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Kommentar Cameron und ÜberwachungNervt die Geheimdienste!

Jürn Kruse
Kommentar von Jürn Kruse

Wie im Reflex will Cameron alle Chats überwachen. Seine Panik sollte als Aufruf verstanden werden: Verschlüsselt! Wehrt euch! Es lohnt sich!

Private Nachrichten? Nicht wenn es nach Cameron geht Bild: dpa

D ass der britische Premier David Cameron nun fordert, dass es keinen Kommunikationsweg mehr geben dürfe, der nicht ausspioniert werden kann, mag bedrohlich klingen – doch das ist es nicht. Im Gegenteil: Seine Panik ist ermutigend. Denn sein Vorstoß offenbart, dass es sie noch geben muss, die Kommunikation, die vor den Geheimdiensten sicher oder zumindest so aufwändig zu entschlüsseln ist, dass ihnen dafür die Ressourcen fehlen.

Seitdem Edward Snowden seine Dokumente über die Geheimdienstaktivitäten der USA und Großbritanniens veröffentlicht hat, macht sich ja eher Fatalismus breit. Immer wieder wurden Informationen veröffentlicht, was NSA und GCHQ noch alles mitlesen könnten, welche Knotenpunkte sie alles angezapft hätten und dass sie vor nichts und niemandem haltmachten. Die Erkenntnis der Machtlosigkeit verschaffte sich mehr und mehr Raum – und traf auf fruchtbaren Boden: unsere Faulheit. Denn erhoffte Privatsphäre kostet ein bisschen Aufwand.

Camerons Angst vor verschlüsselten Mails, verschlüsselten Kurznachrichten, verschlüsselten Telefonaten sollte also als Aufruf verstanden werden: Verschlüsselt! Nervt die Geheimdienste! Es lohnt sich!

Bedrohlich an Camerons Forderung ist eigentlich nur, dass sie einmal mehr offenbart, wie Cameron denkt, wie dämlich seine Schlüsse sind, die er aus den Attentaten auf die Freiheit zieht: noch mehr Überwachung, noch weniger Freiheit – begründet mit einem unhaltbaren Sicherheitsversprechen. Und Cameron ist mit dieser Sicht auf die Dinge nicht allein. Umso wichtiger ist es, sich gegen die Reflexe der Überwacher zu wehren, damit es sich auch in Zukunft lohnt, für eine demokratische, pluralistische und freie Gesellschaft einzustehen.

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Jürn Kruse
Ist heute: Redaktionsleiter bei Übermedien und freier Autor. War mal: Leiter des Ressorts tazzwei bei der taz. Davor: Journalistik und Politikwissenschaft in Leipzig studiert. Dazwischen: Gelernt an der Axel Springer Akademie in Berlin.
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13 Kommentare

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  • Klar, als Terrorist würde ich ja auch meine zukünftigen Pläne bestimmt per mail oder Chat besprechen.

     

    Ansonsten: Ein alter Araber lebt seit mehr als 40 Jahren in Chicago. Er würde gerne in seinem Garten Kartoffeln pflanzen, aber er ist allein und alt und schwach. Sein Sohn studiert in Paris. Deshalb schreibt er eine E-Mail an seinen Sohn.

    "Lieber Ahmed, ich bin sehr traurig, weil ich in meinem Garten keine Kartoffeln pflanzen kann. Ich bin sicher, wenn Du hier wärst, könntest Du mir helfen und den Garten umgraben. Ich liebe Dich. Dein Vater."

    Prompt erhält der alte Mann eine E-Mail:

    "Lieber Vater, bitte rühre auf keinen Fall irgendetwas im Garten an. Dort habe ich nämlich 'die Sache' versteckt. Ich liebe Dich auch. Ahmed."

    Keine sechs Stunden später umstellen die US Army, die Marines, das FBI und die CIA das Haus des alten Mannes. Sie nehmen den Garten Scholle für Scholle auseinander, suchen jeden Millimeter ab, finden aber nichts. Enttäuscht ziehen sie wieder ab. Am selben Tag erhält der alte Mann noch eine E-Mail von seinem Sohn:

    "Lieber Vater, sicherlich ist jetzt der Garten komplett umgegraben, und du kannst die Kartoffeln pflanzen. Mehr konnte ich nicht für Dich tun. Ich liebe Dich. Ahmed"

  • 1G
    12671 (Profil gelöscht)

    Habe hier mal eine Übersicht von allen Befragungen des NSA-Untersuchungsausschusses ins Netz gestellt mit allen Zeugen und Teile der Zeugenaussagen: http://analogo.de/2015/01/15/nsa-untersuchungsausschuss-zeugen-liste-und-aussagen/

     

    Heute und morgen zwei wichtige Befragungen.

  • Sicher, Verschlüsselung hilft. Denn nicht nur Dienste hören ab, sondern, wie in 'Skyfall' thematisiert auch Kriminelle und Einzelpersonen. Cameron steht schließlich nicht für den starken Staat, sondern für die Macht des Londoner Finanzplatzes. Unser Schluss aus Snowden muss ein anderer sein. Sämtliche Datenschutzgesetze sind so ausgelegt, als sei der Stalker die größte Gefahr. Der böse Nachbar, der wissen will, wo ich in Urlaub fahre. Das 'berechtigte Interesse' das zur Datenspeicherung verlangt wird, könnte bereits dem neugierigen Arbeitgeber eingeräumt werden. Google und Amazon nutzen 'Big Data' in ganz anderer Weise. Schärfere Gesetze festigen sogar die Position dieser Datenkraken. Snowden hat uns gezeigt, dass die Behörden exakt die Methoden von Google anwenden. Unstrukturierte, zusammenhanglose Daten werden per Algorithmus in verwertbare Formate umgewandelt. Mehr Datenschutz erreichen wir durch weniger Datenschutz! Das Auskunftspflichtgesetz kann nur ein Anfang sein. Das CIA öffnet seine Archive nach 30 Jahren. Es müsste dauer-Snowdens geben, die Zeitnah über die Aktivitäten der Behörden berichten und auch große Firmen durchleuchten (Deutsche Telekom). Statt die Auskunft zu verweigern, sollten alle Daten über den Nachbarn ausgegeben werden, allerdings auch mit Speicherung von Name, Datum und Grund der Anfrage des Fragenden! Das Bedrohliche ist doch, dass die Überwachung transparent ist. Behörden wird das Recht eingeräumt, Kontostände abzufragen, doch diese Abfrage bleibt geheim, das Kreditinstitut darf nicht einmal später darüber informieren. Das öffnet alle Tore zum Missbrauch. Es ist eine Vorstufe zum totalitären Staat. Wir haben zwar gewählte Volksvertreter, doch die Beamten bleiben auf ihrem Posten auf Lebenszeit. Ungarn (und die Türkei) hat gezeigt, wie schnell eine Regierung autoritäre Züge bekommen kann.

  • "... traf auf fruchtbaren Boden: unsere Faulheit. Denn erhoffte Privatsphäre kostet ein bisschen Aufwand."

     

    Ein "bisschen" Aufwand ist es eben leider nicht. Gäbe es schnell installierbare Lösungen wäre verschlüsselte Kommunikation längst populärer - sowohl bei Anwendern als auch bei Herstellern.

     

    Siehe dazu auch "Why is GPG damn near unusable" vom 31C3:

    https://media.ccc.de/browse/congress/2014/31c3_-_6021_-_en_-_saal_g_-_201412281130_-_why_is_gpg_damn_near_unusable_-_arne_padmos.html#video&t=999

  • Wie lange gibts schon PGP?

    Von wievielen wirds genutzt?

     

    So sinnvoll Verschlüsselung im einzelnen ist, eine politische Antwort auf diesen politischen Angriff auf Freiheit und Privatsphäre dieser Camerons und Zimmermänner ist Verschlüsselung nicht.

  • Hallo

     

    ganz offensichtlich von einem Nerd geschrieben, der Artikel.

    VERSCHLÜSSELT ! IHR FAULEN SÄCKE !

     

    Ich wünsche mir eine Serie in der Taz, in der Smartphone- und Computervollpfosten wie mir und den anderen Millionen auf einfache Art und Weise erklärt wird, WIE man den nun verschlüsselt und die ganzen bösen Buben wie Cameron ärgert.

     

    Wer von den Könnern (-Innen?) dafür zu faul ist, der tut genauso viel für die NSA wie die doofen wie unsereins.

     

    Grüsse

  • Das Selbstbewusstsein der Internet-Nerds, sehr geehrter Herr Kruse, scheint auch schon mal größer gewesen zu sein. Sich einzumauern ist jedenfalls eine ziemlich defensive Strategie aus meiner Sicht. Eine, die ich nicht unbedingt zu teilen wünsche. Wenn nämlich die Panik des David Cameron uns User ermutigen kann, uns auf die Hinterbeine zu stellen, dann kann ja wohl unsere Panik auch Herrn Cameron ermutigen. Einem Menschen allerdings, der öffentlich verkündet, es dürfe keinen Kommunikationsweg mehr geben, der nicht ausspioniert werden kann, würde ich ungern Mut machen mit meinem Verhalten. Solche Typen haben nämlich die unangenehme Angewohnheit über sich selbst (und damit vielleicht auch über mich) hinauszuwachsen, wenn sie sich einbilden dürfen, sie hätten so etwas wie eine Macht. Es wäre mir deswegen entschieden lieber, die, die sich mit so was auskennen, würden ihre Angst vor der (im Dunklen besonders groß scheinenden) Bedrohung endlich überwinden und aktiv werden, satt ihre ganze Energie in Defensiv-Maßnahmen und die Mobilisierung des gemeinen Fußvolks für den Mauerbau zu betreiben. Wohin es führen kann, wenn man sich einmauert aus Angst, habe ich bereits erlebt. Einmal ist mir genug.

     

    P.S.: Nein, Fatalismus ist natürlich auch keine Lösung. Aber mir und Anderen zu unterstellen, es sei die blanke Faulheit, wenn wir Ihnen nicht begeistert folgen, ist eine Frechheit, die nicht unwidersprochen hingenommen werden sollte. Immerhin haben Sie es ja uns "Faulpelzen" zu verdanken, wenn die Geheimdienste heute vermutlich genau so eng an den Grenzen ihrer Ressourcen entlang agieren, wie seinerzeit die Stasi und der KGB. Wenn erste mal all jene Millionen, die sich technisch beschränkt fühlen, Angst kriegen vor dem Netz und nicht mehr surfen wollen, dann hat Herr Cameron schon fast gewonnen. Zumindest kann er dann ein echtes Schnäppchen machen. Das gönnen Sie ihm wohl? Nein? Na, also dann!

  • Kriminellen wird schon seit Menschengedenken das Leben mehr und mehr erschwert. Das ist gut so. Dafür soll ich Schritt für Schritt meine Freiheiten hergeben. Das ist nicht so gut.

     

    Jetzt wird mir hier geraten, das App "Telegram" zu verwenden, um Geheimdienste meine verschlüsselte Textnachricht "Hey, wie geht's?" nicht so einfach dechiffrieren zu können.

     

    Ich ballere also zurück und erschwere den Überwachern das Leben so weit es geht und hoffe inständig, dass doofe Kriminelle weiterhin ihr nächstes Ding auf Whatsapp absprechen.

     

    Was habe ich davon?

    • @Stechmücke:

      Ein Leben ohne "Big Brother"!

      • @errol flynn:

        Du meinst sicher die Illusion eines Lebens ohne "Big Brother"!

        • @Stechmücke:

          Sie klingen desillusioniert.

  • Auch wenn es nur belangloses Zeug ist wie "Hey wie geht's?" oder "Ich mag dich.", hat meine Privatsphäre niemanden was anzugehen, da müssen sich die Sicherheitsbehörden was anderes einfallen lassen um gegen Terror, organisierte Kriminalität oder Pädophilie vorzugehen. Sind doch sonst auch immer so schlau!

     

    Ob ich persönlich was zu verbergen habe? Ja klar, mein Privatleben und meine Intimsphäre. Geht absolut, aber auch absolut niemanden was an. Und jede Regierung sollte mir auch diesen Absolutismus weiter bewahren lassen!

     

    Ich empfehle übrigens jedem die App "Telegram", ist gratis und bringt Cameron noch mehr zum heulen!