. Der Kampf gegen den IS erfordert Völkerverständigung und Zusammenhalt - illegitime Hegemonialforderungen sind kontraproduktiv.

    • @Ein alter Kauz:

      [...] Die Moderation: Kommentar entfernt. Beachten Sie die Netiquette (http://www.taz.de/!118006/)

      • @athens2020:

        Dass Kurden damals "ganz vorne mit dabei" waren, ist mir bekannt. Aber im Gegensatz zu den türkischen Politikern hat bei den kurdischen Kräften über die Generationen ein klarer ideologischer Wechsel stattgefunden. Schließlich waren es die eben hier kritisierten PKK-nahen Gruppierungen, die massenhaft Angehörige der jesidischen Minderheit gerettet haben. Türkische Kräfte sabotieren dagegen solche Aktivitäten und haben in der Vergangenheit sogar Waffen an den IS geliefert.

      • D
        D.J.
        @athens2020:

        Die Kurden sind aber schon seit einigen Jahren dabei, das aufzuarbeiten. Auch das ein Grund für den Hass türkischer Nationalisten ("Nestbeschmutzer").

    • @Ein alter Kauz:

      Ich stimme Ihnen ja teilweise zu. Aber was blieb den Türken gegen die Alliierten denn viel übrig als aus dem Rest der übrig blieb einen Staat zu gründen? Die Aliierten hätten den Rest doch auch noch gern genommen. Oder hätte es den Engländern etwa nicht gefallen den Bosporus zu besitzen?

      • @fornax [alias flex/alias flux]:

        Man kann auch einen Staat gründen, in dem mehr als einem Volke das Recht auf kulturelle Eigenständigkeit zugebilligt wird. Die sogenannte Türkei ist nunmal kein rein türkischer Staat. Das aber forciert die türkische Politik seit langem unbeirrt und eben das ist ihr Fehler, darum ist Abspaltung die einzige für viele Minderheitsangehörige vorstellbare Lösung und darum können Kurden und Türken nicht Seite an Seite gegen den IS kämpfen

      • D
        D.J.
        @fornax [alias flex/alias flux]:

        ??? Was hat jetzt der Assimilationswahn der spätjungtürkischen und kemalistischen Türkei jetzt mit den Ereignissen nach dem 1. WK zu tun?

        Der Vertrag von Sévres 1920, der u.a. ein autonomes Kurdistan und einen entmilitaristieren Bosporus vorsah, war natürlich ebenso ein Diktatfrieden wie Versailles, aber deas Land hatte ebenso wie D nun mal einen Krieg verloren, den es mit hoher Grausamkeit geführt hat (wobei sich das Osmanische Reich freilich mit der gegnerischen Zarenarmee nicht viel nahm).

        Manche Pläne nach dem 1. WK waren durchaus sinnvoll, wie z.B. die Rückkehr der 1915/16 vertriebenen Christen in das Bergland von Hakkari. Von Atatürk abgelehnt. Dieser vergessenen Rest der nestorianischen Kirche, einst bis Mittelasien und China verbreitet, fliehen seither von Ort zu Ort, heute vor IS.

        • @D.J.:

          Alter Kauz hatte das in seinem Kommentar angesprochen. Darauf hab ich reagiert. Aber seien Sie doch froh D.J. So konnten Sie Ihrem allgemeinen "alle Türken sind böse"-Reflex wieder einmal Ausdruck verleihen.

  • Im Kern behauptet der Artikel, dass die Vorstellungen der PKK und ihrer syrischen Partnerorganisationen nicht identisch sind mir dem Willen der Bevölkerung in den von ihnen regierten Gebieten.

     

    Dazu müsste erstmal mehr Erläuterung kommen. Wie soll ich einen Satz verstehen wie " Weil sie über Waffen verfügte, gelang es ihr nach dem Aufstand gegen Baschir al-Assad rasch, im Norden Syriens die anderen syrischen Kurdenparteien, die sich im Kurdischen Nationalrat zusammengeschlossen haben, zu verdrängen und zur Seite zu schieben."?

     

    Was heißt "zur Seite zu schieben" in diesem Zusammenhang? Ich weiß nicht mal, inwiefern dieser Nationalrat demokratisch legitimiert ist. Wenn dort durch Initiative der PKK eine Rätedemokratie besteht, heißt das auch nix. Die kann gut funktionieren und demokratischer sein wie die repräsentative Demokratie des Westens, die kann aber auch völlig zentral gesteuert sein wie in früheren Ostblockstaaten.

     

    Ich bin sowieso kein Freund von staatlichen Waffenlieferungen (Private Initiativen können okay sein!), aber bevor ich die demokratische Legitimität der PKK als wohl größte kurdische Interessenvertretung in dieser Region in Frage stelle, müssten diesbezüglich erst mehr und genauere Informationen mal erfolgen.

    • D
      D.J.
      @Age Krüger:

      Ich stimme Ihnen im Wesentlich zu, ,aber wieso private Waffenverteilung sinnvoller sein soll als staatliche, bleibt Ihr (und weiter Teile der pseodo-pazififistischen Linkspartei) Rätsel.

      Im Übrigen müssen wir feshalten: ALLES, alles ist da besser als IS, denn mitt allen sonstigen kann man zumindest potentiell verhandeln. Ja, sogar mit Stalinisten eher als mit IS.

      • @D.J.:

        Es ist eher verwunderlich, wenn die Linkspartei diese Position vertreten würde. Normalerweise reagiert sie eher in ihrem Sinne und schreit nach dem Staat.

         

        Ich bin nicht der Ansicht, dass es Aufgabe einer Zwangsgemeinschaft sein kann bei ethisch in irgendeiner Weise nicht 100%ig absicherbaren Entscheidung die Steuergelder, die ja auch unter Zwang gezahlt werden, für solche heiklen Sachen einzusetzen. Das geht evtl noch auf kommunaler oder örtlicher Ebene, wo jeder in den Entscheidungsprozeß eingebungen werden kann (Vorteil auch einer funktionierenden(!) Rätedemokratie:btw: kleine Einheiten, die die übergeordneten wählen und kontrollieren!).

        Ich kann eine ethische Entscheidung darüber treffen, ob ich es verantworten kann, die PKK auszurüsten. Und ich muss dann auch eben Verantwortung übernehmen, wenn sie mit den Waffen Unsinn baut.

        Das können Sie einer ganzen Staatsgemeinschaft eigentlich nicht zumuten. Das wäre unfair.

        • D
          D.J.
          @Age Krüger:

          Offizielle Haltung dürfte es nicht sein, aber es gibt in der Linkspartei einige, die die USA zeimlich doof und die PKK ziemlich dufte finden (Frau Jelpke z.B.). Deshalb auch nicht so richtig wissen, wie sie auf Hilferufe reagieren sollen.

          Gänzlich verwirrend wird es, wenn man sich die Abonderungen nationalistischer türkischer Ultras anhört, für die die PKK eine amerikanisch-jüdisch-armenische Verschwörung ist.

      • @D.J.:

        Hat jemand je versucht ernsthaft mit IS zu kommunizieren?

        • D
          D.J.
          @ermi k.:

          Das nicht, aber einige meinen, das ginge. Streng schariagemäß ist für IS ein zeitlich begrenzter Waffenstillstand nur erlaubt, wenn sie massiv in der Defensive sind. Ein Friedensvertrag mit der dar al-harb, dem Haus des Krieges (und das wird von ihm sehr weit definiert) ohnehin nicht.

          • @D.J.:

            Eigentlich ist das ein unding. Egal, was für gesetzen sie folgen. Man redet zb. auch stundenlang mit amokläufern, die sich zu hause barrikadieren und drohen die familie in die luft zu sprengen....

  • Es ist sehr wahrscheinlich, dass Herr Erdogan nicht nur die IS-Milizen, sondern auch die kurdische Bevölkerung bzw. die davon der PKK angehörigen Menschen bekämpfen würde. Wobei die PKK in der Türkei und nicht in Syrien oder Irak verboten ist. Er hätte also nicht das Recht dazu.

     

    Die beiden Seiten (Erdogan und PKK) könnten ein Friedens- /Koalitionsvertrag abschließen, um gegen die IS-Milizen gemeinsam vorzugehen.

  • Es ist schon ein bisschen bedenklich, wenn in diesem Artikel so getan wird, als seien die Kurden, die in Solidarität mit Kobane demonstriert haben für die 30 Toten in der Türkei verantwortlich seien. Wenn auf Demonstranten geschossen wird und die Hizbulla Kurden entführt, dann sind die Verantwortlichen ganz klar auszumachen.

  • Lieber Herr Bax,

     

    das weglassen von Informationen führt zu Desinformation. Wie ich lesen konnte sind Sie schon mindestens 15 Jahren als Journalist tätig.

     

    Warum stellen Sie "bewußt" andere Journalisten als Naivlinge dar, die mit großer wahrscheinlichkeit im Gegensatz zu Ihnen in Rojava waren und ein Objektives Bild gemacht haben?

     

    Haben Sie bei der Erstellung Ihres Artikels die Handlungen und Stimmung der kurdischen Organisationen PDK(Barzani) und YNK(Talabani) berücksichtigt?

     

    Wußten Sie, dass die PKK/YNK zusammen in Kirkuk gegen IS kämpft und die PDK/PKK in Sengal gegen die IS oder wie zuletzt in Rebia?

     

    Wußten Sie, dass die Türkei die PDK beim Angriff der IS nicht mal mit Waffen versorgt hat, obwohl man zusammen viele Geschäfte macht (rund 7 Milliarden € im Jahr)und es der Iran getan hat?

     

    Wußten Sie, dass obwohl man versprochen hatte das die kurdische Sprache an Schulen in der Türkei ab diesem Jahr endlich unterrichtet darf, es den Kurden dennoch nicht erlaubt wurde?

     

    Wußten Sie, dass die Türkei jahrelang die IS unterstützt?

     

    Wußten Sie, dass als Barzani sagte, wir rufen ein Kurdistan aus die IS halt machte vor Bagdad und Richtung Kurdistan marschierte?

     

    Gern können sie mich kontaktieren [...]

     

    Die Moderation: Kommentar gekürzt, bitte halten Sie sich an die Netiquette.

    • @Azad:

      sehr interessant... wieso gekürzt???

    • 3G
      3618 (Profil gelöscht)
      @Azad:

      Zustimmung!

      Da gibt es gerade auf Telepolis einen sehr informativen Artikel, der mir Zusammenhänge klarer machte als die bisherige Berichterstattung:

      http://www.heise.de/tp/artikel/43/43031/1.html

  • In dem Artikel wird vollkommen ausgeblendet, dass die Türkei den IS bisher direkt oder indirekt unterstützt hat. Das Kalkül von Erdogan bleibt absolut unbeachtet. Abgesehen davon: Wenn man die Wahl hat zwischen Assad und dem IS zu wählen, was ist besser? Zumindest die Türkei, scheint den IS zu bevorzugen! – Will man deshalb zuschauen, wie der IS die Kurden abschlachtet?

    • @Julianne:

      Erdogan und die meisten türken sind sunniten. IS ist auch sunnitisch. Der iran nicht...

    • @Julianne:

      Mhm, es ist nicht unbedingt neu, dass der Westen und seine Verbündeten islamistischen Terrosristen wie dem IS den Vorzug geben.

       

      Hier bei dem Massaker im Jahr 2013 das von verschiedenen Gruppen zusammen verübt wurde, auch der FSA, war der IS bereits involviert "Obwohl insgesamt über 20 Rebellengruppen an dem Angriff beteiligt waren, hätten lediglich fünf radikale islamistische Gruppierungen bei der Operation die Führung gehabt, unter ihnen die Al-Nusra-Front und die Gruppe Islamischer Staat im Irak und der Levante. Beide haben enge Beziehungen zu al-Kaida."

      http://www.nzz.ch/aktuell/startseite/rebellen-veruebten-massaker-an-zivilisten-1.18165871

       

      Aber da zählte der IS für den Westen halt noch zu den Guten, die man als Bodentruppen gegen Assad einsetzt... Tja so kann es sich wandeln, die Geister die man rief... Ob das dem Westen so unrecht ist. Kann man doch jetzt sein Militär auffahren und sich als Retter darstellen.

      • D
        D.J.
        @fornax [alias flex/alias flux]:

        Auch wenn es immer wieder wiederholt wird: Der Westen hat weder al-nusra noch IS unterstützt, sondern die gemäßigeren Gruppen, deren Stärke er aber überschätzt hat. Darum die ganze dämliche Syrien-Politik. Al-nusra zu unterstützen, hat man den ölbesoffenen Prinzen überlassen.

        • @D.J.:

          Mhm der IS hat die freundliche Unterstützung US-amerikanischer Waffensysteme; dessen Überlegenheit wird uns ja permanent zelebriert.

           

          IS hat auch direkte Unterstützung der US-amerikanischen Führer, wie z.B. McCain - er hat sich doch noch im April in freundschaftlicher Atmosphäre mit Klassenfoto am Schluss mit Baghdadi und Co getroffen.

          http://www.youtube.com/watch?v=v0paLxAv49c Baghdadi wiederum kennen die USA aus ihrem Gefängnis Guantanamo her.

           

          Die FSA als moderate Truppe darzustellen ist zwar die Taktik des Westens, aber entbehrt jeglicher Realität, wie auch der nzz-Artikel oben zeigt. Das sind terrorisierende Massadeure.

           

          "Al-nusra zu unterstützen, hat man den ölbesoffenen Prinzen überlassen."

          Offiziell ja, aber in "Friends of Syria" spricht man sich ja über alles ab. Und Quatar und Saudis, denen man im Westen den roten Teppich ausrollt (oder hat man was von Sanktionen gehört?, vgl. Russland) verteilen auch nur die Waffen die sie im Westen einkauften.