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Nazi-Spielzeug aus PolenDie niedliche Fratze des Krieges

In Polen kann man mit Actionfiguren den Warschauer Aufstand nachspielen. Der Hersteller hält das für pädagogisch wertvoll.

Nazi im Werbevideo des Spielzeugherstellers. Bild: cobi.pl

WARSCHAU taz | Niedlich sieht er aus, der kleine Plastik-SS-Mann. Mit großen Augen und fröhlichem Lachen schaut er von seinem „Tiger“, dem wohl berüchtigtsten deutschen Panzer im Zweiten Weltkrieg, auf das Schlachtfeld im Kinderzimmer. Während er mit der einen Hand einen Minifeldstecher festhält, reckt er die andere zum Gruß in die Höhe.

So sieht für den polnischen Spielzeugfabrikanten Robert Podles ein pädagogisch wertvoller Baukasten für Kinder ab fünf Jahren aus. Zu Weihnachten werden wohl Tausende Kinder in Europa und Übersee einen Kasten aus der Cobi-Produktlinie „Kleine Armee. WW 2“ oder „Warschauer Aufstand“ unter dem Christbaum finden.

Erstaunlicherweise lösten die Cobi-Bausteine, die den Lego-Bausteinen zum Verwechseln ähnlich sehen, keinen Skandal in Polen aus. Stirnrunzeln allenfalls und manch ironisch-bösartigen Kommentar im Internet. Das war es aber auch schon. Da weder ein Totenkopf, Hakenkreuz oder gar SS-Runen auf Uniformjacke und Schirmmütze zu sehen sind, griffen auch die Behörden in Polen nicht ein.

Die polnischen Soldatenfigürchen sind ganz klar an ihren rot-weißen Armbinden und Helmaufklebern zu erkennen. Auch sie lächeln: naiv, sympathisch und ein bisschen doof. Denn gleich sind sie tot. Den Kopf kann man abreißen, durch die Gegend kullern und wieder aufstecken. Oder die Köpfe austauschen: den polnischen Kopf auf den SS-Mann-Körper. Der Fantasie der Kinder sind keine Grenzen gesetzt.

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„Wir glauben, dass man durch ein gutes Spiel Geschichte lernen kann“, erklärt Robert Podles in einem Kurzinterview auf YouTube. „Daher werden wir diese Produktlinie weiterentwickeln“. In den Baukästen zum Zweiten Weltkrieg würden nicht nur Objekte der deutsch-faschistischen Okkupation gezeigt, vielmehr kämen dort auch Panzer der sowjetischen, amerikanischen und britischen Armeen vor. „Wir können nicht vor unserer Geschichte fliehen, die schließlich voll von Rassismus ist.“ Die Kinder müssten dies in der Schule lernen, auf dass sich dies niemals wiederhole.

Inwiefern Vorschulkinder durch das Spielen mit lächelnden Minisoldaten des Dritten Reichs, Polens und der Sowjetunion sowie detailgetreuen Nachbildungen von Panzern, Maschinenpistolen, Granaten und Haubitzen vor rassistischem Denken bewahrt werden können, ist allerdings ein großes Rätsel.

Die wohlfeile Mahnung „Nie wieder!“ klingt reichlich schal, wenn man sich die Angebotsseite der Firma anschaut: 24 Baukästen in der Serie „Kleine Armee WW 2“, von Nebelwerfern über Wehrmachtslastwagen bis zu Panzern (klein, groß, mittel, deutsch, amerikanisch, britisch und sowjetisch) kann man alles kaufen, außerdem Sammeltütchen mit je drei Soldaten in den verschiedensten Uniformen.

Als ein Kaufhaus in Schweden erklärte, das Kriegsspielzeug der polnischen Marke Cobi aus den Regalen zu nehmen, weil Eltern sich über die Wehrmachtssymbole und die „lächelnden Nazis“ im Baukasten empörten, berichteten die Washington Post und die Times of Israel darüber. In Polen hingegen griff kein Journalist das Thema erneut auf.

Das mag auch daran liegen, dass in Polen der Zweite Weltkrieg zur fast allabendlichen Fernsehunterhaltung zählt. Künstler bauen auch schon mal ein KZ aus Legobausteinen nach oder lassen einem Auschwitz-Überlebenden seine Häftlingsnummer gegen dessen Willen frisch eintätowieren. Das ganze Prozedere wird natürlich gefilmt. Wieso also sollen dann nicht auch Kinder am Heiligen Abend mit den Nazifiguren Krieg spielen?

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28 Kommentare

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  • Welche pädagogischen Werte 5-jährigen damit vermittelt werden sollen erschließt sich mir nicht. Weshalb damit Werbung machen - ebenso wenig. Billiger PR-Gag, damit alle darauf gucken - so wie die TAZ.

     

    Macht Sinn, weil - macht Kohle.

  • Ho, ho, Holzspielzeug !

  • "weil Eltern sich über die Wehrmachtssymbole und die „lächelnden Nazis“ im Baukasten empörten.."

     

    Also ich finde, dass das Püppchen eher wie ein zahnloser Nazi aussieht,, aber nicht wie ein lächelnder... Nun ja, makaber ist dieses Spiel schon, andererseits pädagogisch nicht schlimmer als jedwelches kriegsverherrlichendere PC-Spiel. Andererseits gerät dadurch vielleicht Nazi-Deutschland spielerisch nicht ins Vergessen.

    • 4G
      4845 (Profil gelöscht)
      @Mafalda:

      "Nun ja, makaber ist dieses Spiel schon, andererseits pädagogisch nicht schlimmer als jedwelches kriegsverherrlichendere PC-Spiel."

       

      Krieg zu spielen ist irgendwie immer makaber, wenn nicht Geschmacklos. Aber Menschen haben nunmal gerne eine Doppelmoral und setzten gerne zweierlei Maß an. Ego-shooter sind negativ belegt, während Strategiespiele positiv belegt sind. Dabei wird in beiden Fällen Krieg gespielt...

    • @Mafalda:

      Vergessen wird Nazi-Deutschland nicht: Schon allein die ganzen Glatzen, die ihre Wochenenden mit Bier, Schnaps und SS-Liedern gestalten, sorgen dafür, daß die Tradition nicht stirbt.

  • Lächerlich, wie manche Kommentatoren den historisch-pädagogisch-pseudowertvollen Gestus des Herstellers aufgreifen.

     

    Real aber ist: Ein Spielzeughersteller macht ne neue Marktnische auf. Da geht´s allein um Knete, nicht um Pädagogik oder historisches Bewußtsein - denn diesbezüglich kann man behaupten, was immer man will, läßt sich ja nichts beweisen oder widerlegen.

     

    Klar, auch Egoshooter verhelfen zu Reflexion und meditativer Einsicht, daß Gewalt keine Lösung ist, gelle. Wenn das Blut hektoliterweise spritzt, wird´s pädagogisch erst so richtig wertvoll.

    ;)

    • 4G
      4845 (Profil gelöscht)
      @Dudel Karl:

      Kriegsspielzeug, darunter auch Panzer und Plastiksoldaten mit eindeutigem Bezug zum 2. WK gab es schon vorher, als schon lange vor diesem Lego-Plagiat. Das kann und darf man gerne als ganzes Kritisieren. Aber jetzt allein diesen Hersteller dafür geiseln ist nur künstliche Empörung.

  • Kann man von halten, was man will, aber das gleich als "Nazi-Spielzeug" zu bezeichnen?

    Gabs oder gibts von Revell auch.

  • " Niedlich sieht er aus, der kleine Plastik-SS-Mann."

     

    Na ja. Da haben wir verschiedene Auffassungen davon, was niedlich ist. Und ich halte allgemein nicht viel davon, Kinder mit Panzern spielen zu lassen. Allerdings sollte man nicht vergessen, dass der Sieg im 2. WK im kollektiven Gedächtnis unserer Nachbarn einen hohen (positiven) Stellenwert hat. Schließlich gäbe es ohne diesen Sieg heute keine Polen mehr. Es ist also nachvollziehbar, dass man die damaligen Ereignisse den Kindern nahe bringen will. Ob dieses Spielzeug der richtige Weg ist, mögen die Menschen in Polen entscheiden.

     

    PS: Wenn man Krieg spielen will, braucht man auch Figuren der Gegner. Das hat nichts mit Nazikult zu tun.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      "Es ist also nachvollziehbar, dass man die damaligen Ereignisse den Kindern nahe bringen will." Ja!

       

      Ich denke zudem dieses "Spielzeug" dient in Polen nicht der Naziverherrlichung.

       

      Ein Scenario z.B. welches in Polen jedes Kind kennt lässt sich mit dem besagten Equipment prima nachspielen:

      Wie die Rote Armee ihre Panzer anhält damit die Wehrmacht die ihrigen freibekommt um den Aufstand der polnischen "Armia Krajowa" in aller Ruhe niederzuwalzen.

       

      Man hat zu solchen Dingen in Polen aufgrund der anderen Geschichte auch ein anderes Verhältnis als verständlicherweise heute viele Deutsche. Ebenso wie zur Nato Mitgliedschaft...

       

      Deshalb meine Meinung: das Ganze nicht so hoch hängen!

      • @Waage69:

        "Wie die Rote Armee ihre Panzer anhält damit die Wehrmacht die ihrigen freibekommt um den Aufstand der polnischen "Armia Krajowa" in aller Ruhe niederzuwalzen."

         

        Na ganz so einfach war es dann doch nicht...

        • 4G
          4845 (Profil gelöscht)
          @warum_denkt_keiner_nach?:

          Doch, genau so war es!

        • @warum_denkt_keiner_nach?:

          Im Ergebnis leider schon.

          • 4G
            4845 (Profil gelöscht)
            @Waage69:

            Bei Aufständen in anderen Städten wurden die AK-Soldaten von der Roten Armee verhaftet und bekämpft, in einigen Teilen Polens entstand nach 1945 ein Kampf zwischen Roter Armee und Resten der AK-Armee.

          • @Waage69:

            Es ist immer problematisch, einen Aufstand zu beginnen, wenn man dabei auf die Hilfe eines Nicht-Freundes angewiesen ist.

            • @warum_denkt_keiner_nach?:

              problematisch - ja.

    • @warum_denkt_keiner_nach?:

      "Allerdings sollte man nicht vergessen, dass der Sieg im 2. WK im kollektiven Gedächtnis unserer Nachbarn einen hohen (positiven) Stellenwert hat. Schließlich gäbe es ohne diesen Sieg heute keine Polen mehr. "

       

      Was für Unsinn ist das hier!!?? Polen hat nach dem I. Weltkrieg die Unabhängigkeit gewonnen. Polen brauchte keinen II. Weltkrieg. Ohne den II. Weltkrieg wäre Polen jetzt vor allem besser entwickelt, usw. Also bitte nachlesen!

       

      Über welchen hohen (positiven) Stellenwert sprichst Du?

      Die Toten: Polen: 4,52 Millionen, davon 4,2 Millionen Zivilisten sowie 1,5 Millionen in den polnischen Ostgebieten

      Ausrottung der Juden Europas:

      2 350 000

       

      dazu zerstörte Städte usw.

       

      Sag bitte nicht, dass Polen uns für den II. Weltkrieg dankbar ist.

      • @Nicole Müller:

        Kann man meinen Beitrag wirklich so völlig missverstehen? Wenn ja, dann tut es mir leid.

         

        Natürlich trifft Polen am Ausbruch des 2. WK keine Schuld. Es war das erste Opfer. Und gerade deshalb haben die Polen ja allen Grund, stolz zu sein, dass sie am Ende zu den Siegern gehörten.

  • Hä? Das Produkt konnte ich in Ihrem Shop nicht finden!

  • Cooler Spot - ich musste schmunzeln.

  • Kein Tiger, ein Panzer IV. Na ja, egal.

  • 4G
    4845 (Profil gelöscht)

    "nach oder lassen einem Auschwitz-Überlebenden seine Häftlingsnummer gegen dessen Willen frisch eintätowieren."

     

    Dass Józef Tarnawa die Tätowierung gegen seinen Willen auffrischen ließ ist eine offensichtliche Falschaussage in diesem Artikel. Man kann davon halten was man will, aber keiner der anderen Artikel im Internet dazu lässt den Schluss zu, dass er dazu gezwungen wurde. Wie denn auch?

    • @4845 (Profil gelöscht):

      So wie ich diese Kunstaktion damals verstanden habe, ging es Zmijewski schon darum, dass sich das Opfer erneut zum Opfer macht, diesmal mehr oder weniger freiwillig.

       

      Das ist menschlich nicht besonders gefühlvoll. Aber letztendlich stimmte der Mensch zu, noch einmal damit auch Teil einer Aktionskunst zu werden.

      Eine Beurteilung dazu steht mir als Angehöriger der Bevölkerung, aus dem die Täter kamen, nicht zu.

      • 4G
        4845 (Profil gelöscht)
        @Age Krüger:

        Wie gesagt, man kann davon halten was man will, aber dass es es gegen dessen Willen - quasi unter Zwang - geschah, ist eine eindeutige Falschaussage in diesem Artikel!

  • 4G
    4845 (Profil gelöscht)

    Mal Hand auf Herz: was ist daran nun schlimmer als die Ritter oder Star Wars Modelle von Lego? Außer man hat halt eine Doppelmoral.

    • @4845 (Profil gelöscht):

      Weil Star Wars Fiktion ist, das Dritte Reich und der Krieg aber historische Realität mit ausreichend Bezug zum Heute, als daß sich ein sensibelster Umgang damit empfiehlt. Auch für Polen und Deutsch-Polen.

       

      So viel Realismus darf doch noch erwartet werden?

      • 4G
        4845 (Profil gelöscht)
        @Dudel Karl:

        Oder anders gesagt: wieviel Jahrhunderte müssen Ihrer Meinung nach vergehen, bis es genauso in Ordnung ist mit 2. WK-"Lego" zu spielen wie eben mit Ritter- und Piraten-"Lego"?.

      • 4G
        4845 (Profil gelöscht)
        @Dudel Karl:

        Ich will das gar nicht verteidigen. Aber es ist schon eine ganz schöne Doppelmoral. Oder war der Feudalismus mit Rittern, Kreuzzügen und Progromen etwa auch Fitkion???