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Psychotherapeutin über Angststörungen„Das ist eine schwere Krankheit“

Sind Zwangsneurotiker besonders geeignet, um Firmenfinanzen zu kontrollieren? Das behauptet zumindest eine Bahn-Managerin.

Die Managerin der Bahn hat einiges durcheinandergebracht: Nur Menschen mit einer leichten Zwanghaftigkeit finden Regeln gut, wie die gutsitzende Krawatte. Bild: dpa
Simone Schmollack
Interview von Simone Schmollack

taz: Frau Ertle, eine Ärztin für Psychotherapie und Personalmanagerin der Deutschen Bahn soll bei einer Schulung in der Schweiz vorgeschlagen haben, für die Bereiche Controlling und Finanzen „Zwanghafte“ einzustellen – „gerne mit einer schönen Angststörung“. Was halten Sie davon?

Andrea Ertle: Unabhängig davon dass sich mir nicht erschließt, was an einer Störung schön sein soll, hat die Managerin offensichtlich einiges durcheinandergebracht. Man muss unterscheiden zwischen gesunden Menschen, die eine leichte Zwanghaftigkeit haben: Sie finden Regeln gut und wollen, dass sie eingehalten werden. Das muss keine Belastung sein. Menschen mit Angst- oder Zwangsstörungen hingegen sind in dieser Hinsicht krank.

Wie macht sich das bemerkbar?

Bei einer sozialen Angststörung beispielsweise fürchten die Menschen, im Mittelpunkt zu stehen oder mit anderen in Kontakt zu treten. Bei einer Panikstörung oder Agoraphobie leiden die Betroffenen unter Angstattacken, die mit starken körperlichen Symptomen einhergehen. Sie meiden Plätze, an denen diese Ängste schon mal aufgetreten sind. Menschen mit Zwangsstörungen haben plötzlich auftretende unangenehme Gedanken – zum Beispiel, sie könnten einer geliebten Person etwas antun.

Das Klingt nach sehr schweren Krankheiten. Wie wirkt sich das auf ihre Arbeitskraft aus?

Das sind sehr schwere Krankheiten. Diese Menschen sind in der Regel deutlich in ihrer Lebensführung eingeschränkt, häufig sozial isoliert oder können nicht arbeiten. Viele von ihnen haben keine Jobs.

Die Personalmanagerin soll diese Menschen mit dem Adjektiv „superpedantisch“ positiv beworben haben.

Das ist falsch, das trifft nur auf diejenigen mit dem zwanghaften Persönlichkeitszug zu. Sie können in der Tat hilfreich für ein Unternehmen sein, weil ihnen wichtig ist, das alles seine Ordnung und Richtigkeit hat. Diese Stärken kann man nutzen.

Im Interview: Andrea Ertle

46, ist Psychologische Psychotherapeutin an der Hochschulambulanz für Psychotherapie und Psychodiagnostik der Humboldt-Universität Berlin.

Vielleicht meinte die Managerin genau das – und hat sich nur etwas missverständlich ausgedrückt?

Sie hätte besser sagen sollen, sie wünsche sich Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich an die Regeln halten.

Die Managerin sagte auch, diejenigen mit der „schönen Angststörung“ seien so gut, weil sie „die ganze Nacht nicht schlafen“ könnten, wenn die Zahlen nicht stimmen.

Dann meint sie es wohl doch eher pathologisch – und das ist zynisch.

Vor über einem Jahr hat das IT-Unternehmen SAP damit geworben, Autisten zu beschäftigen. Geht das?

Es gibt verschiedene Formen von Autismus, bei manchen Unterformen haben die Menschen eine ausgeprägte Merkfähigkeit. Wenn diese Stärken zu einem bestimmten Arbeitsfeld passen, dann ist das positiv. Das gilt genauso für Menschen mit einer leichten Zwanghaftigkeit – aber nicht für Menschen mit Angst- und Zwangsstörungen.

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1 Kommentar

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  • Eine der vielen Regeln, die moderne Menschen lieben sollen, besagt, man möge doch gefälligst immer das Positive am Negativen sehen. Also bitte, sehen wir es doch mal so:

     

    So lange diese als Managerin getarnte Soziopathin im Auftrag der Bahn in der Schweiz Führungskräfte schult, vergreift sie sich nicht, als Psychotherapeutin getarnt, an wehrlosen Patienten. Zumindest dann nicht, wenn ihr nicht jemand zuvorgekommen ist und lauter „Zwanghafte“ bzw. Leute “mit einer schönen Angststörung“ eingestellt hat als Führungskräfte bei der Bahn. Weil die ja, wie man nunmehr weiß, „die ganze Nacht nicht schlafen könnten, wenn die Zahlen nicht stimmen“ - und sich deswegen nur zu gerne in Führungskräfteschulungen in der Schweiz von Soziopathen sagen lassen, was genau sie wie bestimmt ganz richtig machen werden.

     

    Zugegeben, es ist nicht gänzlich ausgeschlossen, dass die Frau Ertle kein weiblicher Einstein und also nicht die aller erste war, die auf die Ideen mit der erleichterten Ausbeutung gekommen ist. Die Zahlen, schließlich, spielen bei der Bahn (und nicht nur da) die aller größte Rolle. Zumindest sind sie sehr viel wichtiger als Mitarbeiter.