piwik no script img

Kommentar Investitionsschutz VattenfallEin teures Wecksignal

Vattenfall will Schadenersatz wegen des Atomausstiegs. Das sollte eine Warnung sein vor dem im TTIP verankerten Investitionsschutz.

Freihandelsabkommen sind trojanische Pferde – und drinnen steckt der Investitionsschutz Bild: dpa

Natürlich wäre es ein Unding, falls Vattenfall für den Atomausstieg und das ihm auferlegte vorzeitige Abschalten seiner Schrottreaktoren nun auch noch Milliarden als Entschädigung erhalten würde. Ein Unternehmen geht bei jeder Investitionsentscheidung ein Risiko ein, und Stockholm wusste von Anfang an, wie kontrovers Atomkraft in Deutschland diskutiert wird.

Mögliche Entschädigungsansprüche inländischer AKW-Betreiber bewegen sich im vom Grundgesetz gesetzten Rahmen der Eigentumsfreiheit. Inhaltliche Beschränkungen des Eigentumsrechts – und um solche handelt es sich bei der Untersagung des Betriebs eines Atomreaktors – sind danach auch ohne Entschädigungszahlungen verhältnismäßig.

Als ausländischer Konzern kann Vattenfall aber, anders als seine inländischen Konkurrenten, auch zusätzlich vor einem internationalen Schiedsgericht gegen „völkerrechtswidrige Maßnahmen des Gastgeberlandes“, konkret: eine Verletzung des Investorenschutzes, klagen.

Die Suppe hat sich Deutschland, das als der weltweit eifrigste Akteur auf dem Gebiet des Investorenschutzes gilt, selbst eingebrockt. Und deutsche Unternehmen haben mithilfe solcher von Berlin mit anderen Staaten ausgehandelter Klauseln in den vergangenen Jahren auch reihenweise Dritte-Welt-Länder verklagt. Vattenfall war das erste Unternehmen, das den Spieß umdrehte und Deutschland jetzt sein eigenes Rezept schmecken lässt.

Selbst wenn’s nun teuer werden könnte für den deutscher Steuerzahler: Vielleicht kann das Vattenfall-Beispiel ja das endgültige Wecksignal sein, keine Freihandelsabkommen mehr abzuschließen, die vermeintlichen Investorenschutzrechten einen höheren Rang einräumen als demokratisch gefassten Entscheidungen des Gesetzgebers.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • In einer kapitalistischen Gesellschaft, muss man denjenigen schon entschädigen, der durch demokratische Entscheidungen einen Schaden erleidet.

    Wenn ich mir ein teures Auto kaufe und die Regierung am Tag danach das Autofahren verbietet, dann will ich gefälligst mein Geld zurück. Das ist beim großen Konzern verständlicherweise nicht anders.

     

    Warum sollte jetzt Vattenfall unter unseren wankelmütigen Entscheidungsfindung leiden? Das lässt sich nicht begründen. Das soll nicht heißen, dass eine Demokratie nicht entscheiden darf was sie will; man muss halt nur diejenigen, die einen Schaden erleiden, entschädigen. Das hätten wir bei unserer Entscheidung bedenken müssen...

     

    Wer A sagt, der muss auch B sagen.

    Wer den Kapitalismus hinnimmt, der muss auch mit Investorenschutz klarkommen.

    Wer das nicht kann, der sollte lieber den Kapitalismus an sich bekämpfen, als nur eine seine seiner vielen negativen Konsequenzen.

     

    Im Sozialismus wär das alles kein Problem. Wo alles Volkseigentum ist, treffen wir nur uns selbst mit demokratischen Entscheidungen. ;)

     

    Kann jeder selbst entscheiden, was besser ist...

     

    Vattenfall ist jedenfalls nicht Schuld am Kapitalismus. Da müssen wir uns schon an die eigene Nase fassen...

    Aber wir spielen lieber die eingeschnappte Leberwurst angesichts dieser berechtigten Klage.

     

    Eine Demokratie muss für ihre Entscheidungen haften. Der Atomaustieg war sicher richtig. Lasst uns also Vattenfall entschädigen. Das verkraften wir.

    Und danach konzetrieren wir uns endlich auf den Kampf gegen den Kapitalismus, nicht auf den Kampf gegen den Investorenschutz.

  • Ja, ich weiss, dass Häme nicht besonders vorbildlich ist. Dennoch kann ich sie mir nicht völlig verkneifen, selbst angesichts der Tatsache, dass es im Erfolgsfall für Vattenfall um unsere eigenen Steuergelder geht - und damit um ein Beispiel, das ziemlich rasch Schule machen kann. Mit diesen geht unser Finanzminister - wie er sagt - ja besonders gewissenhaft um. Das scheint aber dennoch nicht in jedem Fall zu gelingen. Mögen doch schon mal er im Verein mit Merkel, Gabriel und ihren willfährigen Wirtschaftslobbyisten an dem Gericht kosten.

     

    Sind denn da auch bereits diese ominösen Schiedsgerichte diejenigen, die das Urteil fällen, oder gibt es noch die "ordentlichen" Gerichte, die in meist öffentlich zugänglichen Verhandlungen tagen und zu anfechtbaren Urteilen kommen?

     

    Mir scheint das schon ein Vorgeschmack auf die Auswirkungen der in CETA, TTIP und TISA drohenden Investitionsschutzklauseln.

    Damit können wir schon mal einen Vorgeschmack auf unsere "selbst versalzene" Suppe bekommen. Aber ob davon in unserer GroKo auch nur einer aufwacht, der sich schon wichtig fühlt, wenn er nur seine Unterschrift irgendwo druntersetzen darf, auch wenn er immer noch nicht kapiert hat, was er damit anrichtet?

     

    Bin skeptisch.

  • Was mich noch interessieren würde: In wie weit ist diese Klagemöglichkeit von Vattenfall erst durch den Ausstieg aus dem Ausstieg der schwarz-gelben Koalition entstanden? Hätte der ursprüngliche unter rot-grün ausgehandelte Ausstieg das auch hergegeben?