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Klage gegen GesundheitskarteEin Foto ist okay

Die elektronische Gesundheitskarte verletzt nicht das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung. Das hat das Bundessozialgericht entschieden.

So alt ist die Idee schon: Karte mit dem Bild der ehemaligen Gesundheitsministerin Ulla Schmidt Bild: ap

FREIBURG taz | Die elektronische Gesundheitskarte verstößt nicht gegen das Grundgesetz. Das entschied jetzt in einem Grundsatzurteil das Bundessozialgericht (BSG) in Kassel. Damit ist die Klage eines Rentners gescheitert, der das Konzept der Gesundheitskarte generell ablehnte und aus Protest seiner Krankenkasse das Foto verweigerte.

Die elektronische Gesundheitskarte sollte ursprünglich die Rolle einer elektronischen Kranken- und Rezeptakte einnehmen. Ärzte sollten zum Beispiel sehen, welche Medikamente ein Patient bisher verschrieben bekam. So sollten Behandlungen optimiert und Nebenwirkungen vermieden werden.

Davon ist die Gesundheitskarte aber noch weit entfernt. Wegen datenschutzrechtlicher und technischer Probleme, aber auch aufgrund unterschiedlicher Interessen von Krankenkassen und Ärzten, enthält sie verpflichtend nur die Grunddaten des Patienten, etwa Adresse und Geschlecht. Sie entspricht damit im Wesentlichen der bisherigen Versichertenkarte. Seit 2014 wird die Gesundheitskarte allerdings nur noch mit Lichtbild ausgegeben, um die Nutzung durch andere Personen zu erschweren.

Der klagende Rentner hält ein Foto auf der Gesundheitskarte für überflüssig, er könne seine Identität auch mit dem Personalausweis belegen. Überhaupt lehne er es ab, seine Gesundheitsdaten auf dieser Karte zu speichern. Die Übertragung solcher Daten per Internet sei zudem viel zu unsicher.

Die Klage des Rentners war schon in den Vorinstanzen und jetzt auch beim Bundessozialgericht gescheitert. Sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung sei nicht verletzt. Vielmehr sei es gerechtfertigt, von den Versicherten ein Foto zu verlangen, um den Schutz vor Missbrauch der Karte zu verbessern.

Soweit derzeit ärztliche Daten freiwillig auf der Kartei gespeichert werden, verletze auch dies keine Rechte des Klägers. Schließlich liege die Entscheidung ja bei ihm selbst, so das BSG. Rechtlich seien die auf der Karte gespeicherten Daten ausreichend gegen unbefugte Zugriffe gesichert. Ob die Datensicherheit auch „faktisch“ ausreichend ist, ließen die BSG-Richter allerdings offen. „Die Telematikinfrastruktur ist noch im Teststadium“, hieß es zur Begründung.

Az. B 1 KR 35/13 R

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5 Kommentare

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  • Ist irgendjemand schon mal neu bei einem Arzt gewesen, bei dem sich die Sprechstundenhilfe, die die Karte entgegennimmt, sich mal das Bild angeguckt hat?

  • "Das Recht schützt bereits die betroffenen Daten vor unbefugtem Zugriff Dritter und vor missbräuchlicher Nutzung. Dass die Datensicherheit faktisch unzulänglich ist, lässt sich zudem zur Zeit nicht feststellen: Die Telematikinfrastruktur ist noch im Teststadium."

    Quelle: http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bsg&Art=tm&Datum=2014&nr=13640

     

    Mit anderen Worten:

    Das ist sicher, weil im Gesetz steht, dass es sicher ist.

    Ja klar - nach der "Beweis durch Behauptung"-Logik ist das auch völlig korrekt.

     

    Außerdem kann nicht festgestellt werden, ob es unsicher ist, weil die Infrastruktur momentan noch nicht im Produktivbetrieb ist.

    Damit wird auch praktisch verboten, den angesprochenen "Beweis durch Behauptung" zu widerlegen.

     

    Wer das Ganze durchgesetzt hat: Hut ab. So viel Chuzpe muss man erst mal haben.

     

    E.

    • @EckyH:

      Wer setzt ihn durch, den ganzen Mist?

      Der Lobbyist, der Lobbyist!

  • Ich habe mich bisher auch geweigert, ein Foto von mir für die Versicherungskarte einzureichen.

    Ich habe ein Problem damit, dass das Foto nach dem Druck nicht mehr gelöscht wird, sonder bei der Krankenkasse bleibt. Dies wird mit dem Servive für den Versicherten begründet.

    Immer wenn jemand meine Daten will, um damit etwas Gutes für mich zu tun werde ich sehr hellhörig.

    Faktisch entsteht durch den Umweg über die Versicherungskarten eine riesige zentrale Datenbank mit Fotos, Namen und Geburtsdaten der Gesamtenbevölkerung.

    Ich bin mir sicher, dass die in Zeiten von elektronischer Gesichtserkennung von verschiedenen Seiten Begehrlichkeiten wecken wird.

    Hinzu kommt, dass mit die Krankenkasse nicht mitteilen konnte,wie die Daten verschlüssel sind und dass diese nicht an Dritte weitergegeben werden.

    Der Einwand, dass auch Fotos für den Ausweis benötigt werden zählt nicht, da diese nach meinem Wissen dezentral in den Einwohnermeldeämtern liegen und nicht in der Hand von einer überschaubaren Anzahlt von Kassen.

  • Ich glaub, ich träume. Seit wann entscheidet denn jetzt das Bundessozialgericht über Fragen der Verfassungsmäßigkeit?

    Die Argumente des klagenden Rentners sind durch diese Entscheidung auch nicht ansatzweise widerlegt worden. Das Mißbrauchsargument ist lediglich vorgeschoben und aus der Praxis nicht zu belegen. Als ich nach einem Umzug einen neuen Hausarzt brauchte, wurde ich beim ersten Besuch in der Praxis auch nach meinem Personalausweis gefragt. Bei Klinikbesuchen musste ich zu jedem Termin ebenfalls den Personalausweis vorlegen, obwohl ich ja eine Überweisung vom Hausarzt hatte. Wer sich nicht ausweisen konnte, wurde gar nicht erst zum Arzt vorgelassen. Wie es da noch zu einem nennenswerten Mißbrauch der fotolosen Gesundheitskarte gekommen sein soll, weiß nur der Wind.